"Wir machen den Markt zum Schiedsrichter"

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Vor dem G 20-Gipfel in Toronto erhält die Debatte um mögliche und notwendige Regulierungen der Finanzmärkte noch einmal Auftrieb, eine Debatte, die dieser Tage vor allem in den Medien geführt wird.

So war am Morgen auf MDR-Figaro der Wirtschaftswissenschaftler und Chef-Volkswirt der UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD), Heiner Flassbeck zu hören, der in ein paar Sätzen stringent zu charakterisieren vermochte, in welch widersinnigem Verhältnis gegenüber den Finanzmärkten sich augenblicklich die Politik befindet.

Auf die Frage des Redakteurs, wie es mit der Regulierung der Finanzmärkte bestellt sei, warum man denn so wenig darüber höre und ob die Politik etwa vor der Finanzwirtschaft kapituliere, antwortete Flassbeck:

"Es ist sicherlich so. Die Politik kapituliert, bzw. sie changiert, sie votiert auch manchmal, und das alles ist Ausdruck der Tatsache, daß die Politik nicht das Primat des Handelns zurückgewonnen hat, sondern sich drängen läßt und die Märkte sozusagen immer noch zu den Schiedsrichtern ihres Handelns macht.

Und wenn man sich das anschaut - Schäuble hat einen Artikel geschrieben, in dem er sagt, wir müssen das Vertrauen der Finanzmärkte zurückgewinnen. Also der Staat, der von den Finanzmärkten in die Bredouille gebracht wurde, muß jetzt das Vertrauen derer zurückgewinnen, die ihn in die Bredouille gebracht haben - das ist die Logik, mit der wir es im Moment zu tun haben."

Auf die Frage nach den haushaltspolitischen Herausforderungen und das Herangehen an die der Krise zugrundeliegenden Ursachen äußerte Flassbeck u.a.:

"Wir haben einen GAU erlebt und wir trauen uns nicht, die Ursachen anzupacken. Die Ursachen sind eindeutig die massiven Casinogeschäfte, die an diesen Märkten gemacht werden.

Man muß sich nur mal angucken, was einer der Casinospieler, Herr Soros, gerade in den Zeitungen verbreitet hat. Er spricht es selbst an, er sagt, man muß viel energischer vorgehen, die Staaten müssen selbstbewußter werden, sie müssen sich emanzipieren, sie müssen sehen, daß die Märkte nicht effizient sind - sagt einer der größten Player an diesen Märkten, und die Politiker nehmen es nicht zur Kenntnis. Wir machen den Markt zum Schiedsrichter, das kann nicht funktionieren ..."

Leider steht das Interview bei MDR-Figaro nicht online zur Verfügung, aber man kann es als mp3 von der Redaktion anfordern. Parallel dazu möchte ich an dieser Stelle auf ein inhaltlich ähnlich gelagertes Interview verweisen, das von Tom Grote auf Nordwestradio geführt wurde. Ein weiteres zu G 20-Gipfel und Finanzmarktregulierung gibt es beim WDR.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

jayne

beobachterin des (medien-) alltags

jayne

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