Mach einen Spruch, und dann gehts weiter ...

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Heute treffen sich im Stuttgarter Rathaus zum letzten Mal die Konfliktparteien der Schlichtungsrunde zu S21. Zunächst werden Plädoyers zur Sache von beiden Seiten erwartet, ehe Heiner Geißler nach kurzer Beratung mit Vertretern der Konfliktparteien seinen Schiedsspruch verkünden wird.

Doch es ist kein Schiedsspruch in klassischem Sinne zu erwarten, denn es ist nicht gelungen, die Positionen beider Seiten anzunähern. So dürften es wohl eher Empfehlungen sein, die Geißler insbesondere den Projektbetreibern auf den Weg geben wird.

Im Vorhinein haben sowohl die Bahn als auch die CDU-Fraktion im Landtag klar gemacht, daß es keinen Baustopp geben wird. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Hauk ließ verlauten, ein Ausstieg aus dem Projekt sei schlichtweg nicht mehr möglich, es gäbe jede Menge Verbindlichkeiten zwischen Land, Bund, Stadt und Bahn, die schon eingegangen seien, dazu verschiedene bereits vergebene Bauaufträge ...

Auch werden von der Befürworter-Seite die Ausstiegskosten mit 1,4 Mrd. Euro veranschlagt, was die Kritiker-Seite so nicht nachzuvollziehen vermag. Den größten Teil dieser Kosten würde der Grundstücksverkauf ausmachen, und die fielen ja nun nicht zu Lasten der Bahngesellschaft.

Peter Conradi mahnte noch einmal an, vor Großprojekten frühzeitig mit der Bevölkerung zu diskutieren, und zwar über die Ziele, und erst danach das Projekt zu konkretisieren. In Stuttgart ist das genau andersherum erfolgt, man sei gleich mit einem Projekt an die Öffentlichkeit gegangen, und die Folgen seien die bekannten ...

Heute sind u.a. Bahnchef Grube und Ministerpräsident Mappus anwesend. Volker Kefer hält das erste Plädoyer, er verspricht mehr Transparenz bei künftigen Großprojekten und dankt den Projektkritikern, die hier erst diese Transparenz ermöglicht hätten.

Thomas Bopp (CDU) und OBM Schuster heben vor allem auf den Aspekt Innenentwicklung der Stadt ab, der durch den Ankauf der Bahnflächen ermöglicht würde. Die erworbenen Flächen sollen laut Schuster an die extra dafür geschaffene gemeinnützige Rosenstein-Stiftung übergehen, um Immobilienspekulationen vorzubeugen. Dem Gemeinderat obläge dann die Entscheidungshoheit, daß die Grundstücke unter Beteiligung der Bürger wirklich für eine nachhaltige Stadtentwicklung genutzt werden.

Pfarrer Bräuchle spricht von Dialog, weniger hohen Bauzäunen und vervollständigt das Bild von Parks bis zum Neckar und wieder verbundenen Stadtteilen, die vor hundert Jahren durch die Gleisanlagen getrennt worden sind (also auch in Stuttgart so etwas wie eine Mauer ...). Bopp sprach in Bezug auf dieses Projekt der Innenentwicklung gar von einer historischen Leistung im Städtebau ...

Ministerin Tanja Gönner versichert noch einmal, daß man hinsichtlich Mineralquellen und Geologie sehr wohl mit Gürtel und Hosenträger arbeite. Landeschef Mappus verspricht, die Bürger künftig besser mitzunehmen, das sei eine der Hausaufgaben, die sich aus der Schlichtung ergibt. Man müsse sich von den veralteten Gleisen im Lande verabschieden, Wachstum brauche Wege, und deshalb wäre die Neubaustrecke so wichtig.

Mappus greift tief in die Geschichtskiste und verspricht, was da auf dem neuen Areal entstehe, könnte so etwas wie eine zweite Weißenhofsiedlung darstellen, noch nie sei die Chance für die Gestaltung so groß gewesen und vergleicht das mit dem Fall der Mauer ...

