Leerstellen-Tango

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Bin über eine Leerstelle gestolpert, gestern abend, als es dunkelte, und Leerstellen entwickeln bekanntlich zentrifugale Kräfte, weshalb ich kaum Schlaf finden konnte, dagegen sind die Wirkkräfte des neuen CERN-Reaktors nichts ...

Leerstellen erscheinen doppeldeutig, sie signalisieren Fehlbedarf, das Nichts, den Mangel, die Fehlbesetzung, das Unbewußte, Unbekannte, Fehlgeschlagene - und schon ist man "aus dem Schneider" - doch so einfach geht das nicht.

An der Leerstelle wird man los, was sich als ungeeignet, unbrauchbar erwiesen, dessen man überdrüssig (ja, die Drüsenfunktion: ausscheiden) - die Leerstelle machts offenkundig, sie ist nicht besetzt.

Was folgern daraus unsere Berufspolitiker: Leerstellen sind zu besetzen, auszuweisen, zu markieren, zu benennen, zu skandalisieren, zu untersuchen, auf die Probe zu stellen, zu leugnen, zu beseitigen, zu übersehen. Denn Leerstellen verhalten sich kostenneutral, beleben die Konjunktur, sind gut fürs Geschäft, tun Keinem weh, stehen nicht im Wege, fallen nicht ins Gewicht, lassen uns kalt, bleiben sauber, machen was her, haben es in sich, platzen wie eine Seifenblase ...

Deshalb: gib ihnen Saures, mach sie fertig, lehr ihnen Mores, mach sie alle, scheiß' drauf (pardon), man darf sie nicht überinterpretieren ... Oder, ins Positive gewendet: Erkläre die Leerstellen zur Chefsache, überdenke dein Verhältnis zu ihnen, suche das Gespräch, lade sie ein, baggere sie an (aaber nich alle!), sei ihnen ein guter Hirte, durchleuchte sie, laß sie bei kleiner Flamme Köcheln, vervielfältige und beschreibe sie, laß' sie nicht aus den Augen, geh in ihnen auf ...

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Geschrieben von

jayne

beobachterin des (medien-) alltags

jayne

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