Von Zeit zu Zeit wird seitens der Handelsketten, sekundiert von einer Riege wirtschaftsliberaler Politiker, ein neuer Versuch gestartet, die Ladenöffnungszeiten noch einmal auszuweiten. Vor drei Jahren erst wurden sie weitgehend liberalisiert, und nun testen beispielsweise die Handelsketten EDEKA und REWE an verschiedenen Standorten die Öffnung bis Mitternacht. Märkte, die ohnehin die Profiteure dieser Liberalisierung sind, denn all die kleineren Läden vermögen solch einen Aufwand schon personell nicht zu treiben.
Aber auch in den Supermärkten dürften jetzt vor allem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefragt sein, die bereits mit dem Legehennen-Gen ausgestattet worden sind und für die also klar ist, was ihr Lebenszweck und wo ihr Lebensmittelpunkt angesiedelt ist in dieser Konsumgesellschaft. Stets bereit, an der Kasse einzuspringen, oder beim Auffüllen, auf Abruf, für diesen schlecht bezahlten Job. Und so man Glück hat und weder Leiharbeiter noch Minijobber ist, werden sogar Spätzuschläge gezahlt. Für die Christlichen und auch die Freiheitlichen Demokraten geht dieses Vorgehen offenbar gut mit dem von ihnen gleichermaßen gepflegten wie gepredigten Familienbild zusammen. Wir wollen die Familien stärken, heißt es sinngemäß im Koalitionspapier, und dazu gehört auch die Eigenverantwortung. Die Kinder können sich also auf etwas freuen, das wir früher "sturmfreie Bude" nannten und sich damals eher harmlos anließ ...
In Dresden wurde auf Initiative der Linken gemeinsam mit SPD und Grünen jüngst ein Vorstoß der Oberbürgermeisterin (CDU) gekippt, die den Läden die Öffnung an allen vier Adventsonntagen genehmigen wollte, eindeutig zu Lasten der Beschäftigten. Die Stadtratsfraktion Die Linke schrieb dazu: "Die Belastungen für die Verkäuferinnen und Verkäufer sowie deren Familien sind bereits jetzt enorm. Mit einer Sieben-Tage-Arbeitswoche bleibt gerade zur Adventszeit faktisch kein Raum mehr für ein vernünftiges Familienleben." Handelsketten wie REWE oder EDEKA wird dies indes nicht davon abhalten, an ihren Versuchen der restlosen Liberalisierung festzuhalten.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine Unterschriftenaktion der Gewerkschaft NGG, die sich gegen unfaire Einkaufspraktiken der Handelsketten richtet, darin heißt es u.a.: "die Schlacht um Marktanteile wird auf der Einkaufsseite geschlagen. Lieferanten werden im Preis gedrückt. Vielfach werden unfaire Einkaufspraktiken eingesetzt. Die Leidtragenden der preisaggressiven Einkaufspolitik der Supermarktketten sind Arbeiter/innen in der Produktion hierzulande sowie in Entwicklungsländern und Beschäftigte im Verkauf. Hungerlöhne, miserable Arbeitsbedingungen, Überstunden und zunehmend unsichere Arbeitsverhältnisse sind die Folge. Grundlegende Arbeits- und Menschenrechte werden missachtet. Berechtigte Forderungen der Arbeiter/innen im Einzelhandel und in den Produktionsländern nach menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und Existenz sichernden Löhnen werden abgewiegelt. Supermarktketten, die beim Einkauf und in ihren Filialen, Arbeits- und Menschenrechte missachten, handeln sozial unverantwortlich!"
Kommentare 23
ich liebe es um 21:00 uhr nach der arbeit einkaufen zu gehen und hier haben auch alle supermärkte bis 22:00 uhr offen. die fußgängerzone hingegen nicht, aber die steht da auch nicht in konkurrenz.
mfg
mh
was muß der mensch, hierzulande, eigentlich kurz vor mitternacht noch in nem lebensmittelladen einkaufen? ne tüte mehl? dafür geht mensch mit ner leeren tasse zu nachbars.
Hallo jayne,
es ist ein typisches Figur-Grund Problem.
Bisher war die Arbeitszeit in 24/7 Lebenszeit eingebettet. In Zukunft ist die Lebenszeit in 24/7 Arbeitszeit eingebettet.
http://lh3.ggpht.com/_MihB35OY-tg/SwWVbBl9i5I/AAAAAAAAAf0/fHaZ2uv5rW0/s400/figur_grund.jpg
MH120480, Du meinst also schreiben zu sollen: „ich liebe es um 21:00 uhr nach der arbeit einkaufen zu gehen und hier haben auch alle supermärkte bis 22:00 uhr offen.“
Schön!
Und wie wird Dich erst die Frau an der Kasse lieben, die mit ihrem Stundenlohn von sieben und einem halben Euro Deine Waren übers Band zieht und deshalb ihr Kind nicht ins Bett bringen kann.
wann hätte diese frau denn ein kind machen sollen? nicht zu fragen: wo und mit wem?!
