Unsterblichkeit is a bitch. Merlin (Gustav Skarsgård), ein Hexenmeister, der sowohl wegen seiner magischen Kräfte als auch seiner magischen Langlebigkeit Königshöfen in mehreren Jahrhunderten als Lieblingszauberer und -berater galt, kann ein Lied davon singen. Allerdings würde er es grölen: Merlin ist meistens besoffen – er hat auf die Intrigen, die Eifersüchteleien, die Brutalitäten der Menschen schlichtweg keine Lust mehr.
In der vom Comic-Künstler Frank Miller und dem Autor Tom Wheeler geschaffenen Netflix-Serie Cursed, die auf Millers und Wheelers Graphic Novel gleichen Namens beruht, ist Merlin nicht die Hauptfigur. Verflucht ist er zwar ebenfalls: Beraubt seiner Zauberkräfte, aber ausgestattet mit dem umfassenden Wissen einer sehr alten Seele, trinkt er sich am Hofe des verweichlichten Königs Uther Pendragon (Sebastian Armesto) durch seine düsteren Tage. Doch das Augenmerk der zehnteiligen, mit dem inzwischen üblichen hohen Production Value des Fantasy-Genres ausgestatteten Serie liegt auf einer Nebenfigur der Artus-Sage, die die Grundlage für sämtliches Geschehen bildet: Als „cursed“ empfindet sich die dem „Himmelsvolk“ angehörige Nimue (Katherine Langford aus Tote Mädchen lügen nicht), deren Natur-Superkräfte von ihr selbst zunächst als Bürde empfunden werden.
Denn sie scheinen sich frei nach Gusto einzustellen. Ein ums andere Mal wachsen im Gesicht der jungen Frau, die gleich zu Beginn der Story in Besitz eines geheimnisvollen Schwerts gelangt, urplötzlich mysteriöse pflanzliche Muster, die Natur um sie herum scheint sich daraufhin ihrem Willen zu beugen – und etwa einem „Roten Paladiner“, einer Art Inquisitions-Mönch, auf bestialische Art und Weise den Garaus zu machen. Brutal durchbohrt von schlangenartigen Baumwurzeln wiegt der selbst ernannte Mann Gottes nach einem Kampf im Wind.
Artus (Devon Terrell), ursprünglicher Held der Sagen um das Schwert und den Zauberer, spielt in Cursed ebenfalls nur eine Nebenrolle – eingeführt wird er als Taschendieb und Minnesänger, der Nimues Vertrauen und ihr Interesse gewinnt, ihr jedoch die Waffe klaut. Dabei meinte er es nicht böse – doch da hat das Hauen und Stechen um die „Wolfsbluthexe“ (Nimue) und ihr „Sword of Power“, um die Macht und die „Fey“ (das Feenvolk) bereits begonnen. Und will nicht aufhören: Das Problem an Cursed ist der eigenartige Aufbau, der wieder und wieder die interessanteren Figuren und Geschichten aus dem Fokus verliert, eine kohärente Dramaturgie schleifen lässt und stattdessen – verbunden mit hübschen Frank-Miller-Cartoon-Trennern – von Schauplatz zu Schauplatz und von Fey zu Fey hetzt, als ob es nur um die Ausstattung ginge.
Denn die ist – zugegeben – beeindruckend. Das Schloss von „Rugen, dem Lepra-König“, mit dem Merlin eine Allianz anstrebt, trutzt genauso grindig in die Gegend wie die dort lebenden Aussätzigen selbst. So schaurig zurechtgemacht sind seine Bewohner*innen, dass man fast vergisst, darüber nachzudenken, inwiefern der Einsatz von Leprakranken als Horrorelement eine Diskriminierung beinhaltet. Aber die Welt von Nimue, Artus und Merlin ist Fantasy – und die nimmt es ebenso wenig genau mit der politischen Korrektheit wie die Sage selbst.
Auch die mit vielen Piercings an kuriosen Stellen ausgestattete Steampunk-Clique um „Red Spear“ (Bella Dayne), die teilweise gehörnten Feensleut’, oder Artus’ kampflustige Schwester Morgana (Shalom Brune-Franklin), eine schwarze lesbische Nonne, haben als Diversitäts- und Action-Konzept durchaus Pep. Doch ihre Eigenschaften und Eigenheiten versickern in der zunehmend konfusen, mit Lust an performativer Gewalt viel zu brutalen, dabei aber keusch auf Chorknabenniveau gehaltenen Erzählung. Nimue, die eigentlich der Mittelpunkt sein sollte, wird zudem immer blasser: Das mit dem Schwert, das dem oder der Führer*in – nach Herr-der-Ringe-Manier – auch noch skrupellose Kampfeslust eingibt, entgleitet ihr zusehend. Ihr sich eigentlich intensivierendes Verhältnis zu Artus kühlt sich ab, anstatt sich aufzuheizen – über ein paar biedere Küsse und den Anblick von Nimues Rücken und Artus’ Brust kommt die Geschichte nicht hinaus. Und wer nun mit wem aus welchen Gründen fusioniert, verläuft sich im von flackerndem Kerzenlicht beleuchteten Setting. Einzig Merlin, den Gustav Skarsgård mit viel überzeugender Ambivalenz und seinem bereits als „Floki“ (in Vikings) erprobten Sinn für Exaltiertheit und Wahnsinn gibt, schaut man in diesem Reigen aus Gewalt, Mystery und nerdiger Spießigkeit gern über die immer etwas schiefe Schulter.
Die schon bestellte zweite Staffel täte gut daran, mindestens die Hälfte der Figuren sterben zu lassen – und die andere etwas gewitzter zu beschäftigen. Und wozu das Feengeweih eigentlich taugt, müsste man beizeiten auch mal erklären.
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