Auch eine Frage der Definition - Israel im Diskurs der Linken

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aus aktuellem Anlaß hier der Repost eines Beitrags, den ich 2008 im Kontext einer anderen oder doch ähnlichen Debatte verfaßt hatte:

Rund um den 60. Jahrestag der Gründung des Staates Israel ist die Debatte über das Verhältnis der Linken zu Israel neu aufgeflammt. Sowohl innerhalb als auch zwischen den verschiedenen Strömungen der Linken wird heftig darüber gestritten, erweisen sich die Standpunkte als überaus differenziert. Dabei wäre es wichtig, dass sich die Kontrahenten endlich der Vorurteile und Ideologismen entledigen, die die Sicht auf den Gegenstand und eine sachliche Auseinandersetzung schon seit Jahrzehnten erschweren.

Zuallererst betrifft das z.B. die unzulässige und ahistorische Gleichsetzung von Zionismus mit Imperialismus und von Antizionismus mit Antisemitismus. Nur so konnte und kann es geschehen, dass Fundamental- wie jede noch so leise Kritik an der Politik Israels gegenüber der palästinensischen Bevölkerung und den arabischen Staaten rasch als antisemitisch seitens derer eingeschätzt wurde und wird, die diese Politik unterstützen. Und nur so konnte man in der DDR, aber auch in großen Teilen der westlichen Linken zu der Aussage gelangen, der Zionismus stelle eine Spielart des Imperialismus dar. Eine unhaltbare Definition, selbst wenn man ihr die Wahrnehmung zugrundelegt, dass infolge der nicht auf Vermittlung zwischen den Bevölkerungsteilen Palästinas bedachten Politik des damaligen Mandatsinhabers Großbritannien Teile der arabischen Bevölkerung durch die vor und nach dem 2. Weltkrieg verstärkte jüdische Zuwanderung aus einigen Regionen regelrecht verdrängt worden sind. Denn die Gründung des Staates Israel muss in Zusammenhang mit der Diaspora und den Erfahrungen von Verfolgung in der Diaspora gesehen werden, zuallererst aber und unmittelbar als Folge des Holocaust in Europa. Und von Anfang an ist der neue Staat den Anfeindungen seitens der Nachbarländer ausgesetzt gewesen.

Das Gros der westdeutschen Linken hatte sich mit der Palästinensischen Befreiungsbewegung (PLO) solidarisiert und dem israelischen Staat Apartheid-Politik gegenüber dem arabischen Bevölkerungsteil vorgeworfen – insbesondere ab dem Zeitpunkt, als Israel im Ergebnis des Sechs-Tage-Kriegs 1967, der bekanntermaßen ein Präventivschlag war, die Golan-Höhen und das Westjordanland dauerhaft besetzen sollte. Angesichts der Flüchtlingslager, die sich über die Jahre verstetigten und in denen noch heute die Insassen ohne wirtschaftliche und gesellschaftliche Perspektiven hausen, ist diese Solidarisierung nachvollziehbar. Nicht jedoch die damit einhergehende einseitige Sicht auf den Konflikt. Antisemitismus hat es in den Reihen der westdeutschen Linken indes kaum gegeben, waren sie es doch auch, die eine rückhaltlose Aufklärung der Verbrechen des NS-Regimes forderten. Selbst die radikalsten linken Gegner israelischer Politik sind nicht auf die Idee verfallen, den Holocaust zu leugnen, jedoch blendeten sie das Geschick der jüdischen Bevölkerung aus, die nun auch in Israel unter steter Bedrohung leben musste.

In der DDR wurde die Tatsache, dass der Sechs-Tage-Krieg eine Antwort auf die konkreten Kriegsvorbereitungen seitens Ägyptens, Syriens und Jordaniens darstellte, schlichtweg unterdrückt und verschwiegen. Zugleich war hier der Antifaschismus Staatsdoktrin von Anfang an und darin eingeschlossen auch das Gedenken an die Vernichtung von über 6 Millionen Juden, wie es in der offiziellen Sprachregelung hieß. Antisemitische Töne verboten sich da von selbst. Dafür hat es subtilere Formen von Ausgrenzung gegeben, eine davon war das gesellschaftliche Kaltstellen der wenigen im Lande verbliebenen Juden als Opfer des Faschismus. Die jüdischen Gemeinden haben staatliche Unterstützung bekommen, in der Öffentlichkeit aber spielten sie kaum eine Rolle.

Der Zionismus, der doch ursprünglich nichts anderes bedeutete, als der Vision einer Heimkehr ins Gelobte Land konkrete Gestalt zu verleihen, hat sich aus einer Zwangslage heraus entwickelt, der Tatsache periodisch wiederkehrender Verunsicherungen und empfindlicher Störungen jüdischen Lebens in den Ländern der Diaspora. In Ländern, in denen man oft schon über Generationen lebte, sich mehr oder weniger erfolgreich integriert hatte. Ausgangs des 19. Jahrhunderts wurde der Frage, was bei der Errichtung eines jüdischen Staates in Palästina aus der arabischen Bevölkerung würde, kaum Beachtung geschenkt. Aber mithin gab es führende Köpfe in dieser Bewegung, die sich über das jüdisch-arabische Verhältnis frühzeitig Gedanken machten und für die nur ein Miteinander auf dem Boden Palästinas vorstellbar war.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

jayne

beobachterin des (medien-) alltags

jayne

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