Eine Idee, deren Zeit gekommen ist

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Nicht erst vor dem Hintergrund einer mehr oder weniger repressiv gehandhabten Gewährung von Arbeitslosenhilfe (AlgII), wie in Deutschland praktiziert, und des generellen Mangels an bezahlter Arbeit wird über Alternativen zur noch immer alternativlos erscheinenden Orientierung auf Lohnarbeit diskutiert.

Als eine dieser Alternativen erscheint die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE).

Zumeist verzichtet man in diesem Kontext wiederum darauf, erst einmal zu erkunden, inwieweit durch die Schaffung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors eine Vielzahl neuer Arbeitsplätze entstehen könnten, z.B. in den Bereichen Bildung, Pflege, Kultur, Kinder- und Jugendförderung, Umwelt, wo sie dringend erforderlich sind. Dazu müßte man allerdings definieren, was als gesellschaftlich notwendige Arbeit anzusehen ist. Dies kann aber nur in einem breit angelegten gesellschaftlichen Diskurs geklärt werden.

Daß die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommen insbesondere in strukturschwachen und von Armut geprägten Regionen in der sogen. Dritten Welt positive Wirkungen zeitigen kann, beweisen die Ergebnisse eines zweijährigen Modellversuchs in Namibia, der von einer aus Gewerkschaften, Kirchen und NGO gebildeten Initiative im Januar 2008 gestartet worden ist. Das Projekt wird auch derzeit noch über Spenden finanziert, denn die Regierung hat sich bisher nicht zu einer Übernahme durchringen können.

Dabei übertreffen die Erfolge alle Erwartungen. In dem für das Modellprojekt ausgewählten Dorf Otjivero konnte beispielsweise binnen des ersten halben Jahres die Unterernährung von 43 auf 17 Prozent gesenkt werden. Die Kinder schließen jetzt zu 90% erfolgreich die Schule ab – vorher war das nur wenigen möglich gewesen, weil die Eltern nicht das Schulgeld dafür hatten. Und selbst die eher symbolische Gebühr für eine Behandlung in der staatlichen Klinik war oft nicht aufzubringen gewesen.

Doch eines der bemerkenswertesten Effekte ist, daß sich viele der Dorfbewohner, bei denen es sich vorwiegend um entlassene Farmarbeiterinnen und -arbeiter handelt, mit den Mitteln ein kleines Gewerbe aufgebaut haben. Eine Frau hat z.B. begonnen, Brötchen und Brot zu backen, zunächst über dem offenen Feuer, doch nun im eigenen Herd, die Kunden kommen aus dem Dorf und können diese dank des Grundeinkommens auch bezahlen.

In Namibia, das in diesem Jahr den 20. Jahrestag seiner Unabhängigkeit feiert und das Land mit der größten Einkommensungleichheit in der Welt ist, beträgt die Arbeitslosigkeit über 50%. In der Vergangenheit hatte die Regierung verschiedene Versuche gestartet, die schlimmsten Auswüchse der Armut zu bekämpfen. Zunächst probierte man es mit Mikrokrediten und Arbeitsbeschaffung durch ausländische Investoren, hoffte, daß vom neoliberalen Wirtschaftsmodell auch die Armen profitieren könnten. Dies alles ist gescheitert ...

Die Regierung setzte daraufhin eine Expertenkommission ein, die tragfähigere Lösungen finden sollte. Die Kommission favorisierte die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens. Allein die Regierung mochte 2006 diesem Vorschlag noch nicht folgen, denn auch der IWF riet ab. Und das, obgleich bei einer flächendeckenden Einführung des BGE die Kosten nur ca. 5% des Staatshaushalts in Anspruch nehmen würden und diese z.B. über Steuererhöhungen für Besserverdienende um wenige Prozentpunkte und das Schließen diverser Steuerlücken erbracht werden könnten.

So fanden sich Vertreter von Gewerkschaften, Kirchen und verschiedenen NGO zusammen und verständigten sich auf einen Modellversuch. Sie erstatten der Regierung regelmäßig Bericht und laden Regierungsvertreter ein. Einer der Initiatoren, Herbert Jauch, der auch der Expertenkommission angehört hatte, war nun Ende März in Europa unterwegs, um die Öffentlichkeit über den Verlauf dieses Modellprojekts zu informieren, unter anderem machte er Station in Österreich, Deutschland, der Schweiz und in Liechtenstein. Ein exklusives Interview mit Herbert Jauch in Dresden findet sich auf Sachsens Linke.

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Geschrieben von

jayne

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