Die Neugründung ist nur noch Formsache. Nachdem die Partei der Linksdemokraten (DS) und die christdemokratische Margherita/Democrazia e Libertà (DL) auf getrennten Kongressen in Florenz und Rom ihre Selbstauflösung beschlossen haben, werden sie sich im Oktober auf einer Konstituierenden Versammlung zur Demokratischen Partei zusammenschließen. Als die an Mitgliederzahl und Wählerstimmen gemessen größte italienische Partei dürfte sie danach die übrigen Gruppierungen der regierenden Mitte-Links-Allianz dominieren. Deren Symbol, der Olivenbaum, soll zugleich ihr Erkennungszeichen sein. Die Architekten des Projekts werden nicht müde zu betonen, es handele sich keineswegs um eine reine Fusion. Vielmehr sollten auch bisher parteilose Kräfte aus der "Zivilgesellschaft" gleichberechtigt daran teilhaben; so würde ein völlig "neues politisches Subjekt" entstehen.
Ähnliche Erwartungen begleiteten 1991 auch die Auflösung der Kommunistischen Partei, deren Mehrheit sich als Partei der Demokratischen Linken (PDS) konstituierte und später in Linksdemokraten (DS) umbenannte. Erfüllt wurden sie nicht: Man blieb weitgehend unter sich, und ein erheblicher Teil der alten Stammwählerschaft wandte sich Rifondazione Comunista (RC) zu, der Partei der kommunistischen Neugründung, von der sich dann 1998 die Comunisti Italiani (PdCI) abspalteten. Bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr ereichten die Linksdemokraten 17,5 Prozent, Margherita/DL 10,7 - während Berlusconis Forza Italia als stärkste Formation auf 24 Prozent kam (s. Übersicht).
Zu denen, die das Projekt mit Skepsis betrachten, gehört Fabio Mussi, Wortführer der linksdemokratischen Minderheitsströmung Correntone: Eine "Synthese von Christentum und Aufklärung" sei die neue Partei und damit "eine Sache des späten 18. Jahrhunderts". Mussis Sarkasmus kontern die Neugründer mit Pathos: DS-Sekretär Piero Fassino erklärte auf dem Kongress in Florenz die neue Partei kurzerhand zur "historischen Notwendigkeit"; auch in der von ihm eingebrachten Resolution wimmelt es nur so von "Historischem": historisch seien "Mission", "Übergang", "Neuanfang", "Herausforderungen" und so weiter. Was die "politische und moralische Führung" durch die neue Partei aus Fassinos Sicht dringend erforderlich macht, sind weniger die globalen Probleme des 21. Jahrhunderts als vielmehr die nationalen Interessen Italiens. Die "Identität einer modernen Nation" will er rekonstruieren, dem Land zu einer "neuen industriellen Revolution" und zu mehr Einfluss in der Welt verhelfen. In diesem letzten Punkt wird der ansonsten reichlich blumig formulierte Parteitagsbeschluss deutlich: Das patriotische Projekt soll nicht zuletzt mit militärischen Mitteln vorangetrieben werden - stolz verweist man auf die Beteiligung Italiens an den "Friedensmissionen" auf dem Balkan, in Afghanistan und im Libanon; einzig der von der Berlusconi-Regierung unterstützte Irak-Krieg wird erneut als Fehler bezeichnet.
In der Außen- und Militärpolitik gibt es zwischen den neuen Partnern keinerlei Differenzen, allen Unterschieden ihrer politischen Kulturen und Traditionen zum Trotz. Aber auch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik herrscht weitgehend Übereinstimmung; hier gilt das Credo der Neuen Mitte, wie es sich einst in Gerhard Schröders Diktum ausdrückte, es gebe keine linke und keine rechte, sondern nur moderne und nicht-moderne Wirtschaftspolitik. Dass die Linksdemokraten (und mancher Christdemokrat) vom Anschluss an die - nicht nur in Deutschland gescheiterte - Sozialdemokratie träumen, erscheint seltsam unzeitgemäß. Erfolge sind dennoch nicht ausgeschlossen; das italienische Wahlvolk steht Neuerungen durchaus aufgeschlossen gegenüber - man denke an Berlusconis Triumph 1994 oder auch den steilen Aufstieg der in den siebziger Jahren mit modernem Image und verjüngtem Führungspersonal angetretenen Sozialisten um Bettino Craxi.
Silvio Berlusconi, immer noch der unumstrittene Meister des politischen Marketings, beobachtet die Vorgänge im Lager des politischen Gegners denn auch mit größtem Interesse. Persönlich auf beiden Kongressen anwesend, signalisierte er Zustimmung zu 95 Prozent dessen, was er von der neuen Partei gehört und gelesen habe. Seine Ankündigung, vielleicht Mitglied werden zu wollen, war natürlich ein Scherz. Aber die Komplimente für dieselben Leute, die er vor kurzem noch als unbelehrbare Kommunisten geschmäht hat, sind wohl kalkuliert: Er setzt auf freundschaftliche Beziehungen, nicht zuletzt aus persönlichem Interesse. Zugleich erhofft er sich Auftrieb für sein Projekt einer Einheitspartei rechts der Mitte.
Die Stärkung des Bipolarismus durch zwei dominierende Großparteien bereitet den kleineren Gruppierungen natürlich Probleme, sie bietet aber auch Chancen, gerade auf der Linken. Die beiden kommunistischen Parteien pflegen wieder halbwegs freundschaftliche Beziehungen, aber auch die Grünen und die nun politisch heimatlos gewordenen Linksdemokraten sind für linke Bündnisse ansprechbar, auch bei Wahlen. Parteifusionen oder andere Formen der organisatorischen (Wieder-)Vereinigung stehen bis auf weiteres nicht ernsthaft zur Debatte.
Wahlen zum römischen Abgeordnetenhaus /
April 2006
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