Interview Die Nachrichtensendung „Logo!“ berichtet für Acht- bis Zwölfjährige – auch über Russlands Angriff auf die Ukraine. Wie, das erklärt Moderator Tim Schreder
Es herrscht Krieg nicht weit weg von Deutschland. Man fragt sich, was sollten Kinder darüber wissen und was nicht? Bei Logo! wird diese Frage täglich diskutiert. Nachrichtenmoderator Tim Schreder sagt, Kinder „haben ein Recht auf Information, um sich ein eigenes Bild machen zu können“.
der Freitag: Herr Schreder, wie erklärt man Kindern im Alter zwischen acht und zwölf den Krieg, sollte man überhaupt?
Tim Schreder: Wir haben bei logo! über die Jahre hinweg ein paar Grundsätze entwickelt. Das Allerwichtigste ist es, Dinge nicht zu verschweigen. Wenn ein Thema, wie zum Beispiel jetzt der Krieg in der Ukraine, überall vorkommt, ist es besser, darüber zu berichten, natürlich auch zu Hause darüber zu sprechen, anstatt so zu t
esser, darüber zu berichten, natürlich auch zu Hause darüber zu sprechen, anstatt so zu tun, als gäbe es das alles nicht. Heute bekommen auch Jüngere schon sehr viel mit. Darum ist es besser, man thematisiert etwas, als die Kinder sich selbst zu überlassen. Außerdem achten wir darauf, keine brutalen Bilder zu zeigen. Auch bei Erwachsenennachrichten können Bilder verstörend wirken, das Kopfkino anwerfen und ängstigen, bei Kindern gilt das umso mehr. Um Hintergründe zu verstehen, muss nicht jedes Detail gezeigt werden.Wo zieht man die Grenzen?Wir fragen oft betroffene Kinder, wie es ihnen geht. Wenn ein Kind zum Beispiel in einem Interview sagt, dass es Angst um Mama oder Papa hat, würden wir einen solchen O-Ton nicht unbedingt verwenden, weil zuschauende Kinder so etwas schnell auf sich selbst beziehen und große Angst bekommen können.Wie ist es bei einem besonders heiklen Thema, wie zum Beispiel Atomwaffen?Das ist nicht einfach. Seit Wladimir Putin das Thema Atomwaffen auf den Tisch gebracht hat, steht dieses Wort im Raum und löst ja bei Menschen aller Altersstufen Angst aus. Erwachsene können das relativieren, Kinder jedoch nicht unbedingt. Darum würden wir solche theoretischen Worst-Case-Szenarien im Zweifelsfall erst mal weglassen und lieber bei dem bleiben, was ist, was im Augenblick tatsächlich passiert. Diese Diskussionen darum, was wir erzählen dürfen und wollen, führen wir aber gerade jeden Tag, die Grenzen sind nicht scharf zu ziehen, und wir müssen jeden Tag neu abwägen.Und wenn die Diskussion um Atomwaffen lauter würde?Wir machen regelmäßig Schulbesuche und Straßenumfragen, in denen wir aktuelle Themen und den Wissensstand von Kindern abfragen, dazu gibt es unsere Social-Media-Kanäle, die E-Mails und Briefe sowie die Erfahrungen unserer Redaktion, in der viele Kinder haben. Die Zielgruppe ist dabei ziemlich heterogen – die Achtjährigen sind meist noch wenig auf dem Smartphone unterwegs, die Zwölfjährigen dagegen häufig, die wissen schon viel mehr. Wir schauen uns aber auch genau an, woher die Informationen stammen, die Kinder aufnehmen, wem sie folgen, was sie lesen. Wenn wir merken, dass das Thema Kinder bewegt, dann kommen wir nicht mehr drum herum. Deshalb erklären wir heute nun doch Atomwaffen.Placeholder infobox-1Mit Wladimir Putin verhält sich ein Staatsoberhaupt falsch – besteht da die Gefahr, dass Kinder generell Vertrauen in Vorbilder oder Führungskräfte verlieren?Das ist ja nicht neu, dass mächtige Menschen Dinge tun, die nicht in Ordnung sind. Kinder gehen also nicht mehr unbedingt davon aus, dass jedes Staatsoberhaupt nur Gutes tut. Man muss aber die Unterschiede erklären, und wir vermeiden dabei Begriffe wie „gut“ oder „böse“. Es geht um einen klaren Konflikt, einen Krieg. Die Hintergründe kann man Kindern begreiflich machen, es leuchtet ihnen ein, dass es nicht in Ordnung ist, ein Land anzugreifen. Kinder haben einen starken Sinn für Gerechtigkeit.Woher bekommen Sie so schnell Protagonist:innen, wie jetzt in den letzten Sendungen die Kinder mit ukrainischen Wurzeln?Wir gehören zur Nachrichtenfamilie des ZDF, haben also Zugriff auf sämtliche Agenturen, dazu gibt es einen Austausch der Kindernachrichtensendungen in Europa, und wir haben das Glück, auf das große Korrespondentennetzwerk des ZDF zurückgreifen zu können. Die machen alle auch für uns Beiträge, die meisten übrigens sehr gern. Viel produzieren wir selbst – in dieser Woche ist einer unserer Reporter zur polnisch-ukrainischen Grenze gefahren, er wird dort mehrere Tage lang Geschichten suchen und Beiträge drehen.Werden Sie durch diese Arbeit in eine Erziehungsrolle gedrängt, zum Beispiel, wenn das Elternhaus gar nichts erklären kann oder möchte?Unsere Aufgabe ist die Aufklärung, nicht die Erziehung. Kinder haben ein Recht auf Informationen, um sich ein eigenes Bild machen zu können. Gerade bei schwierigen Themen fordern wir bei Logo! die Kinder darüber hinaus immer auf, auch mit ihren Eltern oder Lehrern darüber zu sprechen. Die Kombination ist wichtig. Vor Jahren, nach einem Unglück, über das wir berichtet hatten, hat uns eine betroffene Familie später erzählt, dass sie nach dem Unglück regelmäßig logo! geguckt haben und dass das ihnen sehr geholfen habe: Sie fanden in der Sendung damit eine neutrale Erklärung, die nicht so emotional belastet war.Wie ist es bei einem Thema wie sexueller Missbrauch?Das ist extrem sensibel, da können ja auch Kinder vor dem Fernseher sitzen, die betroffen sind, denen das bis zu dem Zeitpunkt vielleicht noch gar nicht bewusst war. Im Zweifelsfall halten wir Rücksprache mit Kinderpsychologen und Therapeutinnen. Es gehört aber auch dazu, dass Eltern mitentscheiden, wie viel und was Kinder gucken. Wie viel Kriegsberichterstattung angemessen ist, das liegt unterm Strich in der Verantwortung der Eltern. Dazu dient bei logo! die Themenvorschau – so können mitschauende Eltern entscheiden, was zumutbar ist.Schauen denn viele Eltern mit?Die Hälfte der Zuschauer:innen sind Eltern! Viele schauen in der Mediathek, die Acht- bis Zwölfjährigen schauen es oft noch nicht allein. Auch in Schulen wird logo! geguckt.Bei Missbrauch oder Gewalt nehmen Sie wahrscheinlich auch eine Bewertung vor, oder?Bei allen Themen, in denen Kinder Opfer von etwas sein könnten, auch Mobbing zum Beispiel, ermutigen wir Kinder. Wir bieten Hilfe an, geben Tipps, was man tun kann. Ansonsten sind wir eine neutrale, möglichst objektive Nachrichtensendung, aber natürlich sehen wir uns bei Kinderrechten als Anwälte der Kinder.Ist es leicht, Politiker:innen zu einem Interview zu überreden?Die müssen das ja machen, wir sind eine Kindernachrichtensendung, das ist den Politiker:innen schon bewusst. Aber es fällt manchen leichter als anderen, bei Expert:innen ist das genauso: Einige können sich leicht auf eine einfachere Erklärungsebene bewegen, andere nicht. Manchen macht das Spaß, andere sehen das einfach nur als Wahlkampftermin.Kann man denn mit „logo!“ Wahlkampf machen?Bei den Interviews mit Kinderreporter:innen versuchen die Befragten natürlich immer, auch den Familien und Kindern zu gefallen. Erwachsene schauen diese Interviews übrigens sehr gern, weil man Politiker:innen so noch mal von einer ganz anderen Seite kennenlernt.
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