Bersani reicht ein Remis

Pokerspiel Die Allianz der Linken hat ihre gute Chance auf eine Mehrheit verspielt. Sie agiert nur noch defensiv
Pier Luigi Bersani während einer Wahlversammlung der Demokratischen Partei
Pier Luigi Bersani während einer Wahlversammlung der Demokratischen Partei

Foto: Andreas Solaro/ AFP/ Getty Images

Hat es auch etwas mit der mangelnden Überzeugungskraft von Mitte-Links zu tun, wenn der Vorsprung gegenüber der Rechten schrumpft? Vermutlich. Jedenfalls haben deren Spitzenkandidaten Pier Luigi Bersani und Nichi Vendola den Versprechungen Silvio Berlusconis wenig entgegenzusetzen. Möglicherweise ist ihnen nur die Mehrheit in der Abgeordnetenkammer sicher. Das 2005 vom Rechtsblock eingeführte Wahlrecht gewährt der Listenverbindung mit den meisten Stimmen die absolute Mehrheit der Mandate. Im Senat hingegen ist eine Mehrheit der Sitze für Mitte-Links durch Berlusconis Aufholjagd unwahrscheinlich geworden.

Pier Luigi Bersani von der Demokratischen Partei gibt in dieser Lage den Realisten: Auch mit 51 Prozent der Stimmen werde sein Bündnis so agieren, als hätte es 49 Prozent! Er reflektiert damit eine Taktik, die auf den einstigen KP-Generalsekretär Enrico Berlinguer zurückgeht. Der Mitbegründer des Eurokommunismus hatte in den siebziger Jahren gewarnt, knappe linke Mehrheiten reichten fürs Regieren nicht aus; in Andeutungen sprach er von einem möglichen Putsch der unterlegenen Rechten.

Vendola oder ich!

Was in Zeiten des Kalten Krieges seine Berechtigung gehabt haben mag, dient heute dazu, das eigene Lager auf ein Unentschieden vorzubereiten. In der Endphase des Wahlkampfs wirkt das freilich demotivierend. Eine klare Mehrheit potenzieller Mitte-Links-Wähler will einen Politikwechsel, keine Fortsetzung von der Austeritätspolitik des amtierenden Premierministers Mario Montis. Das Wahlprogramm von Mitte-Links enthält von beidem etwas: ein Bekenntnis zu Italiens „Verantwortung“ in Europa – im Klartext, die in den EU-Gremien beschlossene Politik wird befolgt –, aber auch Reformversprechen wie Mindestlöhne und Maßnahmen gegen die extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit. Mit Mario Montis Bürgerliste ist eine solche Politik nicht möglich, nimmt man die Wahlprogramme zum Maßstab. Laut Montis vielzitierter Agenda soll Italien „die alljährlich von der EU gemachten Empfehlungen übernehmen“, die „Marktöffnung bei öffentlichen Gütern und Dienstleistungen fortführen“ und „die Dezentralisierung der Lohntarifverträge“ angehen. Mit anderen Worten: Das Lohnniveau soll im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit Italiens gesenkt werden.

Bersani wird dennoch nicht müde zu betonen, dass er im Fall eines Wahlsieges umgehend die Verständigung mit den „Moderaten“ suchen werde. Wie sich dieser Schwenk zur Mitte auf seine Wählerschaft auswirkt, lässt sich nur vermuten. Viele könnten nun für Vendolas Ökobündnis stimmen, um den linken Flügel einer künftigen Regierungskoalition zu stärken. Das aber wäre für die Mitte-Links-Allianz ein Nullsummenspiel: Mehr Stimmen bringt das kaum. Und linke Akzente würde ein von Bersani geführtes Kabinett gewiss nicht setzen, falls er auf Monti angewiesen sein sollte. Der hat seine Erpressung inzwischen etwas freundlicher verpackt. Anfangs hatte er Bersani sinngemäß vor die Wahl gestellt: Entweder Vendola oder ich! Jetzt formuliert er Bedingungen, die auf eine Unterwerfung Vendolas hinauslaufen.

Viele von Vendolas Wählern sind schon vor dem Votum enttäuscht, könnten mit Wahlabstinenz reagieren – oder mit der Abgabe einer Proteststimme. Dafür kommt neben Beppe Grillos „antipolitischer“ Fünf-Sterne-Bewegung die linke Bündnisliste um den Anti-Mafia-Aktivisten Antonio Ingroia infrage. Da man um die gleiche Klientel konkurriert, ist am linken Rand der Ton rauer geworden. Vendola argumentiert nicht mehr nur mit der „nützlichen Stimme“ für Mitte-Links, um die Rechten zu schlagen und Monti auf Abstand zu halten. Er geht seine ehemaligen Genossen, die Ingroia unterstützen, auch hart an: Einen Tag nach der Wahl schon werde die erfolglose Allianz aus Kommunisten und Grünen wieder zerfallen. Ingroia konterte: Zwischen Bersani, Vendola und Monti sei längst ein geheimer Vertrag über eine Regierung geschlossen worden.

Einen solchen Pakt gibt es vermutlich nicht. Doch deutet alles auf eine große Koalition von Mitte-Links und Montis Bürgerblock hin. Theoretisch wäre auch eine Tolerierung Bersanis durch Antonio Ingroia denkbar. Dessen Einzug ins Parlament ist aber unsicher: Für die Abgeordnetenkammer gilt eine Sperrklausel von vier, für den Senat von acht Prozent. Und Bersani hat Gespräche über von Ingroia formulierte Bedingungen ausgeschlossen. So steht denn, bei aller Unwägbarkeit des Wahlausgangs, eines schon fest: Einen politischen Neuanfang wird es nach dem 25. Februar nicht geben.

Jens Renner schrieb zuletzt über die Spitzenpolitiker der italienischen Linken

AUSGABE

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 8/13 vom 21.02.20013

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