Schluss mit kostenlos

Paywall Wenn Journalismus eine Zukunft haben soll, muss der Leser zahlen. Auch im Netz. Was man auch sonst von Springer halten mag: Beim Bezahlmodell muss man ihm Glück wünschen
Ausgabe 22/2013
Hat eine Vision: Mathias Döpfner
Hat eine Vision: Mathias Döpfner

Foto: Sean Gallup/ AFP/ Getty Images

"Was einen Wert hat, soll einen Preis haben." Ein Springer-Manager hat das am Montag dieser Woche gesagt, als das neue Bezahlmodell vorgestellt wurde, mit dem die Bild-Zeitung ihre Inhalte im Netz verkaufen will. Ein schwieriger Satz. Man kann sich eine Menge Dinge vorstellen, die einen Wert haben und nicht käuflich sein sollten. Und man kann sich fragen, welchen Wert die verschiedenen Inhalte der Bild-Zeitung jeweils haben. Aber dennoch war das für den deutschen Journalismus ein wichtiger Tag: Springer will der Kostenlos-Kultur im Netz den Garaus machen. Wenn es einen Verlag gibt, der dieses Ziel erreichen kann, dann ist es Springer.

Auch wenn manche Netzfundamentalisten das noch nicht wahrhaben wollen: Der Rausch des freien Netzes ist vorüber. Es ist der Morgen danach. Wir wissen jetzt, wenn sich nichts ändert, wird es guten Journalismus bald nicht mehr geben. Wir reden da nicht von einer fernen Zukunft. Die Erlöse der Zeitungsverlage befinden sich im Sinkflug. Ein Blick in die USA zeigt, dass daraus schnell der freie Fall werden kann. Es gibt außer Landlust und Zeit keinen großen Print-Titel, der wächst oder auch nur einigermaßen seine Stellung hält. Das sagt viel über die beiden Titel aus.

Zyniker und Apokalyptiker mögen mit den Schultern zucken. In einer Komödie von George Bernard Shaw bedroht das Feuer die Bibliothek von Alexandria; jemand ruft aus, das Gedächtnis der Menschheit werde verbrennen, und Julius Cäsar sagt: Lasst es brennen. Es ist ein Gedächtnis von Ruchlosigkeit. Mit der Haltung kann man auch der Zerstörung des Journalismus beiwohnen. Aber wer kann sich solch einen moralischen Luxus leisten?

Ohne Journalismus gibt es keine Demokratie. Vielleicht ist unser Journalismus nicht gut genug. Sicher ist unsere Demokratie nicht gut genug. Aber das eine braucht das andere, und das Netz untergräbt beides.

Immer noch verdient kein Medium im Netz das Geld, das notwendig wäre, auf Dauer eine auskömmliche Existenz zu sichern und gleichzeitig den journalistischen Auftrag zu erfüllen: Herrschaftskontrolle. Mit dem Geld der Anzeigenkunden allein wird das nicht gehen. Wenn Journalismus eine Zukunft haben soll, muss der Leser zahlen. Aber der Leser hat im Netz das Zahlen für Inhalte verlernt. Inhalte sind der freiverfügbare Rohstoff der Online-Welt. Ungeachtet ihrer Qualität. Das ist gefährlich. Die Verlage werden ihren Lesern den Unterschied zwischen Qualität und Quantität wieder beibringen müssen.

Springer ist dafür der unwahrscheinliche Kandidat. Aber Vorstandschef Mathias Döpfner hat so konsequent auf das Netz und die digitalen Erlöse gesetzt wie kein anderer. Und kein anderer hatte das Geld für diese Strategie. Das Netz globalisiert die Öffentlichkeit und begünstigt die Riesen. Reichweite und Technologie kosten Unsummen. Google ist der zweitgrößte Medienkonzern der Welt. Springer liegt nur auf Platz 41. Aber immerhin setzt Springer auf Journalismus. In diesen Zeiten muss man sich allein darüber schon freuen. Die Welt ist an dem Versuch gescheitert, zur dritten seriösen Tageszeitung neben Süddeutsche und FAZ zu werden. Bild hat sich in den vergangenen Jahren mit der politischen Berichterstattung viel journalistischen Respekt erworben. Ganz gleich, was man sonst von dem Haus halten mag, beim Bezahlmodell muss man ihm Glück wünschen. Der Erfolg von Springer wird der Erfolg des ganzen deutschen Journalismus sein. Und das gilt umgekehrt auch für seine Niederlage.

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Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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