@achtermann: das ist doch alles ne frage dessen wie man es strukturiert.
hier wird halt wieder das ding an sich in frage gestellt, statt dass man es gescheit umbaut.
und die märkte sind hier bis 22:00 voll, da besteht ne nachfrage. warum sollte man es denn verbieten diese zu bedienen?
über tankstellen hör ich euch nie jammern, da sind die zustände viel schlimmer.
mfg
mh
Muss es denn unbedingt eine Frau an der Kasse sein, tut's nicht auch ein Mann/Schüler/Student (von mir aus auch weiblich)...
Es könnt schlimmer sein: Sie könnten alle in einer Kneipe arbeiten bis spät in die Nacht, oder Nachtschicht im Krankenhaus schieben, oder früh morgens Zeitung austragen, oderoderoder...
(Niemand muss immerzu arbeiten, aber jeder kann und soll dürfen, immer und überall. Außer sonntags und bei Familie nicht vor zehn oder nach fünf, und nur fünf Minuten maximal von zu Hause, bestbezahlt und dafür von allen geliebt...)
Ich finde, 8-22h reicht für's Projekt offener Supermarkt, ansonsten gibt's Tanken oder Kioske. Und wenn länger, dann soll doch bitte der/die MarktleiterIn selbst an der Kasse sitzen...
frauen werden in supermärkten eh diskriminiert. die stellen bspw. keine gut aussehenden mehr ein, seit es diese studie gab, dass frauen dann weniger einkaufen.
das sind viel ernstere probleme als die arbeitszeit, die man ein-, ver- und unterteilen kann.
in meinem famila, so heisst dat dicke ding hier, stehen übrigens recht viele kerle rum .. die sind zu dämlich zum kassieren, ich will die frauen wieder haben. ^^
mfg
mh
Das mit dem Kassieren hab' ich auch schon festgestellt, aber Männer schreiben darüber wenigstens keine Bücher...
was werther wohl dazu sagen würde?
das ende muss wohl anders sein, sonst hätte sie kaum das buch schreiben können.
"Dieses Buch hat mich verändert
Ich wurde an der Kasse noch höflicher, aufmerksamer und persönlicher seit ich dieses Buch gelesen habe."
na dann is ja alles gut.
mfg
mh
ja ja, ich kenne das auch, von woanders her ... da hat so nen makolet auch bis mitternacht geöffnet, weil's ja sein könnte, dass noch wer ne dose houmus braucht. aber die machen auch zu von sagen wir 12-16/15 h. weil auch klar ist: wer bis zwölf seine dose houmus nicht hat, der muß halt was anderes essen. irgendwas findet sich immer und statt toilettenpapier kann es auch mal die zeitung sein.
In meiner Nähe existiert so ein edeka-Experiment, geöffnet von Montag, 7 Uhr, bis Samstag, 22 Uhr, durchgegend! Einmal war ich nach 20 Uhr drin. Habe meinen Laden nicht wiedererkannt. Alle Frischware, auch die vor Ort abgepackte, weggeräumt, kein Obst, kein Gemüse, Bäckerstand geschlossen, komplett anderes Personal, private Security-Typen vor der Schnapsvitrine. Unser Thilo S. würde einen Herzinfarkt kriegen. Oder hat der sich das ausgedacht zur Beförderung der ungesunden Lebensweise der Prekarier?
"Und wie wird Dich erst die Frau an der Kasse lieben, die mit ihrem Stundenlohn von sieben und einem halben Euro Deine Waren übers Band zieht und deshalb ihr Kind nicht ins Bett bringen kann."
Also: Alle Achtermänner an die Kasse! Dann gibt's da keine armen Frauen mehr.
Überhaupt: es sollten nur noch Männer in Geschäften arbeiten. Bedienen lernen als Gesellschaftsprojekt.
dieses völlig andere personal deshalb, weil an diese leihkräfte und minijobber kein spätzuschlag gezahlt werden muß, worauf die stammbelegschaft ein anspruch hätte - auf diese weise können die handelsketten ihr konzept realisieren, ohne immense mehrkosten.
in den von dir kritisierten großen seh ich da aber die gleichen.
für die kleineren märkte kann ich es hingegen bestätigen.
mfg
mh
Liebe jayne,
du hast da wirklich die wunde Stellen des systems zutreffend und berechtigt negativ kritisiert. Das ist echt so, wie Du das schreibst. "Legehennen an der Kasse" trifft es einfach! Teilweise gibt es jetzt schon Läden, wo automatische Kassen an denen die Kunden selbst kassieren können und Leiharbeiter in einem Supermarkt eingesetzt werden. Da weiß der Mitarbeiterstamm der Kassenfrauen sich vor Konkurrenz gar nicht mehr zu retten. Das Schlimme ist, dass das die "Legehennen" sind, die jeder sehen kann und trotzdem kaum etwas dagegen getan wird. In einer wirklichs solidarischen Gesellschaft, sehe das irgendwie anders aus. Sicher kann es bequem sein, nach 21:00h einkaufen zu gehen . Ich habe das auch schon gemacht,aber trotzdem ist es nicht richtig, wenn man weiss, dass es auf Kosten der Beschäftigten geht. Das ist so ein Stück Neoliberalismus der sich zugunsten der Bequemlichkeit wahrscheinlich auch schon in vielen noch von überwiegend linkem Denken geprägten Köpfen breit gemacht hat. Du hast einfach recht. Gerade in dem von Dir beschreibenen Bereich in dem Frauen vorwiegend unterdrückt werden, ist Wachsamkeit, Engagement und Solidarität besonders stark notwendig und angezeigt!