Werner Wölfle (B90/Grüne) spricht davon, daß man mit S21 einem Phantom aufgesessen sei, man blicke immer nur auf Geschwindigkeit und lasse sich davon verführen. S21 sei kein Zukunftprojekt, sondern ein Nadelöhr, eine Art Durchrutschprojekt. Die Schlichtung habe deutlich gemacht, daß das Projekt eher ein Rückbau, vielleicht denke man ja schon an ein Gleis 9 3/4 wie bei Harry Potter. Die Bürger sollten schon über dieses Projekt mitentscheiden können, forderte Wölfle in Richtung Geißler.

Brigitte Dahlbender umreißt noch einmal die Folgen des Projekts für das Stadtklima und Lebensgefühl der Einwohner (Schloßgartenabholzung, Bauflächen, fehlende Abkühlung der Innenstadt). Das Projekt werbe zwar mit dem Slogan, ein ökologisches Projekt zu sein, doch leistet es kaum einen Beitrag zur Ökologie, zur Minderung des CO2-Ausstoßes z.B. gerademal 1,3%. Indes würde es 11 Jahre brauchen, um den Ökologischen Rucksack, der durch Bau und Betrieb entsteht, abzutragen. K21 hingegen bedürfe weder einer Betonwanne, noch dieser Vielzahl von Tunnelbauten ...

S21 eigne ein Geburtsfehler, so Hannes Rockenbauch, der schon 1995 dagegen demonstriert und Unterschriften gesammelt hatte. Das Diktum, das diese Projekt verkörpere, dieses "immer weiter, höher, schneller ...", der Wachstumsglaube, sei in Zeiten des Klimawandels nicht mehr zeitgemäß, die Bedingungen hätten sich verändert, und man könne nicht mehr allein auf Wachstum bauen. Die Bürger wollen selbst ihre Zukunft gestalten ...

Bis kurz vor 17.00h führte Geißler intensive Gespräche mit Vertretern beider Seiten hinter den Kulissen, ursprünglich hatte die Verkündung des Schlichterspruchs schon nach 13.30h erfolgen sollen.

17.00h: Heiner Geißler erläutert seinen Schlichterspruch, der mit beiden Seiten abgesprochen ist und besagt, daß es keinen Kompromiß zwischen S21 und K21 geben kann. Die von unabhängigen Wirtschaftsprüfern eruierten Ausstiegskosten betragen zwischen 1 Mrd. und 1,5 Mrd. Euro (die Kritiker beziffern sie mit 600 Mio.), sie rechtfertigten keinen Ausstieg aus dem Projekt aus Kostengründen.

Der neue Stadtteil muß ökologisch geprägt sein, kinder- und familienfreundlich, bezahlbar, generationendurchmischt. Bäume sollen im Schloßpark nicht mehr gefällt, sondern gegebenenfalls umgepflanzt werden ...

Der Tiefbahnhof darf nur gebaut werden, wenn entscheidende Verbesserungen vorgenommen werden, z.B. in Sachen Sicherheit und Behindertenfreundlichkeit. Es gehe um einen S21plus dabei, offensichtliche von den Kritikern angesprochene Schwachstellen sind zu beseitigen. Die Gäubahn soll erhalten und in das Projekt integriert werden ... Im Durchgangsbahnhof sollen zwei weitere Gleise implentiert werden, und z.B. auch in der Wendlinger Kurve ein zweites. Aber einen Baustopp wird es nicht geben.

Vor dem Rathaus ist jetzt Protest zu vernehmen, Rufe wie "Oben bleiben" und "Mappus muß weg" ...

Grube sagt im Nachhinein dem Fernsehsender gegenüber, die neuen Simulationen (Streßtest am Bahnknoten, der per Simulation durchzuführen ist) würden letztendlich zeigen, ob sie den Optionen Heiner Geißlers folgen müßten.

Rockenbauch meint, die Schlichtung sei wichtig gewesen, um der Öffentlichkeit die Risiken von S21 deutlich zu machen und ausführlich die eigene Alternative einer nachhaltigen und behutsamen Stadtentwicklung und eines Kopfbahnhofs 21 darzustellen, der immer noch ökologischer und leistungsfähiger ist.

Die Abschlußrunde wird wieder von Phoenix live übertragen. Bei Abriß Aufstand protokolliert mit.

[kann bis ca. 12.00h folgen, dann möge bitte jemand übernehmen]

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Geschrieben von

jayne

beobachterin des (medien-) alltags

jayne

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