Eigentlich hätte die Verleihung des Sächsischen Förderpreises für Demokratie, die seit drei Jahren alljährlich am 9. November von der Amadeu Antonio Stiftung in der Unterkirche der Dresdner Frauenkirche vorgenommen wird, auch in diesem Jahr zu einer Sternstunde gelebten und gewürdigten ehrenamtlichen Engagements werden können. Doch diesmal kam alles anders, und was bleibt, ist ein bitterer Beigeschmack ...
Die Amadeu Antonio Stiftung unterstützt lokale Initiativen und Projekte in den Bereichen Jugend und Schule, Opferschutz und Opferhilfe, alternative Jugendkultur und Kommunale Netzwerke, und dabei spielt auch das besondere zivilgesellschaftliche Engagement gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus eine wichtige Rolle. Ausdruck findet dies nicht zuletzt in der Verleihung des kurz Demokratie-Preis genannten Förderpreises.
In diesem Jahr befindet sich der Verein AKuBiz aus Pirna unter den zehn nominierten Initiativen und Projekten, ein Verein, der sich mit rechter Gewalt, Rassismus und Antisemitismus in der Geschichte und im Alltag der Region auseinandersetzt, Veranstaltungen und Ausstellungen zu diesen Themen organisiert.
Wie wichtig solches Engagement gerade in Pirna und der Sächsischen Schweiz ist, mögen zwei Beispiele aus diesem Jahr belegen: so hatten am Abend des 13. Februar NPD-Anhänger das Büro des Stadtverbandes der SPD in Pirna demoliert, wohl aus Frust über den verhinderten Naziaufmarsch in Dresden, und dann wurde noch der PKW eines Stadtrates der Linken in Brand gesetzt. Zudem verzeichnet die NPD in der Region bei Wahlen regelmäßig die höchsten Stimmenanteile in ganz Sachsen.
http://farm5.static.flickr.com/4070/5162357386_0678382576.jpg
Doch das AKuBiz sieht sich gezwungen, die Annahme des Förderpreises abzulehnen, obgleich der mit 10.000 Euro dotierte Preis neben der Würdigung des Engagements die Arbeit des Vereins für die nächsten zwei Jahre abgesichert hätte, wie der Vereinsvorsitzende Steffen Richter erklärt. Denn nachdem die Nominierung den Beteiligten bekanntgegeben worden war, wurde von den InitiatorInnen eine "Extremismusklausel" nachgereicht, die noch vor der Preisverleihung zu unterzeichnen wäre.
http://farm2.static.flickr.com/1065/5162354228_e19bccfe9d.jpg
Steffen Richter charakterisiert dieses Vorgehen als äußerst unfair, sämtliche nominierte Initiativen würden damit im Vorhinein unter einen Generalverdacht gestellt. Und damit nähmen die InitiatorInnen des Preises auch eine Ankündigung des Bundesfamilienministeriums vorweg, im nächsten Jahr die Fördermaßnahmen an die Unterzeichnung der sogen. Extremismusklausel zu binden. Die Klausel hat folgenden Wortlaut:
Hiermit bestätigen wir, dass wir
- uns zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen und
- eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit gewährleisten.
Als Nominierte bzw. Preisträger des Sächsischen Förderpreises für Demokratie haben wir zudem im Rahmen unserer Möglichkeiten (Literatur, Kontakte zu anderen Vereinen/Trägern sowie Behörden, Referenzen, die jährlichen Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder etc.) und auf eigene Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass die als Partner ausgewählten Organisationen, Referenten etc. sich ebenfalls den Zielen des Grundgesetzes verpflichten. Uns ist bewusst, dass keinesfalls der Anschein erweckt werden darf, dass eine Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird.
Die von Sächsischer Staatsregierung wie auch der Bundesfamilienministerin Schröder beförderte Extremismusformel wirkt sich nunmehr nicht nur, wie schon an anderer Stelle berichtet, auf die Gesetzgebung des Landes aus, erinnert sei in diesem Zusammenhang an das sächsische Versammlungs- und das Gedenkstättengesetz, sondern nimmt jetzt also auch Einfluß auf die Preisverleihungspraxis privater Institutionen.