Hier im Ruhrgebiet fahren von diesen Kassiererinnen manche nach einer vollen Schicht noch jeden Tag 50-60 km mit dem Auto zur Arbeit. So schwer kann es werden , dass Frauen sich ihren Lebensunterhalt sichern. Zudem kommt noch dass in Jahren der schlimmsten Arbeitslosigkeit oft viele Frauen wieder von der Kasse vertrieben worden und dass Männer ihren Job gemacht haben, damit diese ihren Arbeitsplatz behalten können.
Mit solidarischen Grüßen
poor on ruhr
lieber Streifzug, früher hatte ich mir einen stufenlosen übergang zwischen arbeit und freizeit ausgemalt, die aufhebung der grenze dazwischen, weil alles letztendlich lebenszeit ist und mich am alltagsbewußtsein gestört hatte, die arbeitszeit nicht als solche anzusehen; doch nun erlebe ich, daß das in vielen fällen nur um den preis der selbstausbeutung (neben der fremd-) möglich ist, unter heutigen bedingungen, die durch die durchökonomisierung aller lebensbereiche gekennzeichnet sind.
Das einfachste fällt einem immer zuletzt ein. Ich warte schon lange darauf, dass meine Nachbarin mal klingelt. Ja, ich weiß, ich könnte ja auch bei ihr, aber ich brauche ja nie Mehl, ich bin backunfähig. Geht das auch mit, sagen wir, Zwiebeln?
Danke für Deine Polemik. Mir geht es nicht darum, ob Achtermänner oder Achterfrauen spät abends um 22.00 Uhr noch an der Kasse sitzen. Mir geht es vielmehr um den Punkt, auf den jayne in ihrem Beitrag aufmerksam machte und dazu die Linke zitierte: "Die Belastungen für die Verkäuferinnen und Verkäufer sowie deren Familien sind bereits jetzt enorm. Mit einer Sieben-Tage-Arbeitswoche bleibt gerade zur Adventszeit faktisch kein Raum mehr für ein vernünftiges Familienleben."
Liebe Jayne,
da ich meist zwischen 10 und 20 Uhr (oder länger) arbeite, bin ich einerseits froh, dass mein Konsum jetzt is 22 Uhr offen hat. (Nein, vor der Arbeit schaffe ich das keinesfalls) Andererseits kann ich am Bahnhof vorbei fahren, es muss also nicht der Konsum sein. Wenn Kassiererin oder Kassierer nicht täglich, sondern immer mal den Spätdienst haben, wenn wir alle die Arbeiszeit verringern und die Arbeit auf mehr verteilen könnten, wäre der Freizeitgewinn durch Service-Zuwachs noch zu steigern. Naiv und illusorisch, ich weiß. Ich war gestern bei einer Wallraff-Lesung und habe wenig Hoffnung.
Herzlich
kk
@ Jayne
An den Öffnungszeiten der Discounter können wir alle erkennen, wie billig Arbeitskräfte geworden sind.
Auch ein bemerkenswerter Trend ist, dass einige Discounter sich nicht mehr an den Spenden für "Die Tafel" beteidigen. Das kann auch eine Folge der Wirtschaftskrise sein. Diese Geschäftsleute sagen sich: "Jeder verschenkter Artikel ist ein verlorener Kunde!"
Kommentar hier:
www.freitag.de/community/blogs/g-westerby/nachteinkauf
GW
Du hättest doch besser erst lesen und dann antworten sollen, aber irgendwie überrascht mich das nicht.
Ergänzung (meines Artikels-siehe Link) 24.11.09 07:07 Uhr
Pflichtschuldrigst machte ich Jayne mit diesem Gästebucheintrag und extra noch mit einer internen Nachricht auf meinen vorstehenden Beitrag aufmerksam:
"G.Westerby schrieb am 23.11.2009 um 10:56
Kommentar hier:
www.freitag.de/community/blogs/g-westerby/nachteinkauf
GW"
Ihre Anwort bestand aus einer FREITAG-internen Nachricht mit dem Text:
23.11.2009 11:31 jayne:
„geht das denn wirklich nicht aus dem text hervor? ich denke dabei an "zuchtwahl", die legehenne ist vom menschen nur zu diesem zweck gezüchtet worden, damit sie in "legebatterien" dann richtig loslegen kann. Vielleicht brauchts da auch die verkäuferin mit entsprechender genetischer ausstattung?“
Offensichtlich hat sie sich noch nicht mal die Mühe gemacht, den Text zu lesen, auf den sie antwortet. Was jetzt nicht wirklich überrascht. Was nicht in’s eigene Ideologie-Bild passt, wird passend gemacht, ignoriert oder „zerschmettert“(=http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=2098822).
GW