Das geht ja schon schick los: Da sitzt Sahra Wagenknecht, versierte Öffentlichkeitsfrau, Linken-Politikerin, Philosophin und Doktorin der Volkswirtschaft, auf der Bühne des knallvollen Berliner Babylon-Kinos und erklärt ihrem Gesprächspartner, dem Modedesigner Wolfgang Joop, sie habe sich beim ersten Zusammentreffen gesorgt, weil sie „keine Ahnung von Mode“ habe. Beifall des Publikums: Mode hat eben nichts mit Politik zu tun. Oder doch?
Doch. So was von. Dem von Wagenknecht so subtil wie kokett personifizierten „Intellektuelle haben kein Interesse an derart Profanem“-Klischee kann Joop, der direkt auf ihre markante Erscheinung (Hochsteckfrisur und „Balletthaltung“) anspielt, glücklicherweise schnell den Garaus machen. Das Thema des Talks, Mode trifft Politik, ist topaktuell. Denn Mode hat mit Politik zu tun – auf mehreren Ebenen: Politik äußert sich unter anderem mittels Kommunikation, und wer behauptet, vestimentäres Nicht-Kommunizieren sei keine Aussage, der vergisst, dass auch Schweigen beredt sein kann. Zudem müssen bei der Mode (und den Unterthemen „Trends“ und „Wirtschaftlichkeit“) immer „Produktion“ und „Wege“ mitgedacht werden. Beide Gäste, die unter der Moderation von Luc Jochimsen aufeinandertrafen, wären also geeignete Kandidaten, um solche Diskurse zu führen. Wie steht ein Kreativer wie Joop, der in einem Zeitungsinterview seine Affinität zu den Linken öffentlich gemacht hat, zu der nach streng kapitalistischen Prinzipien funktionierenden Modebranche, in der regelmäßig das Neue hergestellt und gefeiert, die Marke gestärkt und qua Werbung für gutes Geld an den Mann/die Frau gebracht wird? Und was ist mit dem Label? Macht sich eine Politikerin wie Wagenknecht, die angeblich „nicht auf Marken schaut“, durch eine wiedererkennbare Frisur, einen wiederkehrenden Stil nicht selbst zur Marke? Und ist das nicht vielleicht sogar schlau? „Mode“, erklärt Joop, dessen Fashion-philosophische Weisheiten ihn mindestens auf Lagerfeld-Niveau („Wer Jogginghosen trägt etc.“) heben, „Mode ist ein Zeitabschnitt“ – und schon darum von Grund auf politisch.
Dass sich das Gespräch nicht mit Merkels Jacketts aufhält, ist zwar lobenswert – nur ein Sekündchen widmet Joop in einem quirligen Monolog dem Stil der Kanzlerin und ihrem Opernball-Dekolleté. Doch Jochimsen hat sich gegen die Mode und für die amüsante, aber wenig diskursive Biografie-Variante entschieden: Wagenknecht und Joop erzählen abwechselnd, wie sie aufgewachsen sind, politisiert wurden, wie sie das Land, das es nicht mehr gibt, verbessern, verändern, unterstützen wollten. Joop (74) beschwört die (gute alte) Zeit, in der noch alles repariert und nichts weggeschmissen wurde. Wagenknecht bringt ein hübsches Döneken über ihre nie gehaltene erste Rede auf dem Parteitag der PDS. Was sie, die damals 22-Jährige, an der „aus älteren, rauchenden Männern“ bestehenden, „unattraktiven“ Partei gereizt habe, fragt Joop sie. Spannende Frage, doch Jochimsen bricht ab.
Am Ende polemisiert Wagenknecht gegen „grünen Kapitalismus“, doch für die Diskussion darüber, ob die Staaten des realen Sozialismus tatsächlich ökologischer waren und sind, bleibt keine Zeit. So versucht es Joop nur noch ganz kurz mit Geraderücken, ja nun, ganz abschaffen will der Unternehmer den Kapitalismus wohl doch nicht, und dann ist Schluss. Schade. Einen bemerkenswerten (Gesprächs-)Stil haben sie alle drei.
Kommentare 15
"Döneken": noch nie gehört oder gelesen.
Der Duden sagt mir: "Das Wort liegt jenseits der Top 100 000 und ist nur selten oder gar nicht im Dudenkorpus belegt."
Das würde mich nicht weiter beschäftigen, wenn nicht Wagenknechts Parteigänger immer so laut über lifestyle-Sozialisten krakeelen würden. Sie kann sich unterhalten mit wem sie will, bitteschön.
Aber den Sinn der Sache sehe ich nicht bei Joop, der Leute, die ihn bitten, seine Hunde im Park von Sansoucci mal anzuleinen, schnell mal als Nazis verunglimpft. Was will sie mit dem denn bereden. Showbiz ist ja in Ordnung. Vielleicht gings ja auch um den richtigen Faltenwurf bei Gelbwesten.
Joop ist affin zur Linkspartei? – Cool.
Liebe Frau Magda, manchmal kann ich Ihnen wirklich nicht folgen - obwohl ich auch Ihre Beiträge wirklich gerne Lese! Wir sind nun mal Kerle und schauen immer erst einer Dame in die Augen und auch ich trage keine Jesus Latschen! Kann aber auch sein, es ist heute einfach zu heiß und heiß ist nun mal Frau Dr. Wagenknecht auch! “Wer in einem blühenden Frauenkörper das Skelett zu sehen vermag, ist ein Philosoph.“ K.T.
das hemd von herrn joop sieht auf den ersten blick aus, als wäre er besoffen in der u-bahn eingepennt und gerade lustig angemalt darin aufgewacht.
Ein formidabler Diskurrrrs. Chapeau. Hätte aber noch brennend gern erfahren, woraus Liftboy Joops gut behütetes Geheimrezept ewiger Jugend und Natürlichkeit besteht.
🎈"Döneken": noch nie gehört oder gelesen.🎈
Was?😄
"„Mode ist ein Zeitabschnitt“ – und schon darum von Grund auf politisch."
Hört, hört! Na wenn der Spruch mal nicht in die Geschichtsbücher eingeht.
Von Pau bis Lau denkt jeder, Frau müsse jetzt (auch) "talken", wenn Stimmen und Stimmungen im bundeserleuchten Wahlystem wegbrechen.Frau kann es auch als 2. Standbein nutzen ... Schauspieler fangen ja auch an zu singen, wenn die Rollen wegbrechen.
Was?😄
Bin diesmal bei der Mehrheit. Der Duden belegt statistisch, dass "Döneken" ein nahezu ungebrauchtes Wort ist. Das stelle ich direkt ohne Schnekedänz fest.
Im Norden der Republik kennt das Wort jeder, egal was der Duden meint zu wissen.🧐
Heineken vielleicht – aber niemals Döneken ;-).
Ja, wat nu. Ich kann Ihnen auch nicht folgen. Meine Vorbehalte gehen um was anderes: Sahra Wagenknecht - und ihre Parteigänger*innen - wenden sich massiv gegen die Kosmopoliten in den "Szenevierteln" usw. usw. Ich weiß nicht, ob Sie die Migrationsdebatte innerhalb der Linken ein bisschen verfolgt haben.
Was das mit Kerlen, die Frauen in die Augen blicken, zu tun hat, erschließt sich mir nicht ganz.
Ich wollte Sie nur ein bisschen ärgern ; -))) !
>>@ Magda Ich wollte Sie nur ein bisschen ärgern ; -))) !<<
Einfach Dönekes erzählt.