Bevölkerungsschwund Fachkräftemangel - xster Aufguß einer Debatte

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"Die deutsche Bevölkerung schrumpft und vergreist" heißt es gleich zu Anfang des Ankündigungstextes zu einem MDR-Figaro Spezial unter dem Titel "Ausländer rein?!", das heute Abend von 18.00 Uhr an über den Sender gehen soll.

Mich erinnert das fatal an Aussagen, wie sie Sarrazin in seinem jüngsten Werk getroffen hat, und mir will scheinen, als würden sie zum Teil auch im vorliegendem Text kolportiert. Zudem ist der Beitrag nicht ohne den Hintergrund des seit 2007 verstärkt von neoliberalen Vordenkern geführten Diskurses um den sogen. Demographischen Wandel zu lesen. Damals wurde eine düstere Inszenierung namens "Aufstand der Alten" im ZDF gezeigt, und erinnert sei auch an die erst vor kurzem von der selben Anstalt ausgestrahlte Doku-Fiction "Aufstand der Jungen", die der vorgenannten in der Tendenz kaum nachsteht.

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Beiden Doku-Fictions ist eigen, daß sie in ihren Szenarien vom Status quo ausgehen und darauf verzichten, Hintergründe und Zusammenhänge der Entwicklungen deutlich zu machen. Da wird z.B. der Zusammenbruch der sozialen Sicherungssysteme beschworen und betont, daß nur zusätzliche Einzahlungen in kapitalgedeckte Zusatz-Versicherungen etwas bringen würden - Ausgeblendet wird, daß der Zusammenbruch der öffentlichen Kassen von der Lobby der privaten Versicherungsanbieter schon seit längerem betrieben wird, die mit der Einführung der Riesterrente, die weit höhere Verwaltungskosten zeitigt als jegliches Umlageverfahren, einen ersten Erfolg verbuchen konnte.

Beide Szenarien und auch der von der Figaro-Redaktion gepostete Text beklagen den Bevölkerungsschwund und die Tatsache, daß immer weniger Arbeitnehmer für eine steigende Anzahl von Rentnern werden aufkommen müssen - sie lassen außer Acht, daß die Arbeitsproduktivität im steten Anstieg begriffen ist und so die benötigten Mittel der Gesellschaft zur Verfügung stehen könnten, wenn entsprechend auch die Löhne stiegen.

Doch das von Wirtschaftsminister Brüderle hochgelobte Jobwunder zeichnet sich eben gerade nicht dadurch aus, daß jede Menge gut bezahlter Arbeitsplätze entstanden wäre - das Gros davon befindet sich im Bereich prekärer Beschäftigung sowie Leih- und Zeitarbeit. Und die Möglichkeit, daß alle in eine Rentenkasse einzahlen, wird gar nicht erst erwogen.

Zum Andern gab es auch in der Vergangenheit Schwankungen bei der Geburtenzahl, hier geht man indes davon aus, daß alles so bliebe wie im Augenblick resp. die Geburtenzahl im Laufe der Jahre weiterhin rückgängig wäre - doch das ist nur eine ungesicherte und nicht überprüfbare Annahme ...

Die Wirtschaft beklagt einen Fachkräftemangel, den sie zum Teil selbst zu verantworten hat - in den letzten Jahrzehnten haben die größeren Konzerne z.B. viel zu wenig in die betriebliche Ausbildung von Nachwuchskräften und Weiterbildung investiert, in den 90ern zudem jede Menge älterer und erfahrener Mitarbeiter "freigesetzt". Und auch heuer noch befinden sich unter den Arbeitslosen Fachkräfte, denen mit wenig Aufwand der Anschluß an den derzeitigen Entwicklungsstand ermöglicht werden könnte. Es ist völlig abstrus, für den Fachkräftemangel den demographischen Wandel verantwortlich zu machen ...

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

jayne

beobachterin des (medien-) alltags

jayne

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