Liebe Gartenfreunde, vor zwanzig Jahren wurden nicht nur die Deutschen wiedervereinigt, sondern auch die deutschen Gärtner. Das war unvermeidlich, aber bedauerlich. Damals erlebte das Denken in den Kategorien des Nutzwertes eine große Stärkung. Jenes mir fremde Denken, nach dem der Garten einen Zweck erfüllen soll, dem der gepflegte Rasen wenig und das wohlüberlegte Staudenbeet gar nichts bedeutet. Ein Denken, das sich beständig um Rübe, Rettich und Radieschen dreht. „Ein Kleingarten ist ein produktiver Garten“, heißt es dazu knapp in einer Bekanntmachung des VKSG, des Verbandes der Kleingärtner, Siedler und Grundstücksnutzer.
Bekanntlich ist der Sozialismus eine Religion des Wachstums und der Machbarkeit, ebenso wie sein größerer Bruder: der Kapitalismus. Der Sozialismus erweitert den Wachstumsglauben aber um den Kollektivismus, und es ist darum keine Überraschung, dass das Kleingartentum seit dem IX. Parteitag der SED im Frühling 1976 den besonderen Schutz und die besondere Förderung des Staates genoss. Dies war, wir erinnern uns, der Parteitag des Konsum-Sozialismus, als die Partei dem Volk die „Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus“ sowie die „stabile Versorgung mit Konsumgütern“ zusagte, übrigens ein erstes Kleinbeigeben im Wertekampf mit dem Westen.
Die Republik baute Knoblauch an
Die Kleingärtner stellten sich ihrer sozialistischen Pflicht. Stolz vermeldet der VKSG in der Rückschau, dass die Kleingärtner in der DDR „einen nicht unerheblichen Teil des Marktaufkommens von Obst und Gemüse für die Versorgung der Bevölkerung produziert“ hätten. Dieses Selbstbewusstsein ostdeutscher Kleingärtnerei findet seine Bestätigung in den Worten Erich Honeckers, der noch im Mai 1989 bestätigte: „Ihre in liebevoller Freizeitarbeit über den eigenen Bedarf hinaus erzeugten Qualitätsprodukte, darunter bedeutende Mengen an Obst, Gemüse, Honig, Eier, Kaninchen- und Geflügelfleisch, finden die Anerkennung der Bevölkerung.“
Bei der optimalen Lenkung des kleingärtnerischen Schaffens kam Erika Krause, Moderatorin der überaus erfolgreichen und langlebigen TV-Sendung Du und Dein Garten, keine geringe Rolle zu. Krause: „Also, wenn wir in unserer Sendung beispielsweise gesagt haben, dass es schön wäre, wenn es mehr frischen Knoblauch gäbe, dann baute die Republik Knoblauch an. Das Gleiche passierte mit Zucchini oder Fenchel. Die Gemüseläden, Gaststätten und Hotels waren glücklich und die Kleingärtner zufrieden. Und dem Staat sparten wir so die knappen Devisen.“
Angriff auf die DDR-Alltagskultur
Nach der Einheit war es damit vorbei. Es gab für die besondere kleingärtnerische Würde, an der Volksversorgung teilzuhaben, im Westen keine Verwendung. Aber damit nicht genug: Die Bestimmungen des BKleinG konnten von den ostdeutschen Kleingärtnern nicht anders als mit Entsetzen aufgenommen werden. Insbesondere das Verbot der „Bewohnbarkeit“ der Kleingärten wird in ostdeutschen Kreisen als gezielter Angriff auf bewährte DDR-Alltagskultur gesehen. Liegt bei mehr als zwanzig Prozent der Parzellen Bewohnbarkeit vor, so will es der Wessi, geht der besondere Rechtsschutz der Kleingartenanlagen flöten. Bewohnbarkeit? Strom, Wasser und ein Bett waren seinerzeit geradezu Voraussetzung für tätige Mithilfe an der Erfüllung des Fünfjahresplans. Auch als Kleingärtner kommt der DDR-Bürger also unter den Pflug der deutschen Einheit.
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