Wir alle reden sehr viel in diesen Zeiten, wobei das meiste durchrutscht und bald in Vergessenheit gerät. Selten bleibt ein Satz hängen, etwa der Christian Lindners zum Ende der Jamaika-Sondierungen: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“ Über diesen Satz, sein Menschenbild und den Liberalismus heute sprach Lindner jüngst im „radioeins & Freitag Salon“.
Jakob Augstein: Herr Lindner, kennen Sie das Lieblingszitat von Oskar Lafontaine?
Christian Lindner: „Man muss nicht arm sein, um gegen Armut zu sein.“
Das ist auch toll, aber er hat noch ein anderes. „Zwischen dem Starken und dem Schwachen ist es das Gesetz, das befreit, und die Freiheit, die unterdrückt.“
Freiheit kann nicht unterdrücken, das ist absoluter Bullshit. Wenn ich mal wohlwollend interpretiere, will er eins sagen: Wir wollen starkes Recht und nicht das Recht des Stärkeren. Du brauchst einen Staat, der Regeln durchsetzt. Beispiel Silicon-Valley-Plattformkapitalismus. Du brauchst einen Staat als Schiedsrichter, der dafür sorgt, dass nicht wenige selbstherrlich über die Chancen der vielen herrschen. Deshalb haben wir einen Staat, deshalb sind in unserer liberalen Verfassung bestimmte Fragen dem Mehrheitsprinzip entzogen – eine Mehrheit könnte gar nicht über die Würde und Freiheit des Einzelnen entscheiden und sie ihm entziehen. Aber auf dieser abstrakten Ebene zu sagen, Freiheit unterdrücke, das ist mir zu pauschal. Was für eine Argumentation, die könnte von Hugo Chávez sein!
Nein, nein, das ist von Lacordaire, einem französischen Priester und Philosophen aus dem 19. Jahrhundert. Mir hat das immer eingeleuchtet, weil ich finde, dass der politische Liberalismus, wie auch Sie ihn vertreten, etwas für die Starken ist.
Da stimme ich Ihnen überhaupt nicht zu. Das ist ein Zerrbild. Liberalismus bedeutet vor allem erst einmal, den Menschen die Möglichkeit zur Selbstbestimmung nicht durch staatliche Maßnahmen zu nehmen.
Wie bei der Sterbehilfe? Ihre Partei will das ja vereinfachen.
Nach dem Schweizer Vorbild: nichtkommerzielle Sterbehilfe.
Ich bin gegen Sterbehilfe, weil ich glaube, dass das in einer Gesellschaft, die ohnehin auf Selbstoptimierung und die Durchökonomisierung aller Lebensbereiche gerichtet ist, am Ende dazu führt, dass der Druck auf alte Leute steigt, den anderen nicht lästig zu fallen.
Die Praxis in der Schweiz widerlegt Ihr Bild. Und mein Menschenbild ist übrigens nicht, dass eine Mehrzahl der Deutschen Oma am liebsten schnell ableben lassen würde.
Zur Person
Christian Lindner, 40, wuchs nordöstlich von Köln, in Wermelskirchen, auf. Er war Inhaber einer Werbeagentur sowie Mitgründer eines Internet-Unternehmens und hat Politikwissenschaft, Staatsrecht und Philosophie in Bonn studiert. Seit 2013 ist Lindner Bundesvorsitzender der FDP, seit deren Rückkehr in den Bundestag 2017 Chef der dortigen Fraktion
Ich habe zugespitzt.
Aber Sie wollen damit etwas zum Ausdruck bringen. Ich will zurück zum Menschenbild. Daran, ob man rechts oder links entscheidet, kann man ablesen, welches Bild man von Menschen und Gesellschaft hat. Vielleicht bin ich Romantiker. Oder Optimist. Jedenfalls bin ich zutiefst davon überzeugt, dass man den Menschen mehrheitlich vertrauen kann. Für die Menschen, denen man nicht vertrauen kann, haben wir einen Rechtsstaat. Aber diese Beweislastumkehr – erst einmal misstrauen wir den Menschen in ihrer freien Selbstorganisation und müssen ihnen alles Mögliche vorschreiben – das ist einfach nicht mein Menschenbild.
Könnte es nicht sein, dass die Grünen den modernen Liberalismus inzwischen viel besser verkörpern als die FDP? Die Krise der Volksparteien nützt ja im Moment den Grünen mehr als der FDP. Man könnte sagen, die Grünen sind das, was die FDP früher war: die Klientelpartei für Besserverdienende.
