Überraschend die Nachricht, daß Heinz Czechowski verstorben ist, in Frankfurt/M., schon am 21. Oktober, zuletzt lebte er in einem Pflegeheim - wie einsam für einen, dem gerade vor der Einsamkeit graute. Für einen, der sich lebenslang eher im Abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit und diverser Autoren-Freundschaftsbünde wähnte oder verortet sah, als in deren Zentrum, obgleich er der sogenannten "Sächsischen Dichterschule" zugerechnet wurde, und dies nicht als deren geringstes Mitglied. Der eine Sensibilität für Mißklänge schon frühzeitig entwickelt hatte, für jedweden falschen Ton, auch im Miteinander, ein für alle Mal geprägt vom Geschick seiner Heimatstadt Dresden, deren Untergang er als zehnjähriges Kind (Jahrgang 1935) miterleben mußte, einer Stadt, die nicht wieder aufzuerstehen vermochte ... Verlustängste und Beziehungsverluste, Enttäuschungen, Mißtrauen, Unbehaustsein - das sind Begriffe, die sich in meiner Vorstellung in schmerzlicher Weise mit seiner Existenz verbinden. Und dies in Zusammenhang mit Begegnungen ebenso wie bei der Lektüre seiner Gedichte.
In den späten 70er Jahren sollte ich Heinz Czechowski auch persönlich kennen lernen, für ein paar Jahre übernahm er pro forma die Leitung der wilden und chaotischen Zusammenkünfte eines Kreises junger Leipziger Literaten im legendären Klubhaus "Steinstrasse 18". Er wirkte in diesem Kreise inspirierend und integrierend, setzte sich für jene ein, die in Schwierigkeiten geraten, gegen die z.B. Auftrittsverbote verhängt worden waren. Empfindsame Freundschaften pflegte er zu Dichterkollegen wie Adolf Endler, Elke Erb oder dem Dresdner Photographen Christian Borchert, Freundschaften, an denen auch ich teilhaben durfte.
Ich traf ihn noch zwei- oder dreimal nach 1990, einmal besuchte ich ihn, als er als Stadtschreiber in Bergen-Enkheim residierte, ein anderes Mal begegnete ich ihm in Dresden, mitten auf der Augustusbrücke. Da hatte sein bonmot von der "geklonten Kuh", der wiedererstehenden Frauenkirche, schon die Runde gemacht - er fühlte sich unbehaust, hier in dieser Stadt, die Anfang der 90er Jahre kein Interesse an einer Rückkehr des Dichters gezeigt hatte, und das mochte nicht nur mit der spartanischen Stadtschreiberunterkunft am Stadtrand zusammenhängen. Ob Bergen-Enkheim, Niedersachsen, Westfalen oder schließlich Frankfurt/M. - er sollte sich letztendlich an keinem dieser Orte heimisch fühlen, oder angekommen in dieser Republik, obgleich er das Ende der DDR aus dem Innersten heraus begrüßt hatte.
Seine letzten Gedichtbände und die Autobiographie "Pole der Erinnerung" sind im Düsseldorfer Grupello Verlag erschienen. Die Gedichte lassen noch einmal in intensiver Weise Heinz Czechowskis Hauptthemen aufscheinen, die Kindheit an der Elbe, die sich ins Private fortsetzenden politischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts, das Unbehaustsein des Individuums in einer Welt, die mehr auf Abstand als auf Nähe und Zuneigung setzt, und dies alles durchsetzt von einer Melancholie, die doch über sich selbst hinauszuweisen vermag, von einem Urverstehen kündet ...
Doch das letzte Wort soll Heinz Czechowski haben:
Heute
Heute bin ich versöhnt mit mir. Das hat lange gedau-
ert und wird nicht lange so bleiben. Ach, meine inne-
ren Wölfe, wie sie japsen und hecheln, sie spüren den
nahenden Winter und richten sich ein auf die lange
dauernde endlose Jagd.
Ich lese Sarahs neue Gedichte, das tut mir gut: diese
Welt, die sie sah, Treffpunkte, als wäre auch ich dort
gewesen.
Hier ist alles beim alten geblieben: Weihnachtssterne
auch in dieser Stadt, in der ich bin und nie sein
werde, kein See, auf dem ich gleite, und fern von hier
mein zerfallendes Haus.
Hier fang ich täglich von vorn an den Streit mit dem
weißen Papier, den Ersatzteilverteilern, dem gewaltig
sich blähenden Nichts.
[aus: Kein näheres Zeichen. Halle/Leipzig: Mitteldeutscher Verlag, 1987]
Kommentare 11
Ich hoffe mal, einer der Freitag-Autoren sitzt an einem Nachruf für die Printausgabe von morgen bzw. hat ihn rechtzeitig fertig gehabt. Wie auch immer, Dank dafür, dass Du schneller warst!
Liebe Jayne,
vielen Dank! Ich hatte es noch gar nicht mitbekommen, habe allerdings auch das Haus noch nicht verlassen,um eine Tagespresse zu erwerben. Gleich werde ich etwas heraussuchen aus den Regalen, "Ich, beispielsweise" muss hier irgendwo sein. Und "Der Garten meines Vaters". Ja, er war wohl "von allen Wundern geheilt". Wie bitter das klingt. Und wie weise.
Vielen Dank. Ich bin da nicht so bewandert und kannte Heinz Czechowski gar nicht, aber Dein Blog und das Gedicht haben mir sehr gut gefallen. Danke für diesen Teil aus Deiner lyrischen Erfahrungswelt
und das an Du den , der gegangen ist, erinnert hast.
vielen Dank für den nachdenklichen Nachruf.... das alte Dresden liegt wahrscheinlich neben dem sagenhaften Atlantis, unerreichbar für den Zeitgeist (die "geklonte Kuh" ist ja herrlich!)
vielen Dank für diesen Artikel jayne.
Von mir auch vielen Dank.
Ich glaube diese Posts sind was mir hier im FC gefällt und woanders nicht erscheinen! (in Hamburg aufgewachsen und seit 1985 nur gelegentlich in Deutschland) Es ist wichtig das hier Menschen ein würdiger Nachruf zuteil wird, der in anderen Medien gar nicht erscheint! Das stimuliert zu weiterer Recherche. Also besten Dank!
dank an alle für die kommentare, und bis dato ist im redaktionellen freitag-teil tatsächlich noch kein nachruf auf diesen dichter erschienen, während die tagespresse weitgehend auf die nachricht reagiert hat ...
Was vielleicht nötig ist, in den nachrufen habe ich es jedenfalls vermißt (und auch in meinem kurzen text kam das nicht zur sprache), in all den darstellungen czechowskis als in der zurückgezogenheit lebenden einzelgänger: er hat sich zu zeiten (d.h. ddr-) für dichterkolleginnen und -kollegen eingesetzt, auch für jüngere wie mich, die in schwierigkeiten geraten, deren auftritte beispielsweise verboten wurden ... und bei aller selbstbezogenheit, die ihm zu attestieren war, hat er doch integrativ gewirkt und agiert ...
wie ich heute morgen sehen konnte, gibt es leider keinen nachruf in der aktuellen printausgabe des freitag.
blogbeitrag eben ergänzt!
Mit viel Verspätung ein großes Kompliment für deine Erinnerung an einen großen Autor und beeindruckenden Menschen. Danke.