"V-Leute des Verfassungsschutzes an sächsischen Hochschulen"

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Am Dienstag erlebte der Sächsische Landtag eine außerordentlich emotionale und fast dreistündige Debatte zum Extremismusbegriff. Anlaß dafür war die Einführung der Extremismusklausel im Freistaat, die künftig von Bürger-Initiativen und Vereinen unterzeichnet werden muß, die staatliche Förderung erhalten. Erstmals wurde sie vor der Verleihung des Sächsischen Demokratie-Preises angewandt, was bekanntlich zu einem Eklat führte.

Dabei bildet nicht der erste Absatz dieser Erklärung den Knackpunkt, sondern der zweite, in dem geförderte Vereine dazu verpflichtet werden, Kooperationspartner und Referenten auszuforschen, ob sie auch auf dem Boden des Grundgesetzes und nicht etwa unter Extremismusverdacht stehen. Der Rechtsexperte Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität hat in einem Gutachten festgestellt, daß der zweite Absatz nicht verfassungskonform ist. Er sei zu unbestimmt und pauschal formuliert, und dies sei in einem grundrechtssensiblen Bereich unangemessen.

In einem Interview führte Battis dazu aus: "Demokratische Kultur setzt sensibles Verhalten des Staates voraus. Die politische Willensbildung funktioniert laut Grundgesetz von unten nach oben. Und nicht umgekehrt. Wenn der Staat hier mit Geld interveniert, dann wirkt er auf diese Willensbildung ein. So pauschal und unverhältnismäßig geht das nicht."

Volker Bandmann (CDU) eröffnete die Debatte im Sächsischen Landtag und sprach wiederholt von der Freiheitliebe, der 1989 zum Durchbruch verholfen worden sei und die es zu bewahren gelte. Das Bekenntnis zur Grundordnung ist seiner Ansicht nach nötig, und zudem dürfe es nicht sein, daß der Staat mit öffentlichen Fördermitteln bekämpft und zersetzt werde. Ein Fraktionskollege behauptete gar, Sachsen sei zum Aktionsraum von Linksextremisten geworden.

Auf die Frage aus den Reihen der Opposition, welche extremen Vereine oder Initiativen denn bisher staatliche Fördergelder erhalten hätten, vermochten weder der Abgeordnete Sven-Gunnar Kirmes von der CDU noch sein FDP-Kollege Carsten Biesok eine Antwort zu geben. Miro Jennerjahn (Grüne) und Kerstin Köditz (Linke) sprachen in Bezug auf nicht konkretisierbare Verdachtsmomente von Intransparenz.

Die Extremismustheorie sei wissenschaftlich unhaltbar, betonte Prof. Gerhard Besier (Linke), und für die praktische Politik untauglich. Der Extremismusbegriff ist ideologisch hoch aufgeladen und sehr dehnbar, deshalb wird er auch vom Gros der Wissenschaftler abgelehnt. Denn damit ließe sich jeder, der in irgendeiner Weise von gängigen Vorstellungen abweicht, in die Extremismusecke stellen.

Der SPD-Abgeordnete Henning Homann konnte dies gleich mit einem Beispiel untersetzen: wer dem widerspräche, was im Verständnis der CDU/FDP-Koalition "die Mitte" der Gesellschaft ausmacht, werde des Extremismus verdächtigt, und dies spiegele gerade auch die laufende Debatte wider, in der den Kritikern der Klausel mehrfach unterstellt wurde, Schwierigkeiten mit der FDGO zu haben ...

Dem Historiker Wolfgang Wippermann zufolge wurden sowohl der Radikalismus- wie der Extremismusbegriff vom Verfassungsschutz eingeführt und sind also keine Erfindung der Wissenschaft. Der Radikalismusbegriff war bis 1973 beim Verfassungsschutz in Gebrauch, ehe er von der Extremismustheorie abgelöst wurde. Und nur in Sachsen habe diese Theorie auch Einzug in den Wissenschaftsbetrieb der Hochschulen gefunden, so Besier, die V-Leute des Verfassungsschutzes säßen also sämtlich in Sachsen. Das Flaggschiff der Totalitarismus- und Extremismustheorie bilde dabei das Hanna-Ahrendt-Institut in Dresden.

P.S. Als die beiden führenden Vertreter des Extremismusansatzes in der Bundesrepublik können im Übrigen Uwe Backes vom Dresdner Hannah-Arendt-Institut und Eckhard Jesse, Professor für Politikwissenschaft an der Universität in Chemnitz angesehen werden.

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Geschrieben von

jayne

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