In den Wettbewerb, wer die Klientelpartei für Besserverdiener ist, möchte ich gar nicht einsteigen. Die Grünen haben ihre Berechtigung, wer die wählen will, möge die wählen. Ich würde es nicht tun. Warum? Weil die Grünen eben keine liberale und individualistische Partei sind. Das zeigt zum Beispiel ihr fortwährendes Misstrauen gegenüber der Innovationskraft der Gesellschaft. Der verstorbene Soziologe Ulrich Beck – er war nun wirklich kein FDP-Freund – hat mal gesagt, bei seinen Freunden aus der Umwelt- und Klimabewegung beobachte er ein Liebäugeln mit der ökologischen Steuerung von oben, das ihn an den chinesischen Staatskapitalismus erinnert – harte Lenkung, Verbote, Quoten und so weiter. Ein linker politischer Ansatz. Zum Zweiten gibt es natürlich eine Tendenz zur Nivellierung von Unterschieden in der Gesellschaft. Das ist auch legitim, ist aber links. Ich bin der Auffassung, wir müssen viel mehr dafür tun, dass die Menschen eine Chancengerechtigkeit am Start haben. Durch staatliche Interventionen, etwa im Bildungsbereich. Ich bin auch für die wirkliche Unterstützung von Bedürftigen, um sie so stark zu machen, dass sie wieder eigenverantwortlich leben können, wenn sie dazu in der Lage sind. Zur aktuellen Forderung der Grünen – 30 Milliarden Steuererhöhungen, um das Geld dann auch denen zu geben, die angebotene Arbeit und Weiterbildungsmaßnahmen ablehnen – das halte ich einfach für antiliberal, weil es individuelle Leistung und Bemühungen bestraft.
Sie sprechen von einer Nivellierung der Gesellschaft. Aber viele Menschen beklagen eher das Auseinanderdriften der Gesellschaft, sozial und kulturell, und streiten darüber, ob die Globalisierung eine soziale Bedrohung durch Ungleichheit darstellt oder eine kulturelle Bedrohung durch Fremdheit. Aber beides, das soziale und das kulturelle Auseinanderdriften, ist genau das Gegenteil von Nivellierung.
In der Tat, wir haben eine kulturelle Spaltung. Das hat mit Migration zu tun, auch mit der von manchen gefühlten Geringschätzung der eigenen traditionellen Lebensweise. Diese Konfliktlinie muss man ernst nehmen. Mein konkreter Vorschlag wäre: Migrationsproblematik lösen, durch ein gutes Management. Die Migration wird uns in den kommenden Jahrzehnten beschäftigen. Wir brauchen ein gemeinsames Leitbild für unsere Gesellschaft. Das kann nicht, sage ich als Liberaler, in dieser ominösen christlich-abendländischen Leitkultur bestehen, mit „Weihnachtslieder, Christmette, Opernhaus und Sauerkraut ist gleich deutsches Volk“. Es kann nur funktionieren, wenn wir uns auf die republikanischen Tugenden unserer Verfassung besinnen, die offen sind für die Angehörigen aller Religionen oder auch gar keiner Religion, weil sie sich auf Werte wie Würde, Selbstbestimmung des Einzelnen, Toleranz gegenüber anderen Religionen, Gleichberechtigung der Geschlechter und anderes stützen. Das könnte das Integrationsangebot sein, nicht nur für jene, die neu kommen, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt.
Ich finde das toll, was Sie da sagen, nur …
Sie werden jetzt überrascht sein: Beim Zweiten, dem Ökonomischen, stimme ich Ihnen zu. Unsere Gesellschaft geht ökonomisch auseinander. Das hat sehr viel mit Bildung zu tun. Es ist ein Skandal, dass in Deutschland in jedem Jahr immer noch 50.000 die Schule ohne jeden Abschluss verlassen. Was soll aus denen werden, beruflich, ohne einen Abschluss heutzutage? Aber es geht noch weiter. Es war die Mittelschicht, die in den USA Trump gewählt hat. Diese Menschen stellen heute fest, sie strampeln und strampeln und strampeln, aber ihr Leben verbessert sich nicht mehr. Wer dagegen Assets hat – alte Gemälde, alte Autos, Immobilien, teure Handtaschen –, profitiert vom niedrigen Zins. Deshalb muss unsere Aufgabe zum Beispiel sein, dass das Leben in der selbstgenutzten Immobilie nicht ein Luxus für immer weniger wird.
Im Grundsatz steht die FDP als Partei der Freiheit gegen das Konzept der Grünen, auf staatliche Interventionen und Lenkungspolitik zu setzen – das war ihre Quintessenz nach vier Wochen Jamaika-Verhandlungen. Da denkt man: Das wusste man doch schon vorher. Wie konnte man da auf die Idee kommen, eine Koalition zu machen?
