Der Robert ist voll im Stress

Langzeitbeobachtung Malte Blockhaus folgt Grünen-Habeck, wo immer er hingeht
Ausgabe 36/2018

Eine Dokumentation über einen Politiker, mittlerweile Bundesvorsitzender einer deutschen Oppositionspartei? Man erwartet wohlüberlegte Aufnahmen von Parteisitzungen, Reflexionen über politische Inhalte, Interviews mit Parteigenossen und Bekannten, im schlimmsten Fall vielleicht sogar eine Art Werbefilm, quasi Kino-Wahlkampf. Diese Erwartungen unterminiert Malte Blockhaus in seinem Debüt Following Habeck über den Grünen-Politiker Robert Habeck allerdings. Der Titel des Films ist dabei wörtlich zu nehmen: Mit der Handkamera folgt der Regisseur dem Politiker buchstäblich auf Schritt und Tritt durch dessen Arbeitsalltag; das Privatleben bleibt außen vor.

Die Bilder sind verwackelt, nach Aufnahmen im Regen wird kurzerhand die Linse abgewischt, es knarzt zwischendurch auf der Tonspur. Und im Fokus ist Habeck, und nur Habeck. Blockhaus vermittelt mit seiner filmischen Form, die auch dem dünnen Budget geschuldet ist, ein Gefühl von Authentizität im Geiste des „Direct Cinema“. Waren die Dokumentarfilmer dieser Strömung jedoch rein beobachtende Feldforscher, ist Blockhaus in Following Habeck immer wieder präsent. „Willst du was wissen?“, wird der Filmemacher etwa von dem angespannten Politiker gefragt, kurz bevor dieser vom Landesparteitag das Votum für seine Kandidatur als Spitzenkandidat der Grünen erhält.

Über zwei Jahre hinweg, von 2015 bis 2017, hat Blockhaus den damals noch politischen Underdog punktuell begleitet. Die Idee zur Langzeitbeobachtung kam dem Filmemacher nach seiner Diplomarbeit, für die er Habeck während seiner Anfänge als Umweltminister und stellvertretender Ministerpräsident von Schleswig-Holstein bereits filmte. Following Habeck ist dramaturgisch zugespitzt auf jene Urwahl der Grünen, die über Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2017 entscheidet. Gleich einem Countdown nähert sich der Film dieser Wahl, die Habeck bekanntermaßen mit nur 75 Stimmen Unterschied gegen seinen Kollegen Cem Özdemir verlieren wird.

Der Film zeigt den Politiker bei seiner landespolitischen Tätigkeit und im Wahlkampf. Haltlosigkeit beschreibt Habecks Aggregatzustand treffend: Er ist permanent unterwegs zu Wahlkampfveranstaltungen und Sitzungen, zwischendurch bei Pressegesprächen und Fernsehinterviews. Einmal kommen sich beide Betätigungsfelder in die Quere, als der ohnehin schon Getriebene die Bundesdelegiertenkonferenz in Münster verlässt, weil in Schleswig-Holstein die Geflügelpest ausgebrochen ist.

Following Habeck liefert so einerseits einen frischen Blick hinter die Kulissen eines Politikeralltags, andererseits ist es fragwürdig, ob der Film seiner gewünschten Vermittlerfunktion wirklich gerecht wird. „Wenn ich was wollen würde, dann, dass Leute, die sich eigentlich nicht für Politik interessieren, Bock haben“, bringt Robert Habeck gegenüber der ARD-Moderatorin Caren Miosga das Anliegen auf den Punkt, das auch Regisseur Blockhaus am Herzen liegt. Aber kann ein Film Politikverdrossene abholen, der ausschließlich und unkritisch um seinen Protagonisten kreist, sich voll und ganz auf ihn als Menschen konzentriert und deshalb sogar bewusst dessen politische Ideen und Inhalte meidet, diese sogar mehrfach im Ansatz knallhart abschneidet? Sosehr man es dem Film gönnen würde, erscheint das dann doch nicht wirklich realistisch.

Und was bleibt am Ende? Die Erkenntnis, dass dieser bodenständig wirkende Mann aus Lübeck, dem man bei aller Unmittelbarkeit dennoch nicht so wirklich nahekommt, kaum Zeit zur Erholung hat. Und weiter, dass sich der ganze Stress für ihn persönlich scheinbar gelohnt hat, schließlich steht er aktuell neben Annalena Baerbock an der Parteispitze der Grünen.

Info

Following Habeck Malte Blockhaus Deutschland 2018, 75 Min.

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