Nur Lilly liebt Problemfälle

Medientagebuch Mutanten, Vampire, Landwale: Die Einwanderer in der Animationsserie "Ugly Americans" haben recht fantasievolle Migrationshintergründe, ihre Probleme sind allerdings real

Mark Lilly ist ein idealistischer verantwortungsbewusster, ewig freundlicher Sozial­arbeiter in Manhattan. In der ersten Folge der Comic-Serie Ugly Americans tritt er seinen Job in der New Yorker Integrationsbehörde an.

Obwohl menschliche Klienten, die auf die Anerkennung der amerikanischen Staatsbürgerschaft hoffen, zwischen supernatürlichen, außer­irdischen, robotischen, lebendigen und toten Kreaturen dieser Serie in der Minderheit sind, ist das vorherrschende Prinzip der Sozialarbeit vertraut: Es gibt vor, Hilfsbedürftigen Gutes zu tun, ist aber letztlich dazu verdammt, der Gesellschaft die Probleme vom Hals zu halten. Wohl oder übel zwingt Mark Lilly Mutanten, Vampire, Werwölfe und Landwale auf sozialtherapeutische Weise, ihre monströsen Vorlieben und ­Extravaganzen in den Griff zu bekommen, und bereit sie auf einen Job im Niedriglohnsektor vor.

Solch ein Amerika ist der Albtraum der „Apocalypse-soon-School“. Samuel Huntington verunglimpfte mit dieser Formulierung solange diejenigen, die die Ursache für den Niedergang der USA und der traditionellen Gemeinschaft in der Einwanderung suchen, bis er selbst zu ihnen gehörte. In Ugly Americans ist der wahre Pfad des protestantisch-angelsächsischen Amerikas zu einer Legende verkommen, die nur noch selten erzählt wird. Die Angst vor „Überfremdung“ durch das radikal Andere ist endgültig eine Farce, weil sich ohnehin niemand mehr einbildet, zwischen Devianz und Norm unterscheiden zu können.

Obamas Migrationspolitik

Trotzdem hat sich die dämonische Leitung der Integrationsbehörde in den Kopf gesetzt, den illegalen Einwanderern den Garaus zu machen und kürzt das Sozialhilfebudget zugunsten des hauseigenen polizeilichen Schlägertrupps auf ein Minimum. Man assoziiert dieses Vorgehen mit der Realität der Bush-Ära – als nach 9/11 US-Einwanderungsbehörden neu organisiert und Einwanderer kurzerhand zur Terrorgefahr stilisiert wurden. Ohne viel Aufhebens ist es allerdings der Obama-Administration gelungen, die Anzahl der ausgewiesenen illegalen Migrantinnen um zehn Prozent gegenüber der Bush-Regierung zu steigern. (Im Jahr 2009 lag der Rekord noch knapp unter 400.000, die Zahlen für 2010 werden wohl ähnlich hoch ausfallen). Der einzige eklatante Unterschied ist, dass Kritiker einer restriktiven Migrationspolitik derzeit weniger gehört werden.

In Ugly Americans ist Mark Lilly der einzige, der sich für die Probleme der Illegalen interessiert. Er verkörpert die semantische Emphase universeller Bürgerrechte, muss aber trotz aufrichtiger Bemühungen die Erfahrung machen, auch nur Schaltstelle eines im doppelten Sinne unmenschlichen bürokratischen Apparats zu sein. Der ehemalige Simpsons-Autor David Stern ist selbst Sohn eines Sozialarbeiters; mit Ugly Americans ist ihm in Bezug auf das Migrationsregime eine scharfe Satire gelungen. Einwenden könnte man daran lediglich, dass die Serie dem Berufsstand mit solch großer Sympathie verbunden ist, dass sie ihn selbst nicht zum Ziel ihrer satirischen Angriffe macht.

Comedy Central knüpft mit Ugly Americans an Formate wie South Park an. In den USA läuft aktuell die zweite Staffel, die erste wurde von zwei Millionen Zuschauern verfolgt. Dass Zombies und Monster aus Horrorfiktionen und weitläufigeren Mythologien hier auftauchen, sorgt nebenbei dafür, dass die Animation nicht nur von Sozialarbeitern geschätzt wird.

Ugly Americans läuft ab 4. März freitags um 21.10 Uhr auf Comedy Central.

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