Richterlicher Bereitschaftsdienst oder Ein Nachspiel in Sachsen

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In verschiedenen Blogbeiträgen haben sowohl Tom Strohschneider als auch ich über die Vorbereitungen zur Blockade des europaweit größten Naziaufmarschs am 13. Februar in Dresden berichtet, und dies betraf die Aktivitäten des parteiübergreifenden antifaschistischen Bündnisses "Dresden nazifrei" ebenso wie die gesetzgeberischen Kurzschlüsse seitens der Sächsischen Staatsregierung. Letztere müssen nun eiligst repariert werden ...

Nun haben sich nach Feststellung des Fehlers im Text des bereits ausgefertigten Versammlungsgesetzes neue Entwicklungen ergeben, und ich möchte in diesem Zusammenhang aus einer Pressemitteilung des Sächsischen Justizministers sowie der Antwort der Linksfraktion im Landtag zitieren.

Der Justizminister Dr. Martens ließ heute unter dem Titel

Vorbereitung der sächsischen Justiz für den 13. Februar 2010 in Dresden

verlautbaren: "Wir haben leider in den letzten Jahren erlebt, dass Extremisten den Tag des Gedenkens an die Zerstörung der Stadt Dresden benutzt haben, um den Rechtsstaat auf die Probe zu stellen. Wir dürfen es nicht zulassen, dass dieser Gedenktag ein Tummelplatz von rechtsextremen Ideologen und linken Chaoten wird. Die Justiz ist gut vorbereitet, um mit rechtsstaatlichen Mitteln adäquat und entschlossen auf gewaltsame Übergriffe zu reagieren.

Mit dem neuen Versammlungsgesetz sind die Voraussetzungen für würdevolles Gedenken am 13. Februar in Dresden geschaffen. Dieser Tag stellt auch die sächsische Justiz vor Herausforderungen. Ein Fokus liegt dabei auf der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz. Die für Straftaten gegen den inneren Frieden zuständige Abteilung der Staatsanwaltschaft Dresden stimmt sich bereits im Vorfeld mit der Polizei ab. Über den normalen Bereitschaftsdienst der Staatsanwaltschaft hinaus wird am 13. Februar 2010 ein Staatsanwalt unmittelbar in der Polizeidirektion anwesend sein, um die notwendigen Entscheidungen vor Ort schnell und effizient treffen zu können. Ein weiterer Staatsanwalt steht auf Abruf bereit. Beide Staatsanwälte sind durch ihre langjährige spezialisierte Tätigkeit mit der besonderen Problematik von Ausschreitungen vertraut.

Der richterliche Bereitschaftsdienst in Dresden am 13. Februar 2010 wird aus zwei Richtern bestehen, die ebenfalls besondere Erfahrungen mit der Thematik haben."

Seitens der Fraktion Die Linke erklärte der rechtspolitische Sprecher Klaus Bartl: "LINKE beantragt Sondersitzung des Rechtsausschusses – keine weitere Kriminalisierung von Engagement gegen Nazis!

So tief wie Dr. Jürgen Martens ist in der jüngeren bundesdeutschen Geschichte kaum ein Liberaler gefallen – vom verlässlichen Verteidiger der Freiheits- und Bürgerrechte zum rechtskonservativen Polarisierer im Bandmann-Stil („Tummelplatz von rechtsextremen Ideologen und linken Chaoten“). Dabei gerät das eigentliche Problem des 13. Februar in Dresden aus dem Blickwinkel: der schamlose Missbrauch des Gedenkens der Dresdner an die Zerstörung ihrer Heimatstadt vor 65 Jahren ausgerechnet durch den europaweit größten Aufmarsch der Nazis, die sich in der Nachfolge derer befinden, die jenen verbrecherischen Krieg vom Zaun gebrochen haben, dem letztlich auch Dresden zum Opfer fiel.

Die heute Verlautbarung des ehemals liberalen sächsischen Justizministers ist aber auch aus einem ganz anderen Grund völlig daneben: Die Staatsanwaltschaft ist nicht der verlängerte Arm der Regierungspolitik bzw. sollte es nicht sein. An der nötigen Distanz gab es ja gerade in Sachsen in den vergangenen Jahren wiederholt berechtigte Zweifel. Um so unverantwortlicher ist es, dass sich nun der Justizminister anmaßt, im Namen der Richter und Staatsanwälte zu sprechen. Nach der Beschädigung der Versammlungsfreiheit durch das neue Versammlungsgesetz wird nun sogar die Unabhängigkeit der Justiz angegriffen.

Wenn das Ansehen Sachsens am 13. Februar nicht zusätzlich schweren Schaden nehmen sollte, muss der Justizminister unverzüglich auf den Pfad der rechtsstaatlichen Tugend zurückkehren. Wir haben für Freitag eine Sondersitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses des Landtags beantragt – mit dem Ziel, dass zivilgesellschaftliches Engagement nicht weiter kriminalisiert wird und die offenkundigen Mängel des Versammlungsgesetzes behoben werden."

Die innen- und rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Sabine Friedel äußerte:

„Die Vorbereitungen der sächsischen Polizei und Justiz für den 13. Februar 2010 in Dresden sollten vor allem dazu dienen, friedliche Demonstrationen gegen Rechts zu schützen. Die Dresdnerinnen und Dresdner wollen ihren Protest gegen den rechtsextremen Missbrauch des 13. Februar zeigen. Deshalb hat die Oberbürgermeisterin zu einer Menschenkette aufgerufen. Und deshalb unterstützen alle demokratischen Parteien, die Kirchen, Wirtschaft, Kultur und der Sport den friedlichen Protest.

Wichtig ist, dass sich die Dresdner Bürgerinnen und Bürger in der Innenstadt frei und sicher bewegen können. Polizei und Justiz haben die Aufgabe, den friedlichen Protest zu ermöglichen und zu schützen. Wir erwarten einen freien Zugang zur Innenstadt für alle, die gemeinsam mit friedlichen Mitteln protestieren wollen. Daran werden wir den 'Erfolg' von Polizei und Justiz am 13. Februar messen."

Auch die Fraktion der Grünen im Sächsischen Landtag meldete sich mit Antje Hermenau, Fraktionsvorsitzende, zu Wort:

GRÜNE beschließen Klage gegen das Versammlungsgesetz

"Wir halten die in der letzten Woche beschlossene Novelle des Sächsischen Versammlungsgesetzes in wesentlichen Teilen für unvereinbar mit der Sächsischen Verfassung und dem Grundgesetz", so Antje Hermenau, Vorsitzende der Fraktion.

"Zudem bedarf das Gesetz dringend einer verfassungskonformen Auslegung durch das Verfassungsgericht, um die praktischen Probleme der Versammlungsbehörden und der Polizei zu begrenzen. Daher streben wir gemeinsam mit den Fraktionen Die Linke und der SPD die Einreichung einer Verfassungsklage an."

"Gründlichkeit geht uns dabei vor Schnelligkeit."

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

jayne

beobachterin des (medien-) alltags

jayne

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