Das Böse hat viele Gesichter. Zum Beispiel das der Baroness von Hellman (Emma Thompson), eines mit elegant-aristokratischen Zügen und schwarz umrandeten „Cat Eyes“, in denen Psychopathie und Narzissmus glimmen. Oder das von Estella (Emma Stone), ein schmales, großäugiges Antlitz, eigentlich das eines unschuldigen Mädchens, dessen dunkle Seite nur durch die Umstände ans Tageslicht kommt.
Die Umstände sind aber auch wahrhaft schaurig: Estella, die als Kind trotz einer anarchistischen Lebenseinstellung auf die Loyalität ihrer Mutter (Emily Beecham) setzen konnte, musste mit ansehen, wie die geliebte Mama zu Tode stürzte – gestürzt wurde, wie sich herausstellt. Die kaltherzige Baroness, deren Modelabel die Fashionszene im London der 1970er Jahre dominiert, war – vermutlich – nicht ganz unschuldig an der Geschichte.
Es ist ausgerechnet nämliche Baroness, für die die begabte Jung-Designerin Estella zu arbeiten beginnt und deren Ruf als Fashionqueen sie zu festigen hilft. Und die Estellas böse zweite Seite weckt: Unter dem Namen „Cruella de Vil“, mit dem schwarz-weißen Schopf als grausam-teuflischem („cruel“, „devil“) Markenzeichen beginnt sie, der Baroness die Show zunächst streitig zu machen, um sie ihr später nachhaltig zu stehlen …
Cruella, von Disney mit viel Bohei als Punk-Mode-Konglomerat angekündigt, ist ein Prequel: Die Figur der herrischen Modenärrin, deren größter Wunsch es ist, einen schwarz-weißen Mantel aus dem Fell putziger Dalmatinerwelpen zu besitzen, stammt aus dem 1956 erschienenen Roman Hundertundein Dalmatiner von Dodie Smith, der 1961 zu einem Zeichentrickfilm, 1996 zum erfolgreichen und textil äußerst überzeugenden Realfilm mit Glenn Close in der Hauptrolle adaptiert wurde.
Viel Geld für viel Musik
Der Regisseur Craig Gillespie, der sich 2017 mit I, Tonya schon einmal der Erforschung einer Frauenfeindschaft widmete, hat die Vorgeschichte der herzlosen Cruella jedoch ganz im Disney’schen Familiensinn inszeniert: Die tatsächlichen Abgründe der Bösartigkeit seiner Protagonistinnen untersucht er ebenso wenig wie die gesellschaftlichen Spannungen, die irgendwo hinter dem Kampf der (alt)modischen Altdesignerin mit ihren 50er-Jahre-Bleistiftkleidern gegen die junge, freche Punkerbraut mit ihren trendig zerrissenen Klamotten lauern und einiges zum Generationen-Gap und zur Punk-Zeitenwende zu sagen hätten. Stattdessen macht Gillespie den Mix aus stylischer Nummernrevue und Klamauk, bei dem die Musikrechte für den unter anderem mit Rolling-Stones-, Doors-, Nancy-Sinatra-, Supertramp- und Tina-Turner-Songs angereicherten Soundtrack allein einen Großteil der angeblich 200 Millionen Dollar Produktionsbudget verschlungen haben werden, zu einer ärgerlichen Weder-Fisch-noch-Fleisch-Erfahrung.
Denn Cruella ist kein echter Kinderfilm – dazu ist die Handlung zu langatmig, ist die Protagonistin zu unsympathisch, sind ihre Motive zu erwachsen. Einige schöne, visuelle Zitate legendärer Designs von Dior oder Chanel werden kindliche Zuschauer:innen darüber hinaus ebenso wenig goutieren wie die Anspielung auf den jungen Karl Lagerfeld durch das Outfit von Baroness-Assistent Jeffrey (Andrew Leung). Oder das nach Elsa Peretti aussehende Armband der Baroness, deren absolut großartige Kleider (wie die des gesamten Films) von der oscarprämierten Mad-Max-Kostümdesignerin Jenny Beavan stammen.
Auf der anderen Seite ist der Plot mit dem Racheengel Cruella und ihren leicht tumben, aber loyalen Vollstreckungsgehilfen Jasper (Joel Fry) und Horace (Paul Walter Hauser) zu schlicht, sind die Gags zu brav und die Actionszenen zu Comic-haft, um Erwachsene bei der Stange zu halten. Selbst bei dem stolz als „erster offen schwuler Charakter“ (im Disney-Universum) angekündigten, stilistisch an einen 70er-Jahre-Bowie erinnernden Secondhandladen-Besitzer Artie (John McCrea) wird eine mögliche Homosexualität allein durch klischiert tuntiges Verhalten behauptet. Ansonsten fügt er weder der Geschichte noch einem LGBTQ-Statement etwas hinzu. Trotz beeindruckender Opulenz auf der Bildebene herrscht enttäuschende Vorsicht: Nicht mal ein (handlungstreibender!) Hundehaufen wird gezeigt. Als ob man dem Disney-Publikum eher eine verwaiste Protagonistin und gleich mehrere Mordversuche zumutet als den Anblick von Hundekacke.
Cruella bleibt, und das ist schade, ebenso oberflächlich wie die Vorurteile, die man zuweilen über Mode hört. Thompsons verwegene Interpretation der Baroness orientiert sich zwar an der Antagonistin aus Der Teufel trägt Prada, die auf der Vogue-Chefin Anna Wintour fußt – mit dem glatzköpfigen John (Mark Strong) hat sie sogar das Pendant des im Prada-Film von Stanley Tucci gespielten loyalen Untergebenen an ihrer Seite. Im Gegensatz zu Cruella hatte dieser Film jedoch eine echte Aussage: Mode ist kulturelle Kommunikation, ist eine Sprache, die über wunderschöne Kleider hinausgeht. Und deren Beherrschung keine Pflicht, aber ein Vergnügen ist.
Die beste vestimentäre Idee in dem Werk von Gillespie, Dana Fox und Tony McNamara ist ein schulterfreies Abendkleid, das Estella/Cruella für ihre Arbeitgeberin mit goldglänzenden Perlen bestickt. Diese „Perlen“ entpuppen sich (im wahrsten Wortsinn) als Kokons. Rache ist in diesem Fall nicht süß, sondern flattert.
Info
Cruella Craig Gillespie USA/GB 2021, 134 Minuten, Disney+
Kommentare 4
Was erwarten eigentlich Kritik schreibende Menschen in Zeitungen von Kinofilmen?
Also; Warum besprecht ihr ausgerechnet diese Filme, wenn es doch noch unzählige andere gibt, die es lohnt, dass man sie bespricht?
Zwei Beispiele: Moxie und I care a lot.
Und dieser Film Cruella passt sehr gut zur TV Animationsserie für Kinder, 101 Dalmatiner auf dem Disney Kinder TV.
Drehen Sie mal selber einen Film, eine Idee auf und für bewegte Bilder und telefonieren Sie mit Produzenten und anderen Menschen, die mit daran beteiligt werden und müssen und schon erfährt ihre Idee eine Art von Vergewaltigung, so das Sie am end gar nichts machen wollen.
Das ist wie mit dem Klimawandel.
Vergewaltigte Ideen
1000 Bedrohungen die wir tagtäglich begehen und nur 2 davon, die wirklich auch geschehen.
Vergesst all dies an ausgedachten, da wir ja nur auf bestehendes achten.
Die Zukunft an abscheulichen Taten besteht darin, wie unsere vergewaltigten Ideen im jetzt vergehen und wir diese neue verbrannte Erde mental überstehen.
All diese brennenden Häuser auf unserer Weltanschauung, weil die jetzigen Wünsche diese intensive Macht erlauben, erlaubt dies auch ein neues physikalisches Herz-Ich-verstehen und dabei die kalte Hand des Todes als Geist Gespenst, uns alle über das Microbiom befällt, da hier ein sterben von Verträglichkeit zur neu geformter Umwelt über uns alle herfällt.
