BAST und basta - Schlichtung 7. Runde

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An diesem Freitag hat die vorerst vorletzte Runde der Schlichtungsgespräche zu Stuttgart 21 begonnen, die letzte wird am Sonnabend folgen, denn schon für kommenden Dienstag hat Schlichter Heiner Geißler einen Schiedsspruch angekündigt.

Im Vorhinein erklärte er, daß mehrere Lösungswege in Betracht kämen, und vor allen Dingen sollten Spekulationen seitens der Immobilienbranche über eventuell freiwerdende Grundstücke bis dahin unterbunden werden.

Heute soll es vor allem um die Kosten, und das heißt auch, die Wirtschaftlichkeit von S21 und Neubaustrecke gehen, doch zuvor gibt es erneut Klärungsbedarf bezüglich der geologischen Gutachten, die immer noch nicht eingesehen werden konnten. Peter Conradi forderte, diese Gutachten müßten doch auch für die potentiellen Ausschreibungsteilnehmer online gestellt werden, damit sie wissen, was sie hier in geologischer Hinsicht erwartet.

Bahnvorstand Kefer meinte, die 300 Ordner ständen nach wie vor zur Einsichtnahme im Datenraum bereit, und es gälte den Spagat zu leisten zwischen der Transparenz, die er herzustellen bereit sei, und dem Schutz des Projekts, um dann bei der Ausschreibung maximale Ergebnisse zu erzielen.

Brigitte Dahlbender monierte, daß kein ehrenamtlich für die Bürgerinitiative tätiger Wissenschaftler das Risiko auf sich nehmen würde, im Zweifelsfall 500.000 € zu zahlen, weil er vielleicht nach Meinung der Bahn gegen die von ihr verfügten Auflagen zur Einsicht in die Unterlagen verstoßen hat, keiner riskiere dafür Haus und Hof ... Kefer antwortete, zunächst eine Übersicht über die vorliegenden Gutachten ins Netz stellen zu wollen. Also bleibt diese Frage immer noch offen, was auch Geißler nicht behagte.

Conradi sprach auch die BAST von 2002 (Betriebliche Anleitung) und die darin zu findenden Summen an, die schon wesentlich höhere Kosten für das Projekt ausweisen, als sie der Öffentlichkeit zum damaligen Zeitpunkt vermittelt worden sind. Nach Conradi finden sich alle Werte in den Tabellen in Euro dargestellt, während bahnseitig bekundet wurde, es handele sich um Beträge in DM, insbesondere bezüglich der Gesamtsumme des Projekts.

Kefer lächelte, es handele sich hierbei um einen Tippfehler, man habe sich vertippt, damals ... Die BAST-Unterlagen hätten, so Frau Dahlbender, erst heute morgen von den Projektkritikern eingesehen werden können, was natürlich so nicht möglich, parallel zum Schlichtungsgespräch. Sie hätten die Unterlagen dabei, lächelte der Bahnvorstand, und Experten könnten sie gleich oder aber auch heute abend studieren.

Während ich dies niederschreibe, geht es immer noch um BAST, und Geißler schlägt vor, sich Morgen damit zu beschäftigen ... Winfried Herrmann (B90/Grüne) wirft die Frage auf, ob denn die Parlamente, als sie über das Projekt entschieden haben, die richtigen Zahlen vorliegen hatten, z.B. der Bundestag im Jahre 2008 bei seiner Entscheidung über Neubaustrecke und S21. Immerzu werden wir mit neuen Offenbarungen konfrontiert, und ich frage mich, ob das an der fünften Jahreszeit liegt ...

Der Schlichter akzeptierte die Erklärungen Kefers zu den BAST-Beträgen und meinte, dies spiele für die Schlichtung jetzt keine Rolle und bilde nur ein psychologisches Moment, obgleich es schon entscheidend, welche Zahlen den Abgeordneten vorgelegen haben. Eigentlich ist es ein Skandal ...

In seinem anschließenden Vortrag brillierte Kefer mit Begriffen wie Risikopuffer (im Planungskonzept) und Absprungbasis (d.h., daß man von Preissteigerungen für zu vergebende Arbeiten über mehrere Jahre ausgeht, die sich dann aber wieder "beruhigen"). Die geologischen Risiken seien minimiert worden, man habe Risikozuschläge in die Kostenkalkulationen einbezogen.

