Schafft das Amt endlich ab!

Verfassungsschutz Das Versagen des Verfassungsschutzes ist kein Zufall. Mit der Bekämpfung der wahren Feinde des Grundgesetzes hat er sich ohnehin nie beschäftigt

Können wir einen Verfassungsschutz gebrauchen? Aber sicher! Wir haben eine Verfassung, die es zu schützen lohnt. Sollte es einen Verfassungsschutz geben? Bloß nicht! Der Rechtsstaat lässt sich nicht mit Mitteln schützen, die jenseits des Rechtsstaats liegen. Das ist der unauflösbare Konflikt, in dem sich alle Geheimdienste befinden. Der Skandal – hier passt das Wort einmal – um die rechte Terrorgruppe NSU ist nur der jüngste und schlimmste Beleg dafür. Er ist kein Zufall. Kein Versagen. Kein Versäumnis. Er war auch nicht zu vermeiden. So oder anders musste er sich ereignen, und solange es solche Behörden wie den Verfassungsschutz gibt, wird er sich wieder ereignen. Darum sollte diese Behörde abgeschafft werden.

Nichts ist schwerer zu kontrollieren als ein Geheimdienst – weder von innen noch von außen ist einer Institution beizukommen, deren ganzes Wesen die Täuschung ist. Das hat Amtschef Heinz Fromm erfahren, der von seinen eigenen Leuten getäuscht wurde. Und das erfahren die Abgeordneten im NSU-Untersuchungsausschuss, die wie penible Restauratoren versuchen, die Vertuschungen zu beseitigen, mit denen Verfassungsschützer aus Bund und Ländern das wahre Bild des rechten Terrors geschönt haben. Der SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy ist noch freundlich, wenn er sagt: „Ich habe schon den Eindruck, wir werden da ein bisschen behindert bei der Aufklärung.“ Jörg Kellner von der CDU ist schon deutlich resignierter: „Bis heute werden uns immer neue Erkenntnisse über die Presse zur Kenntnis gegeben.“ Und der Linke Jens Petermann sagt einfach, er sei „persönlich fassungslos“.

Auf dem rechten Auge blind

Dabei entspricht dieser Umgang mit der Wahrheit dem inneren Wesen einer Institution, die keiner wirklichen Kontrolle unterliegt und auch nicht unterliegen kann. Was ist Wahrheit für einen Geheimdienst? Jede Institution, die ohne Kontrolle agiert, gelangt irgendwann an den Punkt des moralischen Zusammenbruchs: Regeln und Maßstäbe gehen verloren, das Verhältnis von Zweck und Mitteln gerät ins Wanken. Eine ganze Behörde kommt auf die schiefe Bahn. Und nicht einmal einer wie Heinz Fromm kann das verhindern. Selten hat man erlebt, dass einem Zurückgetretenen so viele freundliche Worte hinterhergerufen werden. An der Integrität des Mannes besteht, scheint es, kein Zweifel. Ebenso wenig wie an seiner Unfähigkeit, den Inlandsgeheimdienst im Griff zu halten. Und das nach zwölf Jahren als Behördenchef!

Die Geheimen überwachen Linksparteiabgeordnete, die nicht einmal ein Splitter im deutschen Staatswesen sind, und übersehen den Balken des rechten Terrors? Und dann werden da noch Akten vernichtet, als die Nachforschungen beginnen? Schafft das Amt endlich ab! Mit der Bekämpfung der wahren Feinde der bundesdeutschen Verfassung hat es sich ohnehin nie beschäftigt: Oder hat man je davon gehört, dass im Frankfurter Bankenviertel ein V-Mann enttarnt wurde? Was noch bleibt an unmittelbarer Gefahrenabwehr: Nazigewalt und Islamistenirrsinn – darum sollten sich die Stellen kümmern, die sich an Recht und Gesetz halten müssen und von denen man eine gewisse Transparenz erwarten darf: Polizei, Staatsanwälte und Gerichte.

Gewiss, man würde das gerne mit mehr Zuversicht sagen. Aber auch das fällt schwer, seit man weiß, dass die Hamburger Polizei bei ihren ratlosen Versuchen, einen der NSU-Morde aufzuklären, am Ende sogar die Aussage eines Geisterbeschwörer in die Akten nahm. Auf dem rechten Auge blind – aber dafür nicht auf dem dritten?

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden