Mit einer Stimme sprechen

Die Linke Nach dem Parteitag ist es das Gebot der Stunde, persönliche Animositäten in den inhaltlichen Auseinandersetzungen zu überwinden und Einigkeit zu demonstrieren
Die neue Parteispitze: Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler
Die neue Parteispitze: Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler

Foto: Christian Marquardt/Pool/Getty Images

In ihrer Dankesrede nach der Wahl zur Vorsitzenden auf dem Bundesparteitag der Linken am Wochenende, der im Zeichen eines Neuaufbruchs stand, sagte Susanne Hennig-Wellsow: „Wir möchten, so unbelastet wir sind, eine neue Kommunikation in dieser Partei führen. Dass wir Streit nicht als persönliche Beleidigung empfinden, sondern dass es darum geht, Lösungen für Probleme zu finden, die nun mal auf dem Tisch liegen. Ich kann nur sagen, dass eine vernünftige Kommunikation mit uns auch die Kommunikation über uns verändern wird.“ Sie traf damit einen der Punkte, in denen es sich Die Linke oft schwerer als nötig macht, um zu öffentlicher Wirksamkeit im politischen Diskurs zu gelangen. Die Personalisierung in den inhaltlichen Auseinandersetzungen zu überwinden, ist das Gebot der Stunde. Diese Partei lebt von einer in die Breite gehenden Beteiligungskultur ihrer Mitglieder, darin vergleichbar höchstens noch mit den Grünen. Jede Wortmeldung, jede Person wird ernstgenommen, unabhängig von ihrer Stellung in der Partei, es gibt keinen falschen Respekt vor Amtsträgern. Diese Vielstimmigkeit macht ihre Stärke aus, wie die Struktur von Strömungen und Zusammenschlüssen, die differenzierte Perspektiven einzubringen vermögen. Das braucht es, um Themen produktiv zu bearbeiten, zu Entscheidungen zu kommen. Doch die muss man dann mit einer Stimme vertreten, auch wenn man sich als Einzelmitglied enthalten oder gar dagegen gestimmt hat, sonst entsteht rasch das Gefühl von Unverbindlichkeit.

Ein anderes Problem ist, dass manche Prozesse zu lange dauern und nicht zum Abschluss kommen, wie etwa in der Haltung zur EU oder der Frage eines Bedingungslosen Grundeinkommens. Seit über einem Jahrzehnt ringt man in der Partei um eine Position in dieser Sache. Und bezüglich einer Regierungsbeteiligung auf Bundesebene fehlen eindeutige Signale. Verschiedentlich pflegt man Dogmen, die zwar programmatisch untersetzt sind, einer veränderten Situation indes kaum Rechnung zu tragen vermögen. Hier sollte Die Linke Abwägungsprozesse in Gang setzen: Lässt man Dinge wie den Austritt aus der NATO oder Blauhelmeinsätze erst einmal außen vor, wenn sich mit einem potentiellen Koalitionspartner die Möglichkeit ergibt, dringende soziale Projekte anzuschieben, wie etwa Langzeiterwerbslose deutlich besser zu stellen, nicht nur materiell, die Öffentliche Daseinsvorsorge wieder zu stärken oder auf überbordende Mieterhöhungen Einfluss zu nehmen? In der Regierungsfrage sei Die Linke noch unentschieden, sagte Katja Kipping auf dem Parteitag, und mahnte, dass man mehr einer Partei vertraue, in der diese Frage geklärt ist.

Es braucht nach wie vor eine Partei links der SPD, um jenen für die tiefsitzende soziale Schieflage verantwortlichen Status quo zu hinterfragen: Ist der ausgreifende Vermarktungs- und Kapitalisierungswille wirklich die allein seligmachende Geschäftsgrundlage unseres Daseins oder finden wir geeignetere Mittel, uns und die Erde als Ort für vielfältiges Leben noch zu retten, in einem solidarischen Miteinander? Von den politischen Parteien hierzulande stellt keine andere die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer kapitalistischen Wirtschafts- und Lebensweise angesichts der für die Zukunft zu lösenden sozialen und ökologischen Probleme.

Jayne Ann Igel war bis 2019 zehn Jahre lang Mitglied des Landesvorstands der Linken in Sachsen

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