Von Stocker wird der bekannte Mechanismus von Kostensteigerungen bei Projekten der DB angesprochen, der erfahrungsgemäß auch bei S21 wieder in Gang gesetzt würde. Irritationen löste die Tasache aus, daß Kaufpreise für Grundstücke mit eingeplant worden seien, die nachweislich der Bahn selbst gehörten. Kefer begründete das mit einem vereinfachten rechnerischen Verfahren, denn es gäbe bahneigene wie auch andere Grundstücke, und man habe sie erst einmal alle gleichgestellt. Das würde später natürlich korrigiert ...

Kefer hatte bereits 11.17h in Zusammenhang mit Kostenharmonisierungen und -Einsparungen ausgeführt (Protokollnotiz):

  • Reduzierungen bei zu kaufenden Grundstücken: Büros haben alle Grundstücke auf Bitte der DB als zu kaufende Grundstücke einkalkuliert - Kosten sind höher
  • faktisch sind viele der Grundstücke bereits im Besitz der DB, daher insgesamt geringere Kosten.

Die Kosten samt Einsparungen würden für S21 nach Bahndarstellung bei 4.o88 Mrd. Euro liegen (ohne Einsparungen bei 5,2 Mrd.), aber das sind jedoch nur die Vergabepreise, die Endabrechnung dürfte nach Einschätzung der Projektgegner ca. 15 bis 20% höher ausfallen. Und dies müßte ehrlicherweise auch klargestellt werden. Der eingerechnete Risikopuffer erweise sich zudem als zu gering dimensioniert.

Überhaupt entsteht der Eindruck, daß bahnseitig die Kosten "optimistisch" gerechnet, Chancen und Einsparpotentiale höher als die Risiken bewertet worden sind. Die Risikobewertung wurde offensichtlich minimiert resp. Risiken überhaupt nicht einberechnet, was die Projektbetreiber natürlich bestreiten.

Winfried Hermann (MdB, Vorsitzender des Verkehrsausschusses) hat in einem fulminanten Redebeitrag die Planungen für die Neubaustrecke (NBS) Wendlingen-Ulm generell in Frage gestellt. Die Neubaustrecke gehöre nicht zu den Vorrangprojekten im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans bezüglich des Schienenausbaus. Zumal wenn es um die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene gehe, denn die Strecke ist ja vor allem für den Personenverkehr geplant. Im Gegensatz zum Güterverkehr auf der Schiene stagniere jedoch der Personenfernverkehr.

Die Hauptachsen verlaufen zwischen Nord und Süd, wie auf einer Folie der Bahn zu sehen war, und dort bestehe hoher Ausbaubedarf. Da müßten Prioritäten gesetzt werden, denn für diesen Bereich stünden bis 2020 nur 11 Mrd. Euro zur Verfügung, ca. ein Viertel des tatsächlichen Bedarfs. Mit der NBS investiere man aber in einen Bereich, wo sich nichts bewege, und auch bei den internationalen Verpflichtungen zum Ausbau ist diese Strecke nicht dabei, obgleich das von der Bahn gern so dargestellt wird.

Den Abgeordneten des Bundestages lagen zu keiner Zeit genaue Zahlen zur Wirtschaftlichkeit der NBS vor, wäre dies der Fall gewesen, hätte es sicher keine Zustimmung gegeben. Einmalig ist, daß das Land Baden-Württemberg eine Zuzahlung für dieses Projekt leistet, das eindeutig Bundesaufgabe ist, und es steht zu vermuten, daß es sich damit einen vorgezogenen Baubeginn für eine nebensächliche Strecke erkauft hat.

Doppelte Kosten hätten sich schon vor Baubeginn ergeben, was eigentlich die Geschäftsgrundlage für den Bundestagsbeschluß hinfällig macht. Die Kostenprognose habe sich als zu optimistisch, also unrealistisch erwiesen, zumal noch für vier von sechs Streckenabschnitten das Planfestellungsverfahren ausstehe. Die wirklichen Kosten wären erst danach kalkulierbar.

Flügel-TV und Phoenix übertragen live, Bei Abriß Aufstand protokolliert die Schlichtung mit.

Eine analytische Auswertung der bisherigen Schlichtungsgespräche seitens der Projektkritiker ist hier zu finden. Eine Presseerklärung von Werner Wölfle zu den BAST-Unterlagen an dieser Stelle.






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Geschrieben von

jayne

beobachterin des (medien-) alltags

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