1000 Bakterien in uns, die täglich absterben und nur 2 davon als Immunsystem überstehen.
Die Stunde der Geister in uns, sagt es bereits. Wir sterben nicht an äußeren Erscheinungen, sondern an dem was in uns leider fehlen wird.
Diese Armut, wird durch unseren Dienst festhaltend an Wünsche, mit der Absicht, alles an Ideen zu vergewaltigen, damit Sie nicht geschehen können, als innere Haltung in uns, für Erfolge und Absichten nicht vergehen.
Ja, Licht erscheinendes ist mächtiger, wie das was in der Finsternis passiert und so unsere Herzen verkrampft nach sauberen Blut den Verstand auffordern, doch endlich mal den eigenen Kopf, dass immer gewohnte darin abzuschlagen, weil ja die unsterbliche Unfehlbarkeit in uns, dass neu zu werbende Programm sei.
Und schon haben wir 1000 neue Ideen, bei denen nur 2 im alltäglichen Trott bestehen.
Wie auch im schizophrenen zu einer Hyde-Jekyll*innen Einheit verschmolzen, sich dies als Sonnengottkarma - Du Hure 187, ein greifen nach dem statt findet, was über die eisige Hand der Todes an Gier in uns, zum Ideen aufbersten abverlangt wird.
Selbst die Alte neu gemischte Musik hat nicht mehr den Geist von damals und diese Institution erlaubt auch, dass wir ein geraubtes geklautes kopieren von einer Kopie mit anderen Kopien vermischen und Ideen in innewohnenden schizophrenen Erfolgsaussichten unverstanden verstauben.
Das ist die Zukunft und auch das weiterführende Ende einer finsteren Liebe um diese neu entstandenen inneren Triebe, all zeitlich beschützen zu können.
Da lacht die eisige Hand des Todes, denn jedes Herz wird dadurch seiner Wärme beraubt.
1000 Wege dir wir bis zum eigenen Tod gehen und auch nur 2 davon erbringen wirklichen Erfolg.
Bis, ja bis das was wir nicht beachtet als Bedrohung, nun plötzlich vor uns steht und uns töten wird.
So gesehen, ist der Film super gut.
Schade, dass viele Szenen absurd übertrieben sind und wie aus anderen Film entlehnt wirken, und der Heldin "Cruella" nicht Chance gegeben wird, wirklich böse zu sein, sondern sie verurteilt ist ein weichgespülter Disney-Mischmasch zu bleiben, also oberflächlich nonkonformistisch aber einwandfrei gut. Soviel vertane Möglichkeiten...
Emma Stone ist zwar eine tolle Schauspielerin aber bei dem Drehbuch hilft das auch nicht viel.
Bei dem Film stellte sich das Problem dass man eine Antagonistin an der es in der Vorlage überhaupt nichts Positives gibt...(näht sich aus Welpen einen Mantel etc.)....nun á la Disney irgend einen "nachvollziehbaren Grund" für dieses Verhalten braucht...
nur abgrundtief "böse" geht ja heutzutage nicht mehr bei Disney.
Hier ist die Figur jetzt also die Anti-Heldin...(?!)
also konstuiert man einen Hass auf Dalmatiner, weil diese Hunde am (SPOILER) Tod der Mutter schuld sind ? wtf! so ein Schwachsinn.
Als ob nicht der/die Hundehalter/in verantworlich ist. Disneys antagonisten sind oft Flach und ihr Verhalten schlecht begründet...das ist aber bei Kinderfilmen oft so und reicht dieser Zielgruppe auch.
Jetzt im Nachhinein beim X-ten "Real Life-Remake" so was zu machen wirkt doch arg zwanghaft, vor allem wenn es wieder mal komplett unglaubwürdig ist. Disney halt.
Und überhaupt. Wer hat eingentlich Lust sich diese ganzen Remakes/Reboots anzuschauen ? Und dann auch noch Geld dafür zu bezahlen ?
Die Orginale waren bisher IMMER besser. StarWars/Mulan/Cruela usw....das Neue war mMn alles Mist und das Geld nicht wert.
Gibt es überhaupt noch kreative Ideen in diesem Multi-Milliarden Dollar Konzern ?