„Star Trek: Picard“ Und wie heißen Sie, Sir?

Serien Unserer Kolumnistin wachsen die Aliens und Menschen von „Star Trek: Picard“ ans Herz. Spoiler-Anteil: 21%
Ausgabe 09/2020
Der Neue ist der Alte: Patrick Stewart als Jean-Luc Picard
Der Neue ist der Alte: Patrick Stewart als Jean-Luc Picard

Foto: Amazon Prime

Ich habe einen Termin mit der Befehlsleitung“, sagt der alte, kahle Mann zum jungen Rezeptionisten im Hauptquartier der Sternenflotte. „Natürlich, Sir“, antwortet der. Und nach einer kurzen Pause, in der der Alte ihn erwartungsvoll anschaut: „Wie heißen Sie bitte, Sir?“

Autsch! Da hat jemand tatsächlich Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) nicht erkannt, den berühmten Raumschiffkapitän, der nach dem Zwischenspiel etwas säuerlich mit einem „Visitor“-Button von dannen stapft. Picard, der Anti-Macho und Gourmand, der Kriegsgegner und Literaturfan. Der Moralist und Philanthrop, der geistiger Ziehvater von Kapitänin Carola Rackete hätte sein können. Und dessen Nächstenliebe sogar über die menschliche Rasse hinausgeht:

Picard, das neueste Spin-Off von Gene Roddenberrys Raumschiff Enterprise-Nachfolgeserie The Next Generation, startet mit der Prämisse, dass der damals auf dem Höhepunkt seiner Karriere stehende Admiral vierzehn Jahre zuvor im Streit aus der Sternenflotte ausgeschieden ist, weil sie seine Bemühungen, Millionen von feindlichen Romulanern vor einer drohenden Supernova zu retten, nicht unterstützte. Es ging um Flüchtlinge, um Fremdenhass und Ignoranz, um die Freundschaft zu dem damals umgekommenen Androiden Data – eben typische Picard-Themen. Und ebenso typisch für die Serie und ihre Franchises, die sich von jeher durch einen ungewöhnlich pazifistischen Ansatz von ähnlichen Erzählungen unterschieden. (Wobei Captain Kirk aus der Ursprungsserie ja sehr gern kämpfte, am liebsten mit seinen ehrenhaften Fäusten).

In Picard, die das Abenteuer horizontal über die gesamte Staffel anstatt in einer abgeschlossenen Fallstruktur erzählt, lebt der Namensgeber Jahre nach der missglückten Rettungsaktion als Winzer mit Hund (Number One), Hut und romulanischen Haushaltshilfen auf einem malerischen Weinberg. Und wenn nicht ab und an per Riesendrohnen die – garantiert schadstoffarmen – Düngemittel verspritzt würden, sähe man der Serie ihren Futurismus zumindest in diesen Szenen kaum an. Doch im Verlauf der Story, die sich um eine nichts von ihrer Fabrikherkunft ahnenden Androidin namens Soji Asha (Isa Briones) dreht, geht es selbstredend irgendwann nach oben, zu den Sternen: „Energie!“ sagt Picard zum tätowierten Outlaw-Piloten Rios (Santiago Cabrera), als er sich endlich, nach drei Folgen, mit dessen nicht-registrierten Schiff aufmacht, um hinter Sojis Geheimnis zu kommen.

An seiner Seite fliegen die streitbare Sicherheitsoffizierin Raffi (Michelle Hurd), Weltraum-Rookie und Androiden-Expertin Dr. Jurati (Allison Pill) und ein junger romulanischer Kampfmönch (!) namens Elnor (Evan Evagora) mit. Dass sich die Serie also nach wie vor vorbildlich divers aufstellt, versteht sich von selbst: Spätestens seit Star Trek: Deep Space Nine und Star Trek: Voyager hatten die Roddenberry-Erben ihre Haltung zu Geschlechter-, Klassen- und Hautfarbenungerechtigkeiten stets deutlich gemacht.

Patrick Stewart, so wird kolportiert, habe sich nur unter der Bedingung für eine Fortführung seiner Rolle ausgesprochen, dass das Spin-Off ernst gemeint sein würde, das heißt kein Sprücheklopfen vor dem Phasergeballer, keine Pranks auf dem Schiff, und „only the best of intentions“. Die vier Schöpfer haben diese Bedingung erfüllt, eventuell sogar zu gut: Zuweilen könnte die solide, zielgruppengerecht bedächtig erzählte Geschichte mehr Subtilität vertragen – selbst wenn das avisierte Publikum in den 1990ern, gar in den 60ern jung war, hat es doch bestimmt inzwischen seine Sehgewohnheiten verändert und käme auch bei einem schnelleren Tempo mit weniger albernem „Technobabble“ mit. Und mit weniger aufdringlicher Scoremusik erst recht.

Aber die menschlichen und Alien-Figuren wachsen einem ans Herz mit ihren Dramen: Die nichtsahnende Roboter-Frau Soji stellt in einem verlassenen Borg-Kubus anthropologische Forschungen an; ihr Liebhaber könnte zu einer romulanischen Terrorgruppe gehören; und bei der guten alten Sternenflotte ist auch etwas faul.

Ein Teelöffelchen Humor haben die Macher immerhin hier und da doch versteckt: „Ich habe mich nie sehr für Science Fiction interessiert“, sagt Picard zu einer Besucherin, die Isaac Asimov liest, „ich hab sie wohl einfach nicht verstanden“. So etwas aus dem Mund des Mannes, dessen bester Freund ein gelbäugiger Android war – das ist doch lustig.

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