Kommissarin Schmitz

Porträt Florence Kasumba ist in den USA seit „Black Panther“ ein Star. Die Zeit der Nebenrollen ist für sie vorbei
Ausgabe 05/2019
Mehrfach spielte sie im „Tatort“ die Geflüchtete, einmal auch die Beschneiderin aus Somalia. Ab Sonntag ermittelt sie in Göttingen als die neue Kommissarin
Mehrfach spielte sie im „Tatort“ die Geflüchtete, einmal auch die Beschneiderin aus Somalia. Ab Sonntag ermittelt sie in Göttingen als die neue Kommissarin

Foto: H. Hartmann/Future Image/Imago

Sie wollen doch hier jetzt nicht putzen?! Das ist ein Tatort ...“ Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) weist eine vermeintliche Reinigungskraft zurecht, die, in Kittel, Gummihandschuhen und mit einem Pümpel in der Hand, neben Blutspuren in der Schultoilette steht. Diese Putzfrau ist aber gar keine. Sondern, wie peinlich, die neue Kollegin: Kommissarin Anais Schmitz lautet der Rollenname von Schauspielerin Florence Kasumba, deren Tatort-Debüt diesen Sonntag ausgestrahlt wird.

So kläglich wie Lindholms erste Begegnung mit der neuen Partnerin scheitert, die hinter Lindholms Fehlinterpretation der Indizien (Frau mit Gummihandschuhen, Kittel und Saugglocke in einer öffentlichen Toilette = Putzfrau) tief sitzenden Rassismus wittert und dementsprechend wütend reagiert, so misslungen ist die Idee, die beiden Ermittlerinnen auf diese Art und Weise aufeinandertreffen zu lassen. Denn die Szene stellt genau das aus, was die Besetzung der vielseitigen, in Spiel, Gesang und Tanz geschulten Schauspielerin Kasumba als Göttinger Polizistin eigentlich beenden wollte: das Thematisieren der Hautfarbe, das für alles (außer vielleicht der Frage, welche Klamotte den Teint am besten leuchten lässt) komplett irrelevant ist. Und das sowohl den Lindholm-Charakter schwächt, zu dem ein solch dumpfes Vorurteil nicht passt, als auch Kasumbas Rolle der durch den gesamten Film gleichermaßen säuerlichen Kommissarin Schmitz, die die Möglichkeit, Kollegin Lindholm habe vielleicht tatsächlich nur nach den Utensilien und nicht nach der Hautfarbe konkludiert, keine Sekunde in Betracht zieht.

Aber Florence Kasumba wird das überstehen. Die 42-Jährige, die mit zwei Geschwistern in Essen aufwuchs und momentan mit ihren beiden Kindern und ihrem Mann in Berlin lebt, hat mehr Erfahrung, als die Befindlichkeiten von deutschen Tatort-Drehbüchern ihr zugestehen: Nach einer umfassenden Ausbildung in den Niederlanden sang und tanzte sie sich durch den König der Löwen, Cats und Elton Johns an die gleichnamige Oper angelehntes Musical Aida. „Sind die Sterne gegen uns, lässt der Himmel uns allein“, klagt sie in der Titelrolle im Duett mit dem geliebten Radames und lässt ihren Mezzosopran bewegt flattern. Seit Jahren spielt sie zudem Neben- und Hauptrollen in deutschen Fernsehproduktionen, darunter viele Tatorte. Besetzt wurde sie in diesen als die gepeinigte Geflüchtete (Der illegale Tod, Im gelobten Land) oder Beschneiderin aus Somalia, deren Aufenthalt eine Scheinehe sichert (Tod einer Lehrerin). In Anna Wingers rasant-brillanter Kalter-Krieg-Serie Deutschland 86 übernahm sie dann den Part einer Widerstandskämpferin. Und, als kleiner Funfact für Comic-Nerds: Florence Kasumba ist einer der wenigen Menschen, die sich sowohl in DC- als auch in den konkurrierenden Marvel-Produktionen tummeln durften. In Patty Jenkins’ zu Recht hochgelobtem feministischen DC-Actionreißer Wonder Woman gab sie die Amazonenkollegin Acantha, in gleich drei Marvel-Filmen überzeugte sie als Ayo, eine Kriegerin aus Wakanda – die in Black Panther mit beeindruckender Choreo, langem Speer und fest entschlossenem Gesichtsausdruck ihren König T’Challa verteidigt.

Diese Entschlossenheit steht ihr gut – und ist, nach ihren eigenen Angaben, Teil ihrer Persönlichkeit: In Interviews beschreibt sich die in Uganda geborene Kasumba, die als Teil des Black-Panther-Teams in den USA längst eine eigene Fangemeinde hat, als „sehr diszipliniert“, akkurat und strukturiert. Sie sei, erklärt sie, ein „fleißiges Kind“ mit einer Leidenschaft für das Tanzen gewesen – und für die Buchführung. Sie erzählt aber auch von Rassismuserfahrungen in ihrer Heimat Deutschland, von den enttäuschenden Vorurteilen, wenn sich wieder jemand über ihr „gutes Deutsch“ wunderte, und die auch ihre Kinder schon erleben mussten. Und von ihren Minderwertigkeitskomplexen als Ballettelevin, weil ihre Figur anders war als die der weißen Tanzmädels um sie herum.

In einem Gespräch mit der Zeit bezeichnete sie sich kürzlich zwar als „gar nicht politisch“, aber sie forderte vor ein paar Jahren schon mal von den deutschen (Fernseh)Filmschaffenden, nicht weiße SchauspielerInnen nicht nur in Nebenrollen als Geflüchtete und drogenabhängige Prostituierte zu besetzen. Ein Wunsch, der bei KollegInnen mit türkischen und arabischen Wurzeln ebenfalls lange ignoriert wurde, bis endlich Figuren wie Elyas M’Bareks Lehrer Zeki Müller und Sibel Kekillis Kieler Tatort-Kommissarin Sarah Brandt ein wenig mehr selbstverständliche Diversität in die deutsch-blasse Kino- und Fernsehlandschaft brachten. Die afrodeutsche Tatort-Kommissarin, die durch die Hochzeit mit einem Deutschen „diesen blöden Nachnamen“ bekam und von Kasumba – absichtlich oder nicht – durch einen robusten Hauch Ruhrpott in der Sprache eine Portion Bodenhaftung mitbekommt, hat jetzt jedenfalls schon mal geklappt. Und Kommissarin Schmitz scheint ausbaufähig: Bislang durfte sie kaum mehr als ihre eingeschnappte Seite zeigen.

Bei Kasumba hat man eh das Gefühl, sie fange gerade erst an. Die Schauspielerin hat eine Präsenz, die sowohl auf der Bühne als auch durch die Kamera leuchtet, ihre Körperspannung verrät die langjährige Tanz- und Martial-Arts-Erfahrung. Als unauffälliges „Lieschen Müller“ kann sie eher nicht besetzt werden. Doch das muss sich mit der Tatort-Rolle nicht beißen: Schließlich schied im letzten Jahr ein echter Berliner LKA-Beamter bei der Pro7-Castingshow The Voice of Germany erst in der zweiten, der sogenannten Battle Round aus. Daneben wäre eine schwarze, Aida-Arien schmetternde Tatort-Kommissarin sozusagen absolut Normalität.

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