Zunder für die Wolkenfabriken

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Morgens nahm ich nur den Dampf der Kühltürme wahr, hoch überm Südhorizont, als ich im Frühjahr letztes Jahr auf der Raketenstation Hombroich zu Gast war, den Ausstoß der Asche-, der Wolkenfabriken jenseits von Hülchrath und Rossellen, die mich an die Bezugsorte meiner Kindheit erinnerten, im Südraum von Leipzig gelegen, die Brikettfabriken von Borna, Deutzen oder Espenhain, das Kohlekraftwerk Lippendorf ...

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Und ebenso erinnerte mich die niederheinische Landschaft, die Verhaltenheit der Höhenzüge, künstlichen Aufschüttungen an die heimische der Leipziger Tieflandsbucht, die mitnichten lediglich eine Ebene. Da wechseln zwischen Taucha und Thekla, nördlich von Leipzig, Anhöhen und Flußauen einander ab, wie hier, um Neuss und Grevenbroich, wo ein Nebenfluß des Rheins, die Erft, sich durchs hügelige Gelände schlängelt ...

Als wir in den 60er Jahren mit der Klasse einmal einen Ausflug durch die nordleipziger Auenlandschaft unternahmen, durch eine Anzahl verschlafener Dörfer, war es für mich eine Exkursion auf unbekanntem Terrain - Wir sahen etwas, das wir im "Südraum" nur mehr angeschlagen, verletzt zu Gesicht bekamen, als zum Teil schon geschliffene Bastionen gegen den vorrückenden Tagebau, das Klirren der Eimerketten schon hör-, der Wind, der permanent über die Ausräumungen strich, spürbar.

So schauten wir in eine Ferne, deren Gleichklang faszinierend, begrenzt von den Wilderungen der Birkenpopulationen, von einem aufs nächste Jahr aufgeschossen, mit ihrem lichten Blattwerk nur dürftig verdeckend, was da in Anmarsch war, oder abging. Impulsives Baumgeschlecht, siedelnd, wo die Bagger gerade nicht, sogar zwischen den Gleisen temporär stillgelegter Feldbahnen, den Reihen rostfarbener Schüttgutwaggons, Kettenglieder im Gelände, die die gebrochene Kohle, diesen Schmuck aus dem Zeitalter des Karbon, beförderten. Das Singen und Erbeben der Gleise, auf blankem Boden verlegt, ohne Schotterbett, wenn sich einer der Züge näherte, das Winseln der Räder ...

Und dies alles hinterm Schleier explodierender Birkenpopulationen, denen niemand den Boden bereitet.

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Geschrieben von

jayne

beobachterin des (medien-) alltags

jayne

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