Schokolade und Demokratie

Ukraine Warum die Wahl des milliardenschweren Oligarchen Petro Poroschenko zum neuen Präsidenten kein politischer Neuanfang ist
Ausgabe 22/2014

Der „demokratische Oligarch“, so wurde Petro Poroschenko in der Ukraine vor den Wahlen genannt. Immerhin hatte sich der Unternehmer nach Beginn der Maidan-Proteste auf die Seite der Demonstranten gestellt. Aber demokratische Oligarchen gibt es nicht. Im alten Regime war Poroschenko Minister für Wirtschaft und Äußeres. Die Wahl des Milliardärs zum neuen ukrainischen Präsidenten ist kein politischer Neuanfang.

Die blutigen Proteste des Winters, die Flucht des Präsidenten Janukowytsch, die Abspaltung der Krim, der Aufstand der östlichen Gebiete, das Anschwellen eines neuen Ost-West-Konflikts zwischen Russland und den Westmächten, all die Erschütterungen dieser ukrainischen Revolution – und am Ende ist ein Schokoladenmilliardär Präsident geworden. Die Demonstranten vom Maidan wollten der Herrschaft der Oligarchen ein Ende setzen. Sie sind gescheitert.

Ob diese Wahl ein Einschnitt wird, ob sie das Ende der ukrainischen Krise einleiten wird, das hängt jetzt vor allem von Poroschenko ab. Der Anfang ist nicht ermutigend: Noch während die Wahlen liefen, flammte der Bürgerkrieg im Osten wieder auf. Am Flughafen von Donezk kam es zu militärischen Auseinandersetzungen. Kiew spricht weiter von einem „Anti-Terror“-Einsatz. Und der neue Präsident zeigt an Versöhnung wenig Interesse. „Es gibt keine Gespräche mit Terroristen“, sagte er kurz nach der Wahl, der Kampf gegen die Separatisten müsse nur „kürzer“ und „effizienter“ werden. Da spricht der Unternehmer. Den Hass des Ostens gegen die Zentralregierung in Kiew wird Poroschenko mit solchen Äußerungen nicht besänftigen.

Vielleicht hat er sich insgeheim mit einer Spaltung des Landes in einen prowestlichen und einen prorussischen Teil bereits abgefunden. Der Westen ist ohnehin noch das Argument schuldig geblieben, warum die Ukraine nicht in einen prowestlichen und einen prorussischen Teil zerfallen soll.

Die Krim ist schon unrettbar verloren. Und auch wenn das Referendum des Ostens und der von den Separatisten beantragte Beitritt zur Russischen Föderation vom Westen geflissentlich ignoriert werden – in der Diplomatie weiß man, dass auch non papers durchaus eine Existenz haben und ihr Inhalt manchmal enorme Wirkung entfalten kann. Über das Votum von neulich kann man ebensowenig hinweggehen wie über die Tatsache, dass im Osten jetzt praktisch nicht gewählt wurde, der neue Präsident sich mithin nicht auf eine Mehrheit der ganzen Ukraine stützen kann.

Dennoch haben der Westen und die Übergangsregierung in Kiew zu Recht auf der raschen Durchführung dieser Wahl bestanden. Russland hat bereits signalisiert, das Ergebnis zu „respektieren“. Anders als die erratische Übergangsregierung wird sich Poroschenko bemühen, mit Moskau wieder ins Gespräch zu kommen. Allein das wird dazu beitragen, das gefährliche Gerede von einem neuen Kalten Krieg zwischen Ost und West leiser werden zu lassen.

Das Wahlergebnis befreit nebenbei die ukrainische Revolution vom üblen Ruf des Faschismus. Dmytro Jarosch, Kandidat des Rechten Sektors, der stets in Kampfkleidung aufzutreten pflegt, hat nicht einmal ein Prozent der Stimmen bekommen. Immerhin hier kann West-Europa von der Ukraine noch etwas lernen.


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Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

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