Na ja, wir regieren in Schleswig-Holstein und in Rheinland-Pfalz mit den Grünen. Politik ist immer eine Frage des Kompromisses. Aber Parteien müssen sich unterscheiden, und es ist auch nichts Schlimmes daran, Dinge unterschiedlich zu sehen. Deutschland ist früher manchmal sehr konsensorientiert gewesen. Deshalb bin ich der Meinung, es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.
Frau Merkel konnte sich zu Beginn der Sondierungen offenbar nicht vorstellen, dass diese so enden könnten, wie sie endeten.
Frau Merkel hat sicher spekuliert, dass niemand bereit ist, durch so einen Hagelsturm zu gehen – es war ja auch eine extrem harte und riskante Entscheidung, die wir getroffen haben und die bis heute nachwirkt. In einer anderen Welt wäre Frau Merkels Kalkül vielleicht aufgegangen. In dieser nicht. Ich stehe zu dieser Entscheidung, weil man dann wenigstens aus dem Parlament heraus Alternativen aufzeigen und in der nächsten guten Regierung arbeiten kann.
Verstehen die Leute das inzwischen?
Die Frage kommt regelmäßig auf. Und dann bin ich auch bereit, da alles zu sagen. Von mir aus spreche ich das nicht mehr so oft an. Wir sind in einer neuen Phase. Wer unsere Grundüberzeugungen im Prinzip sympathisch findet, teilt das natürlich eher als ein CDU-Unterstützer, der sich fragt, was der FDP einfällt, nicht wie früher einfach den CDU-Kandidaten zum Kanzler zu wählen.
Info
Das Gespräch fand im Rahmen des „radioeins & Freitag Salon“ im Maxim Gorki Theater statt und ist in kompletter Länge auf radioeins.de nachzuhören. Zu Gast im nächsten Salon am 18. Februar ist der Fahrrad-Aktivist Heinrich Strößenreuther
Kommentare 35
Lindner scheint sich da nicht viel weiter zu bewegen. Diese Diskussionen sind schon lange ein alter Hut, und damit herumzutanzen bedeutet lediglich, dass er da den Kontakt verloren hat. Ein extrem bedenkliches Zeichen.
nicht auszuhalten der Typ. Von einer "Nivelierung" (!) der Unterschiede der Lebensverhältnisse warnened, wird er konfrontiert mit der Wirklichkeit, nähmlich steigender Ungleihheit. Und was ist seine Antwort: oh daran ist natürlich die Migration schuld....bla bla bla. Wiederlich. Schon mal was vom Niedriglohnsektor gehört ? Mietenexplosion ? Exportwirtschaft und stagnierenden Löhnen im Innland ? Wegfallen der Erbschafts und kaum Vermögenssteuer ? war alles schon da bevor die Leute aus Syrien kamen.
»Romantik« ist ja schön und gut. In Wirklichkeit bewegt sich Herr Lindner mit seinem liberalen Recht des Stärkeren jedoch auf gänzlich unromantischem Terrain – was er sicher auch weiß, und weswegen das Gespräch in weiten Teilen nichts weiter ist als publikumsgefälliges Hin- und Herschieben schönklingender Worthülsen.
Nehmen wir die Bildung – nicht nur eine von Christian Lindner stetig aufgegriffene Metapher; auch seine Partei, die FDP, fährt bekanntlich geradezu darauf ab. Was haben die FDP, was Christian Lindner konkret auf der Pfanne – oder, um im Bild zu bleiben, in der Schultüte? Ist es die Einführung einer egalisierenden Schulversorgung – also Gesamtschulen und das Lehrpersonal dazu (es soll ja auch unterrrichtet werden, nicht wahr, Herr Lindner?) flächendeckend im Land? I wo – bekanntlich ist die Dreigliedrigkeit für Lindners Partei (und vor allem seine Klientel) die bildungspolitische Dreieinigkeit überhaupt.