Diese Erklärung zu unterschreiben würde bedeuten, so Steffen Richter, als Verein Aufgaben des Verfassungsschutzes wahrnehmen und unsere KooperationspartnerInnen ausleuchten zu müssen - das erinnere ihn sehr an Methoden der Stasi und sei der Demokratie nicht würdig.
Nach der Art der Extremismusdefinition, die im Freistaat gang und gäbe ist, würden selbst Kapitalismuskritik und die Programmatiken von SPD und Linken darunter fallen. Aber auch die über Jahre gepflegte Kooperation mit dem VVN/BdA (Verfolgte des Naziregimes/ Bund der Antifaschisten), mit dem das AKuBiz in der Vergangenheit immer wieder Veranstaltungen zur Geschichtsaufarbeitung organisiert hat, wäre so nicht mehr möglich, obgleich der VVN sogar Fördermittel von der Stadt Pirna erhält.
Mitglieder des Vereins sowie eine Anzahl Sympathisanten und Vertreterinnen anderer Initiativen versammelten sich eine halbe Stunde vor der Preisverleihung vor der Frauenkirche, um den geladenen Gästen als auch Medienvertretern die Gründe für die Ablehnung des Preises darzulegen und Informationsmaterial zu verteilen. Mehrere Initiativen und Verbände haben sich mit dem Verein bereits solidarisch erklärt, so z.B. das Kulturbüro Sachsen, die Opferberatung (RAA) und die Landtagsfraktionen von Grünen und Linken.
http://farm5.static.flickr.com/4148/5161750275_603524c3a7.jpg
In einer Presseerklärung der Grünen zu diesem Sachverhalt heißt es u.a.: "Diese Behörde [Verfassungsschutz] soll nach der Jury-Entscheidung zur Verleihung des Demokratiepreises diffuse Vorbehalte gegen Preisträger angedeutet haben und hat damit ein Klima der Verunsicherung geschaffen."
Die Fraktion der Partei Die Linke im Landtag hebt in ihrer Presseerklärung hervor:
"Wenn das AKuBiZ diesen ihm zugedachten Preis heute zurückweist, dann zeugt dies von der gleichen Zivilcourage und Konsequenz, die es bisher in seiner Arbeit gezeigt hat. Der Verein unterstreicht damit, dass er nicht käuflich ist und nicht bereit ist, sich Forderungen nach Selbstzensur und Diskriminierung seiner Partner zu beugen. Im Wissen um die aktuellen und künftigen Nachteile dieses Handelns trotzdem diesen Preis abzulehnen, macht das AKuBiZ erst recht zu einem würdigen Preisträger."
Kommentare 13
Liebe jayne,
wenn es nicht so traurig wäre,
müsste man lachen.... ;-(
Finster, finster, das Ganze. Wirklich.
Der Presseerklärung der Partei DIE LINKE. schließe ich mich an.
Die Tendenz rechtsextreme Gewalt, die in den vergangenen Jahren zu einer erheblichen Zahl von Todesopfern geführt hat ( bgrmagdeburg.wordpress.com/2010/03/04/149-tote-durch-rechte-gewalt/ ), zu "relativieren", indem sie mit linksextremer Gewalt, die sich überwiegend aus Sachbeschädigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt zusammensetzt, gleichgesetzt wird, ist nicht zu übersehen.
Auch Familienministerin Kristina Schröder (CDU) möchte die Haushaltsmittel für die Bekämpfung von Rechtsextremismus gern splitten (was einer Kürzung gleichkommt), um Linksextremismus zu bekämpfen.
Danke für den Bericht. Und ich sag es mal mit Magda: Finster.
