Warum ist humanistische Bildung im Garten von Vorteil?

Koch oder Gärtner Die Mühe der Namen: Der Gärtner kennt die feinen (lateinischen) Unterschiede und erklärt den homöopathischen Wert spezieller Pflanzen mit ihrer inneren Beschaffenheit

Liebe Gartenfreunde, das Thema Wasser soll uns weiter beschäftigen, heute allerdings nur am Rande, im Sinne der Bepflanzung der Uferzone meines Teichs. Ich möchte Sie mit meiner liebsten Gartenpflanze bekannt machen. Ich habe viele liebste Gartenpflanzen, das ist kein Widerspruch, weil die Liebe ja nicht weniger wird, wenn man sie teilt. Hier geht es um das Eutrochium purpureum. Das klingt nach irgendeinem Wimpertierchen. In Wahrheit handelt es sich um eine denkbar prächtige Staude, die über zwei Meter hoch wird, auf kräftigen, biegsamen Stengeln; mit spitzen, wohlgeformten Blätter, von dunklem Grün, und geschmückt mit beeindruckenden rundlichen Fruchtköpfen, von denen ein jeder aus hunderten kleiner, blasslilafarbener Blüten besteht. Man sieht da jetzt die Bienen und andere Honigsammler ein und ausgehen, weil der Purpurdost, so heißt die Pflanze bei uns, so reich an Nektar ist.

Für Freunde der anständigen Taxonomie sei angemerkt, dass das Eutrochium purpureum im gärtnerischen Gebrauch als Eupatorium purpureum bezeichnet wird, obwohl das eine die Tribus bezeichnet, das andere aber das Genus. Vermutlich ist das der Ort, sich mal kurz mit der botanischen Taxonomie zu befassen, also dem System der Ordnung, in dem die verwandschaftlichen Beziehungen der Pflanzen gefasst werden. Wunderbares Feld! Wir werden in kommenden Folgen dieser Kolumne noch weit darauf vordringen. Für den Anfang möge dieser Überblick genügen: Regnum, Phylum, Classis, Ordo, Familia, Genus, Species. Das ist die allergröbste Gliederung, die unmittelbar einsichtig ist und die jeder von uns beherrschen sollte. Es gibt natürlich noch jede Menge Untergruppen und ­Nebengruppen und Übergruppen. Klar. So ist die Tribus über der Gattung angeordnet, aber unter der Unterfamilie. In unserem Fall ist also Eupatorium die Tribus, Eutrochium das Genus und purpureum die Species. In meinem Garten kommt sie übrigens in der Subspecies maculatum Atropurpureum vor.

Heilsamer Purpurdost

Mal Spaß beiseite: Wenn Sie sich im Lexikon anschauen, in wie vielen verschiedenen Arten der Dost vorkommt, werden Sie sehen, dass es ziemlich sinnlos ist, in eine Gärtnerei zu gehen und zu sagen: Einmal Dost bitte. Und Sie wissen ja: Geranium hat mit Geranien gar nichts zu tun. Wenn Sie das mit dem Garten ernst nehmen, sollten Sie sich schon die Mühe mit den Namen machen. Die solide humanistische Bildung ist da natürlich von großem Vorteil. Nicht nur da.

Es gibt auch andere Ordnungssysteme. Das homöopathische etwa. Ich spüre eine gewisse Sympathie für das Konzept der Zuordnung von Krankheit und Mittel nach dem Prinzip der Ähnlichkeit. So schreibt die Homöopathie dem Purpurdost heilsame Wirkung bei Nieren- und Blasenleiden zu, wenn es also um den Flüssigkeitshaushalt des Körpers geht. „Menschen, die Eupatorium purpureum brauchen, wirken oft krank, zerschlagen und durstig“, sagt der Homöopathische Ratgeber. Ganz klar, weil das Eupatorium eine Pflanze ist, die selber viel Wasser braucht und, auf reichem Boden und gut gegossen, in wirklich stattlichem Ausmaße wächst.

Es dauert freilich ein bisschen: Mein Exemplar ist fünf Jahre alt. Wenn man sich diese wunderschöne Pflanze ansieht, kann man sich schlecht vorstellen, dass davon im Winter nichts übrigbleiben soll. Aber als der Teich angelegt wurde, musste ich sie ausgraben, um ihren Standort zu ändern. Es hat meine ganze Kraft gekostet, den riesigen Wurzelballen freizulegen, emporzuwuchten und ihn nur die wenigen Meter zu versetzen, die es brauchte, damit mein Purpurdost jetzt zwischen dem Apfel und der Mirabelle emporragen kann, wo er sich weiß Gott nicht zu schämen braucht.

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Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

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