Nehmen wir die Bildungsgutscheine (ein Thema, dass – da sollte mir auch der Herr Lindner zustimmen – mit Bildung zu tun hat). Eingeführt wurden sie 2009 – also noch unter Mitägide der FDP. Laut BfA-Zahlen haben sich die Inanspruchnahmen dieser und anderer Förderungsmaßnahmen zwischen 2006 und 2014 fast halbiert. Ein Ergebnis, dass nicht ganz verwundert, wenn man sich die bürokratische Prozedur ansieht sowie, die Hürden, die davor aufgebaut sind. Außerdem hortet die BfA die für Bildung vorgesehenen Mittel lieber im Säckel. Selbst die Welt charakterisiert die für private Pensionsfonds auf die Seite geschafften bzw. anderweitig in der Verwaltung versickernden Rücklagen-Anhäufung der BfA als fragwürdig. Dass sich auch die ausführenden »Frontschweine« dieses Systems, die Jobcenter vor Ort, in Sachen Förderung (ergo: »Bildung«) eher wie Dagobert Ducks gerieren, belegt auch dieser Artikel auf der Seite O-Ton Arbeitsmarkt. Notfalls kann ich diesen Unwillen zur Investition im Bildung auch persönlich bestätigen: Auf einen entsprechenden Antrag – übrigens zu der Zeit, als die Partei von Herr Lindner noch mit in der Koalition war – wurde mir seitens des zuständigen »Fallmanagers« gesagt, ich sei für sowas einfach zu alt.*
Fazit: Die FDP und ihr derzeit oberster Trommler, Christian Lindner, sind die Letzten, die Bildung wollen. Die ganze Politik dieser Partei ist auf Exklusion ausgelegt – auf Vorenthaltung von Rechten, von ökonomischen Mitteln, von gesetzlichem Schutz und letztlich auch von Bildung (sofern sie nicht der begüterten Parteiklientel zugutekommt). Selbst im Idealfall – einer atemberaubenden Bildungsoffensive einer in Regierungs-Mitverantwortung befindlichen FDP – könnte das nur heißen: Bei den Jungen machen wir alles besser (wir versprechen es jedenfalls). Die nicht mehr Jungen hingegen sollen schauen, wo sie bleiben und notfalls am Essen sparen. Abschließend wundern kann ich mich nur, wie man mit derart wenigen (eigentlich sogar gen Null tendierenden) Inhalten ein Interview bestreitet und dabei retorische Spitzen unterbringt gegen konkurrierende Politiker, die exakt diese Ungleich-Schere ins Visier nehmen.
* das in solchen Fällen agenturseitig wohl angeschulte Wording – man muß in so Fällen ja höllisch aufpassen in Sachen Diskriminierung – hat der Mann einigermaßen passabel über die Bühne gebracht.
DANKE, DANKE, DANKE dass der arme Herr Lindner, den die Medien ja auch so stiefmütterlich behandeln, endlich mal eine Stimme kriegt. Diese Ausgrenzung von Herrn Lindner muss überwunden werden.
Kürzlich hat mich - ich sage nicht wer - gefragt, worüber ich mich beim Freitag geärgert hätte. Mir ist gar nicht so viel eingefallen, aber jetzt kann ich das gleich mit anfügen.
Nichts dagegen, dass man den mal um eine Stellungnahme bittet oder so, er ist ja Politiker, aber dem einen ganzen Abend zu widmen. Nee, das ist echt....
Erstaunliche Verständnisse von Toleranz.
teure handtaschen für alle! da steh ich voll hinter. es kann doch nicht sein, dass in deutschland nur die zahnartgattinnen von den niedrigen zinsen profitieren. aber vorher sollte man in der tat die migrationsproblematik mangamentmäßig lösen. denn woher soll ich denn wissen, was der, der beim bäcker hinter mir steht, außer seinen in gebrochenem deutsch gekauften brötchen noch so alles in der handtasche hat?
<„Zwischen dem Starken und dem Schwachen ist es das Gesetz, das befreit, und die Freiheit, die unterdrückt.“ Freiheit kann nicht unterdrücken, das ist absoluter Bullshit.>
Schlagfertig ist er, der Lindner. An seiner Intelligenz ist nicht zu zweifeln. Ein Satz, der absolut richtig ist und auf Lindner wie die Faust aufs Auge paßt, wird ins Lächerliche gezogen. Also: Freiheit kann nicht unterdrücken, auch die Freiheit nicht, zig Tausende, Millionen zu unterdrücken. Was für ein Bullshit. Die Freiheit der Lindners ist die Unfreiheit der Anderen.
<Aber auf dieser abstrakten Ebene zu sagen, Freiheit unterdrücke, das ist mir zu pauschal. Was für eine Argumentation, die könnte von Hugo Chávez sein!>
Das nächste Beispiel für Lindners Argumentationskunst. Weil etwas nicht pauschal stimmt, stimmt es nicht. Wenn „Freiheit nicht unterdrücken kann“, ist dieses „Freiheit macht frei“ nicht ebenfalls zu pauschal. Ist also Lindner nach eigenem Verständnis der rechtsgewandte „Chavez“?
