Berlusconi III - die Rache

Italien Die Stärke der Rechten resultiert aus der Schwäche von Mitte-Links

Nach nur 618 Tagen war die italienische Mitte-Links-Regierung unter Romano Prodi am Ende. Ob schon im April Neuwahlen stattfinden oder erst noch eine Übergangsregierung das Wahlrecht reformieren soll, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Der Anführer des Rechtsblocks, Silvio Berlusconi, droht für den Fall, dass nicht zum frühestmöglichen Termin gewählt wird, mit dem Druck der Straße: Dann würden "Millionen" von Italienern nach Rom marschieren. Der im April 2006 nur knapp unterlegene Rechtsblock, das Haus der Freiheiten, will die Revanche, und zwar sofort.

Die Stärke der Rechten resultiert aus der Schwäche von Mitte-Links. Formal ist Prodi an einem absurden Wahlsystem und einer Handvoll Überläufern aus der bürgerlichen "Mitte" gescheitert: Während die Regierung in der Abgeordnetenkammer über eine komfortable Mehrheit verfügte, hatte sie im Senat gerade einmal drei Stimmen mehr als die Opposition. Nach dem Lagerwechsel mehrerer Senatoren war die Mehrheit dahin. Die Vertrauensabstimmung, die der Regierungschef dann am 24. Januar erzwang, machte diese Verschiebung offensichtlich.

Was immer den Sinneswandel der Abtrünnigen bewirkt haben mag - es war vor allem politische Schwäche, die zur Erosion der Mitte-Links-Allianz führte. Gerade 25.000 Stimmen hatten im April 2006 über Sieg oder Niederlage entschieden. Es war also dringend geboten, die hauchdünne rechnerische Mehrheit wenigstens nachträglich in eine politische zu verwandeln. Die originellste Begründung, warum das nicht funktionierte, lieferte Berlusconi: Italien sei 20 Monate lang "in der Gewalt einer externen revolutionären Minderheit" gewesen, die nicht nur der parlamentarischen Linken, sondern auch Prodi ihren Willen aufgezwungen habe.

Natürlich hat diese "Analyse" mit der Realität nichts zu tun. Die Regierung Prodi hat wenig Greifbares hinterlassen: Etliche Gesetzesvorhaben konnten nicht zu Ende geführt werden oder wurden so weit verwässert, dass vor allem die christdemokratische Mitte - also der rechte Flügel der Regierungskoalition - zufrieden sein kann. Einen zählbaren Erfolg erzielte Prodi allein bei der Sanierung des Staatshaushaltes. Rentner, junge Prekäre und die Millionen in Armut lebenden Familien können sich dafür allerdings nichts kaufen - ihnen geht es nicht besser als unter Berlusconi. Gerade durch eine andere Wirtschafts- und Sozialpolitik aber hätte sich die eigene Mehrheit ausbauen lassen. Auch in der Außenpolitik setzte die Regierung auf Kontinuität. Der Ende 2006 vollzogene Abzug der italienischen Truppen aus dem Irak blieb das einzige Zeichen für einen Neuanfang. Den Ausbau der US-Militärbasis in Vicenza verteidigte Prodi gegen alle Widerstände einer breiten Protestbewegung.

Auf die parlamentarische Linke wirkte der Rücktritt des Premiers wie eine Befreiung: Sogleich verkündeten ihre vier Minister, nicht länger gegen ihre Überzeugung für den Afghanistan-Einsatz zu stimmen. Ohnehin sind die kleinen Parteien massiv unter Druck geraten. Die neugegründete Demokratische Partei Walter Veltronis will bei Neuwahlen allein antreten. Um nicht zerrieben zu werden, forcieren Grüne, Rifondazione Comunista (RC), Comunisti Italiani (PdCI) und Sinistra Democratica ihren Vereinigungsprozess, der nach dem Gründungskongress Anfang Dezember ins Stocken geriet.

Immerhin eine Streitfrage dürfte sich in absehbarer Zukunft nicht mehr stellen: Ob man eine auf die "Mitte" orientierte Regierung Veltroni stützen oder lieber in die Opposition gehen soll. Denn ein Comeback Berlusconis ist mehr als wahrscheinlich. Veltroni tröstet sich damit, dass der siegreiche Rechtsblock bald die gleichen Probleme bekommen werde wie Mitte-Links. Dann käme die Zeit für ganz neue Bündnis-Konstellationen. Selbst eine große Koalition, getragen von Forza Italia und Demokratischer Partei, wäre dann nicht mehr auszuschließen.

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