Eine Oberbürgermeisterin spaltet ihre Stadt - 13. Februar in Dresden

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Eines gleich vorweg: Erstmals ist es in Dresden gelungen, einen Naziaufmarsch zu unterbinden. Dies ist aber weder der Menschenkette der Oberbürgermeisterin zu verdanken, noch dem neuen Sächsischen Versammlungsgesetz. Es ist das Verdienst der Akteure des überparteilichen Bündnisses "Dresden Nazifrei" und all jener, die trotz aller Behinderungen im Vorfeld und auch noch am heutigen Tage dem Aufruf gefolgt sind. Die etwa 5.000 am Neustädter Bahnhof versammelten Nazis konnten aufgrund der "Sicherheitslage" den Bahnhofsvorplatz nicht verlassen. Rund um den Bahnhof hielten die Aktivisten und Sympathisanten des antifaschistischen Bündnisses als auch eine Vielzahl engagierter Bürgerinnen und Bürger über sieben Stunden lang bei Nässe und Kälte die entscheidenden Plätze und Straßen besetzt.

Vormittags waren zum Teil Leute behindert worden, die von Altstädter Seite aus zur Kundgebung auf dem Albertplatz (Neustadt) gelangen wollten, unter anderem auch Land- und Bundestagsabgeordnete, die bekanntlich Immunität genießen. Auf dem Albertplatz, der mit mehreren Tausend Teilnehmern den größten Blockadepunkt darstellte, sollte das Ganze durchweg friedlich verlaufen. Massive Unterstützung fand das Bündnis durch Gewerkschafter, Grüne und Linke, die aus dem ganzen Bundesgebiet angereist waren - ohne sie wäre es wahrlich eng geworden in Dresden. Und auch Prominente machten sich für das Anliegen stark , unter anderem trat z.B. Konstantin Wecker auf ... Selbst aus Tschechien und Polen waren Aktivisten angereist.

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+++Konstantin Wecker auf dem Albertplatz+++

Während sich die OBM und auch Vertreter der Sächsischen Staatsregierung einmal mehr mit Symbolpolitik begnügten, hielten die Leute, die dem Aufruf des Bündnisses gefolgt waren, ihren Kopf hin, um den Naziaufmarsch zu verhindern. Dabei mußte an mehreren Punkten jeden Augenblick mit einem harten Vorgehen seitens der Polizeikräfte gerechnet werden, etwa bei den Gleisblockaden (Bahnhof Mitte und vor Pieschen), die dazu beitrugen, daß eine Anzahl von Nazis den Ausgangspunkt des geplanten Aufzugs gar nicht erreichen konnten. Auf dem Albertplatz sollte indes die Polizei Zurückhaltung üben, die mehrfach wiederholte Durchsage der Polizei, daß es sich hierbei um eine nichtgenehmigte Kundgebung handele, hatte letztendlich keine Konsequenzen.

Auf die Frage des MDR-Korrespondenten am Abend vor der Frauenkirche, ob es nicht letztendlich den Blockierern in der Dresdner Neustadt zu verdanken sei, daß der Naziaufmarsch nicht stattfinden konnte, antwortete OBM Helma Orosz, dies könne sie zur Zeit noch nicht beurteilen, da fehlten ihr genauere Informationen, und zudem sei beispielsweise die Kundgebung auf dem Albertplatz ja nicht genehmigt gewesen, da müsse man erst einmal sehen ... Tatsache ist jedoch, daß dieser Aufmarsch nicht von der Menschenkette fernab auf Altstädter Seite, sondern von den Aktivisten in der Neustadt verhindert worden ist.

Die OBM hielt auch noch am Tage des Geschehens gelegentlich ihrer Ansprache auf dem Altmarkt die Dichotomie aufrecht, nach der das friedliche Gedenken und zivilgesellschaftlicher Protest allein auf Altstädter Seite zu finden seien, jenseits der Elbe indes Nazis und Radikale. Eine Lesart, die auch von den Medien in ihrer abendlichen Berichterstattung bereitwillig kolportiert wurde. Scheinbar haben Helma Orosz und Konsorten immer noch nicht begriffen, daß sie mit ihrer Ausgrenzungspolitik gegenüber einem breiten Spektrum antifaschistischer demokratischer Kräfte bisher eben nichts dafür getan haben, um zu verhindern, daß die Nazis das Gedenken vor Ort für ihre Zwecke instrumentalisieren.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

jayne

beobachterin des (medien-) alltags

jayne

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