Im folgenden Zitat hat Lindner die Kurve gekriegt. Der Staat nehme den Menschen die Möglichkeit zur Selbstbestimmung, statt ihnen diese Möglichkeit zu eröffnen. Das stimmt sogar teilweise, man muß also fragen, wo der Staat die Willkür Einzelner gegen die Allgemeinheit, deren Freiheit begrenzt und wo er die Freiheit der Allgemeinheit unterdrückt. Lindner will den Staat abbauen, wo er für ersteres sorgt. Halbwahrheiten, die die Verhältnisse auf den Kopf stellen.
Werbung ist die Fähigkeit, Leuten Dinge zu verkaufen, die sie nicht wollen und gegen ihre Interessen gerichtet sind. Wenn es den Preis für den Werber des Jahres gäbe, er müßte irgendwann Lindner verliehen werden.
Es gäbe noch viel zu den weiteren statements zu sagen, aber wer Lindner bis hier hin gefolgt ist, dem ist nicht mehr zu helfen.
Sehe jetzt erst, Lindner „war Inhaber einer Werbeagentur“, ja, er ist wirklich ein Profi.
>> Es gäbe noch viel zu den weiteren statements zu sagen, aber wer Lindner bis hier hin gefolgt ist, dem ist nicht mehr zu helfen. <<
Aus Respekt vor Herrn Augstein hatte ich zunächst auf einen Kommentar verzichtet.
Aber anscheind empfinde nicht nur ich Herrn Lindner als clowneske Figur, die man eigentlich nicht interviewen sollte.
"Freiheit kann nicht unterdrücken, das ist absoluter Bullshit. "
An der Stelle habe ich schon aufgehört.
Warum jetzt auch noch Rechtsradikale im Freitag? Keine andere Partei steht so sehr für die Verschränkung von Politik und Wirtschaft wie seine. Was die Libertären als "Gouvernance" verkaufen ist der totale bürokratische Irrsinn. Als Freiberufler weiß ich wovon ich rede. Die FDP ist die pure Blendgranate für dumme Mittelständler, die sich selbst zur Oberschicht zählen.
Vielen Dank der Redaktion und Jakob Augstein. Reden lassen und gar nicht allzu viel eigene Meinung kundtun, half schon beim Salon- Gespräch und seiner Radioübertragung. Die starke Verkürzung des Dialogs in Schriftform, tat der Sache keinen Abbruch.
Dass Lindner öfter einmal das Publikum zum Lachen brachte, mit seiner Selbstbezichtigung als "Romantiker" und anderen erwartbaren Wendungen des mitfühlenden Liberalismus, ist verständlich, auch wenn es nicht transkribiert wurde.
Kommt das bei Frauen, den 50% plus XX- Wählerinnen, noch gut an, wenn man sich so offensichtlich in eine Gefühlswolke begibt, die in Deutschland das Wort "Romantik" auslöst?- Das war eine Wahlanzeige Lindners: "Romantischer Liberaler sucht Wählerinnen, seines und jedweden Alters."
Und dann bleibt, unter dem Strich, im politischen Feuilleton vielleicht noch hängen, dass Macht, politisch und ökonomisch, ein Maß an Freiheit gewährt, welches sehr wohl unterdrückt und erdrückt.
Lindner sollte man jedoch unbedingt im Auge behalten, weil er virtuos die Marketing- Strategien der öffentlichen Politik beherrscht. - Er wirkt frisch, positiv und wenig zugeknöpft, dabei aber sehr entschieden, und er konfrontiert seine Gesprächspartner vor allem dann, wenn die zu erkennen geben, nicht allzu viel mehr zu seinem Sachthema zu wissen. So etwas geht gut im TV- Talk und bei Presseinterviews. Das wird Wirkung zeigen!
Die Chancen für die FDP stehen nicht schlecht, einfach wieder fürs Regieren in Deutschland gebraucht zu werden. Zu viel Substanz muss man vom FDP- CEO und seiner Partei dafür gar nicht erwarten. Es ist eine habituierte Erwartungshaltung zu spüren, die die FDP und ihre Anhänger befriedigt, wieder sehr nahe an den Metsitzen im Gemeinschaftshaus zu sein. - Ich hatte die FDP vor Jahren, aufgrund ihrer notorischen Inhaltslosigkeit und Lobbynähe, schon abgeschrieben. So leicht kann ich mich irren!
Dawai
Christoph Leusch
"Freiheit kann nicht unterdrücken, das ist absoluter Bullshit."
War das bevor oder nachdem der niederländische Historiker in Davos so schön sagte: Steuern, Steuern, Steuern - Der Rest ist Bullshit ?
