Wie macht man ein lustiges Gartenbuch?

Koch oder Gärtner Der Gärtner möchte seine philosophischen Gedanken zur Natur und den Menschen in einem Buch verewigen, in dem auch einige Bilder seiner Laufenten und eine Burg vorkommen

Lieber M., wir wollen also ein Gartenbuch machen. Das freut mich. Ich komme hiermit gerne einer Bitte von Ihnen nach und schreibe einmal auf, was das für ein Buch werden kann. Bitte wundern Sie sich übrigens nicht darüber, dass ich „Sie“ zu Ihnen sage. Ich habe nicht vergessen, dass wir längst beim Du sind. Aber da der Inhalt dieses Briefes einen gleichsam geschäftlichen Charakter trägt und ich mir außerdem vorgenommen habe, ihn der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, habe ich mich für einen förmlichen Ton entschieden.

Die Erde ist ja ziemlich groß: 510 Millionen Quadratkilometer groß. Mein Garten ist dagegen ziemlich klein, 1.400 Quadratmeter. Das bedeutet, mein Garten ist 364.285.714.285.714,29 mal kleiner als die Erde. Und dennoch öffnen sich hier Fragen, die weit über seine engen Grenzen hinausweisen. Im Ernst. Der Mensch bedenkt seinen Platz in der Welt auch nicht viel anders als ich meinen Platz in meinem Garten. In kleinerem Maßstab, unter zugegeben suburbanen Umständen. Gleichwohl. Auch im Vorort gilt es, in den Tiefenschichten der gärtnerischen Existenz, die ständig fließende Grenze ­zwischen Natur und Kultur auszuloten. Sind meine Bemühungen im Kampf gegen den Giersch Ausdruck des ewigen Ringens um menschliche Würde? Oder bin ich auch als Gärtner, dieser hochentwickelten Variante menschlichen Ordnungsstrebens, selbst nur ein Agent besonders raffinierter evolutionärer Strategien der Natur? Man kann, wie Hubert Markl es unlängst im Merkur dargelegt hat, die Auffassung vertreten, die Kultur sei ein Trick der ewig um mehr Effizienz bemühten Natur, die Zwangs­jacke der Genetik abzustreifen. Ganz einfach, weil die Kultur schneller wirkt als die Evolution. Ein faszinierender Gedanke, dem ich mich in meinem Buch unbedingt zuwenden will.

In meinem Buch soll es also um Philosophie gehen. Aber nicht nur. Es soll auch um Menschen gehen. Es muss natürlich einer wie Johann Gottfried Tulla darin auftauchen, der Bändiger des Rheins. Ein ganzes Leben im Kampf gegen das Hochwasser, also im Dienst des Menschen. Aber am Ende bleibt der begradigte Fluss wie tot liegen, und das Hochwasser ist nicht besiegt, sondern kehrt mit immer größerer Zerstörungskraft zurück. Also, Tulla muss rein.

Ich muss natürlich auch von den Laufenten berichten, die wir im Herbst bei uns ansiedeln wollen. Ich baue für sie gerade ein Schloss, das Fundament habe ich schon gegossen, die Steine sind bestellt. Im Sommer beginnen die Maurerarbeiten. Es wird vielleicht kein richtiges Schloss. Eher eine romanische Burg. Jedenfalls wird es toll. Und drumherum lege ich einen Park an für meine Enten. Davon mache ich Bilder, und die sollen auch in das Buch. Zusammen mit den ganzen Skizzen, die ich gemacht habe, von Mäuse­gängen, die ich unter den Hostae vermute, von geplanten Wasserläufen, die ich gerne zur Straße hin anlegen würde – wir haben da ein Gefälle, das könnte man ausnutzen – und von meinem Gartenteich. Lieber M., meinem Teich werde ich sicher ein eigenes Kapitel in diesem Buch widmen müssen. Ebenso wie meinen Gärtnern, auf die ich in dieser Sache große Hoffnungen setzte, die aber bitter enttäuscht wurden. Sie sehen: Es geht im Garten um die ganze Bandbreite des Lebens.

Ich hoffe, ich konnte Ihrer ­Neugierde genüge tun und vielleicht auch eine Frage beantworten, die Sie gar nicht gestellt haben: Warum überhaupt ein solches Buch – immerhin sagt das Internet, dass es auf deutsch ungefähr 66.714 Bücher zum Thema Garten gibt. Dieses Buch soll eben meines werde, ein schönes und lustiges. Und groß soll es werden. Ich glaube, ich habe jetzt genug erklärt. Ach ja, und dann soll es natürlich auch um Pflanzen gehen.

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Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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