Tiere müssen draußen bleiben

Koch oder Gärtner Jakob Augstein beantwortet alle Fragen rund um den Garten. Heute: Was haben Tiere im Garten zu suchen? Und ist der Garten Natur oder ein Raum der Kultur?

Liebe Gartenfreunde, neulich war ich abends eingeladen. Das geschieht selten, denn der Gärtner führt ein zurückgezogenes Leben, der Stille und den Pflanzen gewidmet. Ich traf den Biologen Cord Riechelmann. Wir sprachen über die Natur und ihre Grenzen, und über den Garten als Raum der Kultur.

Riechelmann ist nicht nur Biologe. Er ist auch Philosoph. Es ist ja die Biologie von den Naturwissenschaften die geisteswissenschaftlichste. Darum stirbt sie auch. Und löst sich in Spezialitäten auf, ins Molekulare, ins Nervenzelluläre. An den naturwissenschaftlichen Fakultäten, in den Laboren und Unternehmen, braucht kein Mensch mehr die Biologie als Wissenschaft, die das Wie des Lebens ebenso erforschen will wie das Wozu, die die Frage nach der Funktion nicht trennt von der Frage nach dem Sinn.

Die populären Vermittler der Wissenschaft sind seit einiger Zeit schon sämtlich Physiker. Die letzten Biologen waren die Tierfilmer Sielmann und Grzimek. Riechelmann, der mit seinen wilden schwarzen Haaren und dem wuchernden Backenbart etwas Makakenhaftes hat – er sieht, um es genau zu nehmen, aus wie ein Mohrenmakak aus dem Südwesten Sulawesis – ist selber Journalist, Tierjournalist. Eigentlich ist er der einzige Tierjournalist, den es hierzulande noch gibt. Er war darum über meine Auslassungen zu Tieren im Garten einigermaßen entrüstet. Der Gärtner duldet Tiere ja nur – gerade so lange, wie sie dem Zweck des Gartens nicht in die Quere kommen. Denn im Tier siegt immer die Natur, während der Garten ja kein Ort der Natur, sondern der Ordnung ist.

Ich habe versucht, Riechelmann diese These zu verklaren, aber er hat nur gelächelt, mit dem Wissen eines Mannes, der einmal drei Wintermonate im Zentralmassiv verbracht hat, dem Studium der Berberaffen gewidmet, der einzigen Affenart Europas. Schön und gut, dachte ich. Und sagte ihm, die Natur könne mir gestohlen bleiben. Mit ihrer ganzen Sinnlosigkeit und ihrem Desinteresse. Man denke nur an die Sterne. Die in Wahrheit ganz und gar ohne Beziehung zum menschlichen Leben sind. Die ganze Natur schert sich ja einen Dreck um den Menschen. (Denken wir nur an den „Grizzlyman“, jenen verrückten, von Werner Herzog im Dokumentarfilm verewigten, Amerikaner, der in der Wildnis Kanadas zu den Bären und zu sich selber finden wollte, und das ging auch jahrelang gut, bis er eines Tages aufgefressen wurde, mit Haut und Haaren und Freundin.)

Riechelmann empfahl mir die Lektüre von Friedrich Georg Jüngers Orient und Okzident, vermutlich um dem Gespräch ein höfliches Ende zu setzen, denn erstens konnte er nicht damit rechnen, dass ich mir diesen Literaturtip im Rahmen einer abendlichen Einladung merken würde. Außerdem musste er ahnen, dass das Buch – eine Sammlung von Essays unter anderem über die Natur und den Menschen, die 1948 erschienen ist – nicht mehr lieferbar sein würde. Da ich Riechelmann aber mehr schätze als er ahnt, merkte ich mir Buch und Autor und im Internet fiel es mir später nicht schwer, eine vergilbte, modrig riechende Originalausgabe zu ergattern. Jünger schreibt da ein paar hübsche Zeilen über Wasser, die ich, wenn mein Teich jemals fertig werden sollte, gerne hier wiedergeben werde. Vor allem aber beschäftigt er sich mit dem Park und dem Garten, ihrer Geschichte und ihrer Abgrenzung. Beide, Park und Garten, sind ja künstliche Repräsentationen der Natur, aber während der Garten sich der Architektur anverwandelt, neigt sich der Park der Natur zu.

Riechelmann übrigens hat angekündigt, hier eine Verteidigungsrede für die Tiere und das Natürliche im Garten zu halten. Wir werden das einfordern.


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Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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