Jakob Augstein fragt:
"Sie sprechen von einer Nivellierung der Gesellschaft. Aber viele Menschen beklagen eher das Auseinanderdriften der Gesellschaft, sozial und kulturell, und streiten darüber, ob die Globalisierung eine soziale Bedrohung durch Ungleichheit darstellt oder eine kulturelle Bedrohung durch Fremdheit. Aber beides, das soziale und das kulturelle Auseinanderdriften, ist genau das Gegenteil von Nivellierung."
Christian Lindner antwortet zunächst erwartbar, bei ökonomisch Heiklem hält man sich ja nicht gerne auf: "In der Tat, wir haben eine kulturelle Spaltung. Das hat mit Migration zu tun, auch mit der von manchen gefühlten Geringschätzung der eigenen traditionellen Lebensweise. Diese Konfliktlinie muss man ernst nehmen." Ablenkung oder nicht, perfide oder nicht, man muss die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes da abholen, wo sie vermeintlich stehen.
Auf sanfte Intervention von Augstein ("Ich finde das toll, was Sie da sagen, nur …") ringt sich der interviewte FDP-Mann zu nahezu revolutionärer Position durch:
"Sie werden jetzt überrascht sein: Beim Zweiten, dem Ökonomischen, stimme ich Ihnen zu."
Um dann fortzufahren:
Unsere Gesellschaft geht ökonomisch auseinander. Das hat sehr viel mit Bildung zu tun. Es ist ein Skandal, dass in Deutschland in jedem Jahr immer noch 50.000 die Schule ohne jeden Abschluss verlassen. [...]"
Herr Lindner, das kann nicht Ihr Ernst sein. Auf dieser Basis ist ein halbwegs seriöser Gedankenaustausch schlecht möglich.
Er verfügt über alle Talente, denen die Deutschen so oft und so gerne hinterherrennen. Also Gefahr im Verzug. Ein neoliberaler Hans im Glück mit smartem Täuscherpotential und Verkäufertugenden, der seine und seiner Partei Verachtung und Politik gegen alles Soziale und kleiner Leute Kind hinter einer verschleiernden Sprache versteckt. (Also Baureihe Schröder.) Seine vernebelnde "Erzählung" von Freiheit und Liberalismus entspringt der Geisteshaltung einer Margaret Thatcher oder eines Otto Graf Lambsdorff und bleibt, was es ist, eine permanente Gefahr für viele Menschen in einfachen Lebens- und normalen Arbeitsverhältnissen. Dieser Hans im Glück und Lobbyist der Reichen und Superreichen könnte ein ganz gewöhnlicher böser Wolf sein. Spätestens, wenn er an den Hebeln der Macht mitmischt, sollte man zur gelben Weste greifen.
Tolles Interview.
Christian Lindner wird dann zum gefährlichen Raubtier,
wenn er keine Angst mehr hat, Fehler zu machen.
Machen wir doch mal die Probe aufs Exempel: wie liberal ist Lindner in Bezug auf die Menschen, die infolge von Autoabgasen in der Luft Gesundheitsschäden erleiden bzw. infolge überhöhter Geschwindigkeit bei Autounfällen zu Schaden kommen?
Lindner entblödete sich nicht, mit den blödesten Argumenten - der Weihnachtsmann lässt grüßen - auf den Zug der Autoabgas-Grenzwertleugner aufzuspringen! Und anstelle zu kritisieren, dass im Verbund mit Autolobbyisten, selbst ernannte - falsche - Experten und industriehörige Politiker und Medien ein Ablenkungsmanöver gigantischen Ausmaßes anzündeten, um offensichtlich die Autoabgase gesundzubeten, schwadronierte Lindner von der „Enthauptung“ der Automobilindustrie durch Grüne und Abmahnvereine! Nach Lindner sind also nicht die in betrügerischer Absicht manipulierten Autos das Problem, sondern die „willkürlich und zu hoch angesetzten Grenzwerte“ einschließlich der Deutschen Umwelthilfe (DHU), die die Einhaltung dieser Gesetze einklagt! Was für ein Täuschungsmanöver!
Das ist doch mal ein wirklich nettes Interview, herzlichen Dank dafür an den Gärtner, der sich vortrefflich in der Anwendung der Geschicktheit der Mittel versteht, da schmunzelt man doch gerne einmal ein bischen mit. Es hat schon was für sich einen bodenständigen Beruf erlernt zu haben, so geht denn auch der Samen auf und die Kommentare der Leserinnen sind vom feinsten, danke auch dafür.
Einfach brilliant ihre Gedanken, welcher Tölpel möchte dem noch wiedersprechen, herzlichen Dank dafür. Vielleicht sollten wir im Angesicht der steigenden Nachfragen an gelben Warnwesten über eine Produktion an Warnwesten in allen Farben des Regenbogen als Gemeinschaftsprojekt nachdenken.
