„What's Love Got to Do with It?“ Tina Turners Nummer-Eins-Hit aus dem Jahr 1984 war das erste Lied, das im Livestream vor dem Sonderparteitag der SPD Mecklenburg-Vorpommern am 13. November gespielt wurde. Es ist thematisch ziemlich passend: Was hat Liebe mit einer Koalition zu tun? Nicht viel. Es geht vielmehr um eine Vernunftehe und um Realpolitik. Für die gestärkte SPD ist die Koalition mit der Linkspartei die Gelegenheit, die CDU als schwierigen Koalitionspartner loszuwerden. Die Linke kommt da wie gerufen: in Land und Bund angeschlagen, steht sie vor existentiellen Fragen und Umbrüchen. In Mecklenburg-Vorpommern geht sie mit dem klaren Anspruch in die Regierung, sich als Problemlöserin zu zeigen. Das machte Simone Oldenburg auf dem Sonderparteitag der Linken deutlich, der zeitgleich zu dem der SPD stattfand.
Sie plädierte für einen „Aufbruch“ für Mecklenburg-Vorpommern und die Partei. Die Linke sei Vorkämpferin der Ostdeutschen und die Regierungsbeteiligung eine „einmalige Chance, dieses Land mit unseren Ideen lebens- und liebenswert zu machen“.
Große Pläne – viele Baustellen
In einigen Punkten bestätigt der Koalitionsvertrag unter dem inoffiziellen Motto „Aufbruch 2030“ diesen Anspruch. Der Versuch, den sozialen Ausgleich zu schaffen, ist erkennbar. So soll zum Beispiel die kostenfreie Kita beibehalten werden, kostengünstige Mobilität durch das Azubi- und Seniorenticket für 365 Euro im Jahr gestärkt werden. Die Vergabe öffentlicher Aufträge geht zukünftig nur an Unternehmen, die nach Tarif bezahlen oder den geltenden Mindestlohn. Durch das Prinzip „Leistungen vor Ort“ wird zudem auf mehr Umweltverträglichkeit geachtet.
Mit der Landesverwaltung will man bei zwei Kernthemen mit gutem Beispiel vorangehen. Bis 2030 soll diese nicht nur CO2-neutral arbeiten, sondern auch eine der modernsten öffentlichen Dienstleister in der Bundesrepublik werden: „noch digitaler, noch offener und kreativer“, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Das klingt schön – und hat doch einen Haken: Die Umsetzung der Digitalisierung stockt seit Jahren wegen der fehlenden digitalen Infrastruktur, sowohl bei der Hard- als auch bei der Software. Die zukünftige Landesregierung will den Mitarbeiterstand laut Koalitionsvertrag halten, die Umsetzung der Pläne im Bereich Digitalisierung braucht aber mehr Personal. Der Umstieg von Papier auf E-Akte und ein digitaler Verwaltungsablauf, setzen manuelle Datenerfassung und einen Stamm an IT Experten voraus, die diese in anwendbare Programme umsetzen.
Auch bei der Klimapolitik plant die Koalition in der Verwaltung voranzugehen. Dafür sollen Rechenzentren, mit ihrem hohen Energiebedarf, in der Nähe von Erneuerbaren Energiequellen angesiedelt werden. Rot-rot setzt dabei auf den Ausbau von Solar- und Windenergie. Wie der ablaufen soll, bleibt jedoch offen. Im Koalitionsvertrag gibt es weder Flächenangaben noch Fördersummen. Ein Problem, das sich wie ein roter Faden durchzieht.
Neben Klimawandel und Digitalisierung ist der demografische Wandel eine der größten Baustellen der rot-roten Landesregierung. Bis 2030 werden ca. 14.000 der insgesamt 38.000 Landesbeschäftigten altersbedingt aufhören. Zeitgleich schrumpft die zahl potentieller Arbeitskräfte in Mecklenburg-Vorpommern bis 2030 um jährlich 12.000 Personen. Die Situation in der freien Wirtschaft sieht kaum besser aus. Laut aktuellen Prognosen wird Mecklenburg Vorpommern 2040 10 Prozent weniger Einwohner*innen haben, während das Durchschnittsalter der Landesbevölkerung weiter steigt. Alleine zwischen 1991 und 2018 hat sich der Anteil der über 65-Jährigen Einwohner*innen auf 24,7 Prozent erhöht. An der Frage, ob überhaupt genug Fachkräfte für die wichtigen Branchen zur Verfügung stehen, wird sich die Effektivität der Klimapolitik entscheiden.
Die Antwort der Landesregierung beim Fachkräftemangel ist die schnelle und praxisnahe Ausbildung von Fachkräften durch ein Duales Studium. Gleichzeitig setzt sie auf verstärkte Einwanderung und Investitionen in Aus- und Weiterbildung von Migrant*innen. Angesichts der aktuellen Bilder an der polnisch-belarussischen Grenze und Meldungen wie „EU erwägt, Mauerbau zu bezahlen“ scheinen dies jedoch eher fromme Wünsche zu bleiben.
Mit der Schuldenbremse in die Transformation?
All diese Vorhaben der rot-roten Landesregierung werden ohnehin durch die Schuldenbremse erschwert. Denn um all die Vereinbarungen umzusetzen braucht es Geld. Im Koalitionsvertrag heißt es aber bereits unter dem ersten Absatz: „Basis für unsere Zukunftspolitik ist eine solide Finanzpolitik. […] Künftige Haushalte werden vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Regelung zu Schuldenbremse ohne Nettokreditaufnahme beschlossen und es wird weiterhin in die zentralen Zukunftsbereiche investiert.“
Laut aktuellen Studien bedarf es einer großen öffentliche Investitionsoffensive von jährlich mindestens 45 Milliarden Euro bundesweit in den nächsten zehn Jahren. Nur so ließe sich die wirtschaftliche Transformation angesichts von Klimawandel und Digitalisierung erfolgreich gestalten.
Bisher ist die Schuldenbremse in den Ländern pandemiebedingt bis 2023 ausgesetzt. Notwendige Staatsausgaben können dann wieder stark beschränkt werden, wenn sie wegen fehlender Mittel kreditfinanziert sein müssen. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse erlaubt dem Bund bei normaler Wirtschaftslage, neue Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufzunehmen. Den Bundesländern ist eine Kreditaufnahme sogar komplett verboten.
Zwar werden steigende Steuereinnahmen bis 2025 auch für die Länder erwartet, aber wie viel davon in Mecklenburg-Vorpommern ankommt und dann tatsächlich investiert werden kann, ist ungewiss. Klima und Digitalisierung aber können nicht warten. Und nur, wer die Transformation jetzt über Kredite finanziert, kann sie auch schaffen.
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