Es ist nur konsequent von dem Verein, unter diesen Bedingungen den Preis abzulehnen, weil er die bisherige Arbeit so nicht mehr weiterführen könnte. Das BfV und LfV jetzt auf diese Weise versuchen, ihre Arbeit zu intensivieren und ihre Daseinsberechtigung zu legitimieren, wirft allerdings auf die Verfassungsschutzbehörden ein schlechtes Licht, könnten sie doch froh sein, dass solche Vereine sie mit ihrer Arbeit unterstützen.
danke für den bericht, liebe jayne. er wirft ein licht auf sachsen, das mich fragen lässt, was sachsen als südstaat und freistaat von bayern unterscheidet.
weiters meine frage an dich, du bist nah dran: warum ist sachsen so rechts? gibt es da eine so schöne tradition wie in bayern?
man verleugnet hier seit der wende eine eher linke tradition, die z.b. im industriegürtel beheimatet war, vor dem naziregime, und der rechtskonservatismus strahlte schon damals von der residenzstadt her aufs ganze land aus, leider; seit 1990 hat dieses land nur cdu-dominierte regierungen und landesparlamente erlebt, und die cdu verleugnet bspw. ihre vorwendegeschichte ...
@jayne
Alle Achtung vor der AKuBiZ! Das ist wirklich ein guter Vereinscharkakter! Beeindruckt hat mich auch der Hinweis auf die angeforderten Schnüffeleimethoden von denen die mit dem Hinweis von Steffen Richter auf ihre angebliche moralische Integrität die Stasi verurteilen.
Die dunkle Seite der angeblichen auch moralischen Wende, die in Deinem Blog verdienstvoll ausgeleuchtet worden ist.
Mögen dem moralischen Licht das die AKuBiZ mit der Ablehnung des Preises wider dem Schnüffelstaat und der Heuchelei gesetzt hat, viele andere Lichter folgen. Das Geld ist verführerisch, aber die AKuBiZ hat seinen Versuchungen als Kumpan in der damit einhergehenden erwünschten Schnüffelei widerstanden und damit etwas verteidigt, dass man für Geld nicht kaufen kann. Das verdient wirklich alle Achtung!
Herzliche Grüße
por
Neue Entwicklung:
Die demokratischen Oppositionsfraktionen im Sächsischen Landtag, die Fraktion DIE LINKE, SPD-Fraktion und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, laden Sie am
Montag, 13. Dezember 2010, 17.00 – 19.00 Uhr, Raum A 400,
Sächsischer Landtag, Bernhard-von-Lindenau-Platz 1, 01067 Dresden
zu einer gemeinsamen Podiumsdiskussion ein, auf der u.a. das Gutachten von Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis (Humboldt-Universität Berlin) zur „Extremismusklausel“ im „Bundesprogramm Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ vorgestellt und die Positionierung der Staatsregierung gegen zivilgesellschaftliche Projekte diskutiert werden.
Vorgesehener Ablauf:
17.00 Uhr Begrüßung
MdL Henning Homann, Sprecher für Kinder- und Jugendpolitik und Sprecher für demokratische Kultur der SPD-Fraktion
17.10 Uhr Vorstellung des Gutachtens zur Extremismusklausel
von Prof. Ulrich Battis (Humboldt-Universität) durch Vertreter/in des Kulturbüros Sachsen e.V.
17.40 Uhr Podiumsdiskussion
Moderation: MdL Miro Jennerjahn, Rechtsextremismusexperte und demokratiepolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
19.00 Uhr Schlusswort
MdL Kerstin Köditz, Sprecherin für antifaschistische Politik der Fraktion DIE LINKE
Herzlich willkommen!
Moment da ist ein Fehler in ihrem Beitrag, ich korrigiere:
„Die demokratischen Oppositionsfraktionen im Sächsischen Landtag, die SPD-Fraktion und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen laden Sie am…“
Sie haben versehentlich die Linke zu den demokratischen Parteien dazugezählt. Kann ja mal passieren, gut das es mir aufgefallen ist...
der fehler liegt wohl eher auf Ihrer seite ...
Ähmm nein? Wo soll bei mir der Fehler sein?
unser mandelbrötchen. verkehrsexperte und ddr-unrechts-experte und nun auch demokratietheoretiker. hut ab und tusch.