Ich verstehe ja Ihren heiligen Zorn nur allzu gut, Sie haben ja so recht, aber was können wir denn wirklich tun um uns von der Ansammlung von Menschen mißachtenden politischen Eliten endgültig zu befreien?
Im Allgemeinen hört sich Lindner ja ganz toll an - er sagt nur nie, was er im Detail z.B. unter mehr Geld für Bildung und mehr Chancengleichheit versteht. Ich möchte da mehr Butter bei die Fische - wenn am Ende mit mehr Tablets in der Schule auf Staatskosten letztendlich deren Hersteller ein tolles Konjunkturprogramm spendiert bekommen, ist das Geld aus meiner Sicht falsch ausgegeben. So ins Blaue hinein reden kann er gut, aber konkret werden sollte er mal!
"Freiheit kann nicht unterdrücken, das ist absoluter Bullshit." ... "Du brauchst einen Staat als Schiedsrichter, der dafür sorgt, dass nicht wenige selbstherrlich über die Chancen der vielen herrschen. ..." "Aber auf dieser abstrakten Ebene zu sagen, Freiheit unterdrücke, das ist mir zu pauschal. Was für eine Argumentation, die könnte von Hugo Chávez sein!
Wie rhetorisch brilliant und gleichzeitig durchtrieben die Argumentation Herrn L.´s ist, offenbart sich gleich zu Beginn. Er zeigt zwischen dem unsäglichen ersten und ebensolchen letzten Satz, dass ihm sehr wohl bewusst ist, was er mit seiner Politik befördert, nämlich das Recht des Stärkeren auf Kosten der Anderen.
Die gut formulierten und sinnvollen Ausführungen dazwischen diskreditiert er mit seinem Eingangs- und Schlusssatz. Aus der Psychologie ist bekannt, dass der Anfang und der Schluss eines Beitrags memoriert werden, alles was dazwischen war, wird gleich gar nicht gespreichert, fällt also unter den Tisch. So bleiben von seinem Plädoyer für einen starken, gerechten Staat nur die Begriffe "Bullshit" und "könnte von Hugo Chávez sein!" übrig. Hört hört!
Chapeau! Werbetexter Herr Lindner hat sein Rhetorikhandbuch gut studiert. Im Übrigen betreibt er in vollem Bewusstsein weiter seine Politik für seine überschaubare Klientel; und das heißt gegen die Mehrheit der Bevölkerung und insbesondere gegen die Benachteiligten dieser Gesellschaft. Die Freiheit der Lindners dieser Gesellschaft und ihrer Klientel hat eben doch eine Grenze; nämlich dort wo das Recht der Anderen anfängt.
>>Lindner sollte man jedoch unbedingt im Auge behalten, weil er virtuos die Marketing- Strategien der öffentlichen Politik beherrscht. - Er wirkt frisch, positiv und wenig zugeknöpft, dabei aber sehr entschieden, und er konfrontiert seine Gesprächspartner vor allem dann, wenn die zu erkennen geben, nicht allzu viel mehr zu seinem Sachthema zu wissen. So etwas geht gut im TV- Talk und bei Presseinterviews. Das wird Wirkung zeigen!<<
Auf mich wirkt der wie ein ausgetretener Filzlatschen. Beim Tonabstellen übernehme ich seine Antworten ;)
Das kommende Geschäft mit den gelben Westen wird wohl eher von einem obskuren chinesischen Milliardär, einem fragwürdigen russischen Oligarchen oder gar einem Parteispender der FDP gemacht, während die deutsche Linke darüber streitet, ob die Warnwesten auch biologisch abbaubar sind.
Das ist witzig, Anne Mohnen. Dass Sie dem (politischen) Charme des freidemokratischen "Romantikers" erliegen, nehme ich selbstverständlich nicht an.
In Ämtern und Würden, waren Freidemokraten zuletzt immer sehr an ihrer Kernwählerschaft orientiert und dahingehend äußerst durchsetzungsfähig. Das fiel den jeweiligen größeren Koalitionspartnern, bei Gelegenheit, durchaus auf. - Der Rest ist den Liberalen, vielleicht habituell, vielleicht aus Überzeugung, wirklich nicht so wichtig.
