Das Spiel ist aus

Fernsehkritik Die Selbstreferentialität der Medien hat so durchgeschlagen, daß die Kommissare zunehmend sich selbst inszenieren müssen, wie in der neuen Krimiserie "Top of the Lake".

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Die im Vorhinein fleißig beworbene sechsteilige Krimiserie "Top of the Lake", eine Koproduktion aus den USA, Großbritannien und Australien, von der die drei ersten Folgen gestern auf arte zu sehen waren, hinterließ eher gemischte Gefühle. Den Fixpunkt der Geschichte bildet das Geschick eines schwangeren zwölfjährigen Mädchens, das vermutlich Opfer einer Vergewaltigung geworden ist, an der mehrere Männer beteiligt waren.

Aber es ist nicht das Thema, das für gemischte Gefühle sorgt, sondern, wie so oft, der Plot, der so beschaffen ist, daß die Zufälligkeiten und Koinzidenzen in der Geschichte und beim Personal letztlich konstruiert wirken. Wir kennen das von Tatort und anderen einheimischen Serien, wo der Täter z.B. zufällig mit einer der Ermittlerinnen oder Ermittler verwandt oder anderweitig in Beziehung steht. In "Top of the Lake" will die australische Kriminalistin eigentlich nur ihrer Mutter einen Besuch abstatten, die in Neuseeland lebt, wo auch sie ihre Kindheit verbracht und noch ihr Mann zuhause, von dem sie sich getrennt hat und der ebenfalls Polizist ist. Justament von diesem erhält sie einen Anruf - man hat ein Mädchen aufgegriffen, das im Begriff, Suizid zu verüben, ins Wasser zu gehen, und nun bekäme man keine Silbe aus ihr heraus ...

Ich weiß nicht, wie das mit der Amtshilfe zwischen Neuseeland und Australien geregelt ist, die Beamtin eilt jedenfalls sofort auf die Dienststelle, bringt das Kind zum Reden, engagiert sich über die Maßen, wie niemand anderes auf dieser Polizeistation. Und kurze Zeit später schon offenbart sie uns ihr eigenes Trauma, das sie als Sechzehnjährige erlitten, wie dieses Kind mißbraucht von mehreren Männern ... Ohne so etwas scheint es nicht mehr zu gehen, heutzutage muß man anscheinend als Ermittlerin oder Ermittler schon ein gehöriges Maß Selbstbetroffenheit aufweisen, ein ähnlich gelagertes Trauma durchlebt haben wie das Opfer, um genügend Empathie und Unrechtsbewußtsein aufzubringen, die Aufklärung des Falles auch ordentlich voranzutreiben.

Da werden dann mittels Tranchiermesser die Traumata und internen Verwicklungen des jeweiligen Ermittlerduos freigelegt - Täter- oder Opferpsychologie war einmal. Das mißbrauchte Mädchen in "Top of the Lake" läßt man gleich im zweiten Akt verschwinden - tiefer in dessen seelischen Befund zu schauen, könnte ja peinigend wirken. Vorbei die Zeit der Kriminalisten mit weißer Weste, die Selbstreferentialität der Medien, die sich, der gängigen Marktlogik gehorchend, als Bewerber präsentieren, hat so durchgeschlagen, daß auch die Kommissare zunehmend sich selbst inszenieren müssen. Dabei mag es ja durchaus erfrischend sein, daß sie nicht mehr ausschließlich als Leute daherkommen, an denen alles, was sie sehen und in Erfahrung bringen, spurlos abgleitet, sie gleichsam aus dem Nichts auftauchen, engelgleich, nur der Aufklärung verpflichtet, bar jeglichen Eigeninteresses ... Doch für Serien wie "Tatort" und jüngst auch eine Folge der Reihe "Unter Verdacht" scheint diese Selbstreferentialität symptomatisch.

Dieses ganze erzählerische Kino mit Gestalten wie Kommissar Maigret oder den düsteren Thrillern eines Edgar Wallace scheint vorbei. Der Zeitgeist bevorzugt Endlos-Serien oder eher -Schleifen, die oft Längen aufweisen wie das Leben selbst ...

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

jayne

beobachterin des (medien-) alltags

jayne

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