Wofür kann man eine Eibe benutzen?

Koch oder Gärtner Es gibt Wesen im Garten, die unser Kolumnist nicht mag: die bösartige Schnecke, klar. An Charakterlosigkeit nicht zu überbieten aber ist die Eibe. Sie musste weichen

Liebe Gartenfreunde, wir freuen uns auch deshalb so über den Frühling, weil er, anders als allgemein erwartet, die arbeitsärmste Zeit im Garten ist. Jetzt entfaltet sich alles, was Sie im Herbst vorbereitet haben. Sie können da wenig tun. Lassen Sie den Garten einfach in Ruhe und sehen Sie ihm beim Wachsen zu. Ich stelle allerdings fest, dass die Schnecken heuer wieder mit Macht zu­schlagen. Also: Schneckenkorn streuen und zwar im Übermaß. Man kann nie genug gegen diese bösartigen Tiere unternehmen.

Wir können die freie Zeit nutzen, uns mit einer Pflanze zu befassen, die es bei mir nicht mehr gibt, nachdem ich Sie im vorvergangenen Jahr gefällt habe. Sie war aber derart dominant in meinem Garten, dass ihr Schatten sozusagen aus dem Grabe ragt.Ich spreche von der alten Eibe, die inmitten des Gartens stand – dort, wo jetzt der Teich liegt.

Es war eine alte Pflanze von beachtlicher Höhe. Und es fällt mir schwer, ein gutes Wort für diese Pflanze zu finden. Sie gehört mit ihrem undurchdringlich traurigen Grün und ihrem wider­spenstigen Wuchs sicher zu den düstersten und trübsinnigsten Gewächsen, die sich im Garten denken lassen. Ihr Vorteil, wenn man das so nennen will – ich würde eher sagen: ihre Charakterlosigkeit – liegt im völligen Fehlen jeder Bedürfnisse.

Gut für jeden Friedhof

Man kann sie in irgendeiner schattigen Ecke in den Sand pflanzen und weder gießen noch düngen, sie wird einem das in ihrer ganzen unsympathischen Anhänglichkeit mit stetem Wachstum und überlangem Leben danken. Für die Randbepflanzung eines stillgelegten Friedhofs mag das noch hingehen – irgendjemand jedoch war auf die Idee gekommen, eine Eibe in das Zentrum dieses Gartens zu setzen. Sie muss da schon viele Jahre gestanden haben, vier, fünf Meter Höhe hatte sie erreicht und eine entsprechende Ausdehnung. Sie stand da, dräuend wie der schwarze Monolith in Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum, ein dunkles, mahnendes Zeichen für schlechten Geschmack.

Wobei vielleicht noch zu erwähnen ist, dass die Eibe zu den giftigsten Gartenpflanzen gehört, die einem so einfallen können. Bei entsprechender Dosierung versterben die meisten Säuge­tiere, Menschen eingeschlossen, erstaunlich schnell an Atem lähmung und Herzversagen. Kaninchen und Meerschweinchen etwa bringen Sie mit rund zwei Gramm Eiben-Nadeln um die Ecke, für Pferde braucht es etwa 100 bis 200 Gramm, ein Mensch findet nach Einnahme eines Suds aus 50 bis 100 Gramm Eiben-Nadeln den sicheren Tod. Im Internet findet sich der Hinweis, dass auch das Einatmen des Blütenstaubes gefährlich sein soll: In England sollen dadurch fünf Rentner gestorben sein.

Aber es steht ja auch viel Unsinn im Netz. Aus den Früchten der Eibe lässt sich allerdings Marmelade kochen, die sehr schmackhaft sein soll und vollkommen ungefährlich, wenn es Ihnen gelingt, vorher die Samenkörner vollständig zu entfernen, die hochgiftig sind. Vielleicht eher als Geschenk denn zum Selbstverzehr geeignet.

Ich hatte einmal erwähnt – vielleicht erinnert sich noch der eine oder andere –, dass in unserem Haus früher zwei Orchestermusiker mit ihren Familien gewohnt hatten, die als Freunde eingezogen waren und dann zu Feinden wurden.

Es kann ein Zufall sein, vielleicht aber auch ein Hinweis auf unvollendete Pläne einer der beiden Parteien, jedenfalls war die Eibe nicht die einzige Giftpflanze im Garten: Es fanden sich daneben noch Goldregen und Fingerhut. Vermutlich war es gut, dass die Eigentümer ihr Miteinander am Ende durch eine Zwangsversteigerung beschließen wollten und nicht zu anderen Mitteln gegriffen haben. Die JVA Tegel ist kein schöner Ort, nicht mal für einen Orchestermusiker.

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Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

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