Um bei Lindner zu bleiben. Ich denke, der Charmebolzen versteht sich und seine Partei als Pressure group. Wie er auftritt, dürfte der damit auch Erfolg bei ausreichend vielen WählerInnen haben, selbst wenn er und seine Partei, mir nicht gefallen. Sogar ein wenig Populismus in Migrationsfragen, gelingt der Partei der Freiheit. Das ist gerade Mode.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Etwas offtopic. „Chancengerechtigkeit am Start“, Bildung, ich mag es nicht mehr hören, egal von wem, aber bitte keinesfalls von der FDP. Und wenn es mit der Chance nicht klappt? Und wer putzt Ihre Wohnung? Eine promovierte Reinigungskraft? … Empfinde ich dieses Satz von der SPD gesagt als nostalgisches Wunschdenken, so empfinde ich mich hier zynisch verkaspert. Pardon, das wollte raus.
“Jedenfalls bin ich zutiefst davon überzeugt, dass man den Menschen mehrheitlich vertrauen kann. [...] Aber diese Beweislastumkehr – erst einmal misstrauen wir den Menschen in ihrer freien Selbstorganisation und müssen ihnen alles Mögliche vorschreiben – das ist einfach nicht mein Menschenbild.“
“Nicht zu vertrauen“ erfasst genau ein realistisches Menschenbild. Auch wenn das illiberal klingt. Es ist Ausweis der Organisation gesellschaftlichen Lebens, dass im Vorfeld, sowie besonders aus Erfahrung, Regeln gesetzt werden müssen, die die individuelle Entscheidungsfreiheit beschneiden. Dieses Lernen aus Erfahrungen genau aber schlägt Lindner aus. Wer sieht, an was für einem Punkt unsere Welt steht, kann nicht allen Ernstes noc eine Selbstregelung durch vollkommen freie Menschen predigen. Wer das tut, will gar nichts ändern.
"und hält die Grünen für antiliberal"
Wenn sie das doch nur wären ! In Wirklichkeit gibt es keine antiliberal Politik oder Pertei in Deutschland, noch nicht mal eine nenneswerte antiliberale APO ...
Und das ist das Problem ! Und das versteht anscheinend auch kaum einer als DAS Problem ... deswegen tut sich rein gar nichts ... sondern man reitet ein totes Pferd... oder nee, es ist vielmehr durchgegangen und schleift den "Reiter" hinter sich her durch den Dreck zu Tode.
bzw. was weiß man schon was dieser FDP Futzi unter "antiliberal" versteht ... und was die deutsche Bevölkerung unter "liberal"
Ich möchte wetten die meisten wissen nicht mal was damit gemeint ist.
"“Nicht zu vertrauen“ erfasst genau ein realistisches Menschenbild."
Interessant.
Nicht wahr?!
Wie Recht Sie haben, dass sehe ich auch so, das gleiche gilt wohl auch für Parteifahnen, die Schals der Gewerkschaften und die lustigen Trillerpfeifen, wo fängt es an wo hört es auf schade.
Die Frage ist dann nur, wie können Sie jemandem, in einem anderen Thread vorwerfen, er solle sich schämen, der Mensch könnte sich auf Sie berufen und sagen, er sei einfach nur mal aus Prinzip misstrauisch.
Ihnen käme dann die verdienstvolle Aufgabe zu, zu erläutern, dass man ja nicht immer und bei jedem misstrauisch sein muss, nur eben bei den "Richtigen", oder wann man das Misstrauen dann wieder runter reguliert, sicher, wenn die Richtigen, das Richtige schreiben.
Vielleicht ist der Ansatz prinzipiell zu misstrauen, aber auch ganz einfach für die Tonne? Sicher nicht, denn mit ihm lässt sich so viel Schönes basteln. Und wer außer einem Narren könnte schon gegen ein ach so realistisches Menschenbild sein, gelle?
Ich opponiere hier gegen die Ansicht Lindners, ein Staat sei allenfalls dafür da, letztinstanzlich als Schiedsrichter aufzutreten.
Im thread nebenan fühlte sich jemand bemüßigt, das schwedische Mädchen, das als Klimaschutzaktivistin auftritt, zuerst einmal als "psychisch auffällig" hinzustellen. Das habe ich dort widerwärtig genannt. Was das jetzt mit meinem Kommentar hier zu tun haben soll und was ich "erläutern" müsste, verstehe ich nicht.
Da gibt es auch nicht viel zu verstehen, außer dass der Kommentator eben erst mal misstrauisch ist, wie Sie ja auch und damit ein realistischer Mensch. Er hat das Grundsätzliche dann halt einfach mal konkretisiert. Passt schon. Ist halt nicht Christian Lindners Weltbild, meines auch nicht. Da ja unter Linken gerade die neue Lust an der Diktatur ausbricht, verklärt, als im Namen von Vernunft und Realismus geschehend, man sieht doch, der freie Mensch ist nicht in der Lage sein Leben auf die Kette zu bekommen, ist alles rund und schön. Und den Rest verstehen Sie ja nicht.