Silvio Berlusconis Unterschrift unter die Erklärung der acht europäischen »Freunde Amerikas« kann niemanden überraschen. Noch bevor der Krieg gegen den Irak begonnen hat, wittert der Unternehmer-Politiker gute Geschäfte beim Wiederaufbau des zerbombten Landes und stellt dafür »humanitäre Hilfe« in Aussicht. Hinzu kommt sein spezieller Anti-Islamismus, der auch in der Phase der allgemeinen Hysterie nach dem 11. September 2001 von keinem westlichen Politiker übertroffen wurde. Unvergessen sein Ausbruch gegen diese um »1400 stehengebliebene« Religion und seine Ankündigung, der Westen werde nach den Ländern Osteuropas auch die arabische Welt »erobern«. Der demonstrative Schulterschluss mit Bush bringt Berlusconis persönliche Überzeugungen mit den Interessen seiner Regierung offenbar perfekt zur Deckung.
Ob diese Regierung dann auch italienische Soldaten in einen Krieg gegen den Irak schickt, ist aber längst noch nicht ausgemacht. Bei seinem jüngsten USA-Besuch sei er darum auch gar nicht gebeten worden, beeilte sich Berlusconi zu versichern. Klar scheint, dass er den US-Truppen im Kriegsfall die Nutzung ihrer Militärbasen auf italienischem Territorium gestatten wird. Das Gleiche aber, beteuert der Ministerpräsident mit einigem Recht, werde auch die deutsche Regierung tun. Auf einen weiter gehenden italienischen Beitrag möchte er sich einstweilen nicht festlegen. Als populistischer Unternehmer der Politik, der auf Marktanalysen geradezu versessen ist, muss ihm die Antikriegsstimmung im Lande zu denken geben. Nach Umfragen sind bis zu 80 Prozent der Italiener gegen einen Irak-Krieg. Zu diesem eindeutigen Votum hat das kategorische Nein aus dem Vatikan entscheidend beigetragen. Für Berlusconi und seine Partei Forza Italia, die Erbin der Christdemokratie, ist das ein wirkliches Problem. Die sprichwörtlichen »Hausfrauen Berlusconis«, die den Wahlforschern als sein Kernpotenzial gelten, sehen in ihm den von christlichen Werten getriebenen Kämpfer gegen die gottlosen Linken. Sollte seine Politik in der Frage von Krieg und Frieden dem Willen des Heiligen Vaters offen widersprechen, entsteht dadurch für gläubige Katholiken ein schwerer Loyalitätskonflikt.
Andererseits kommt die Irak-Krise dem Innenpolitiker Berlusconi nicht ungelegen. Während er in London und Washington den Weltpolitiker gab, erlitt er in Rom eine schwere Schlappe. Das Kassationsgericht verwarf den Antrag seiner Anwälte, die gegen ihn und seinen Vertrauten Cesare Previti laufenden Korruptionsprozesse von Mailand nach Brescia zu verlegen. Die beiden Angeklagten hatten sich von einem solchen Manöver, für das im November 2002 eigens eine Gesetzesrevision durchgepeitscht wurde, eine weitere Verschleppung der Verfahren versprochen. Nun könnten noch vor der Sommerpause die Urteile ergehen; für Previti hat die Staatsanwaltschaft bereits 13 Jahre Haft wegen Richterbestechung gefordert.
Nachdem Berlusconi in Washington kundgetan hatte, er könne sich wegen dringender Staatsgeschäfte um derlei Lappalien nicht kümmern, drohte er nach seiner Rückkehr sogleich mit Neuwahlen, falls er wegen einer Verurteilung zurücktreten müsse. Teile der parlamentarischen Linken, die vorgezogene Wahlen aus gutem Grund fürchten, signalisierten beflissen, der Premier könne auch bei einem Schuldspruch durchaus im Amt bleiben! Die linke Tageszeitung Il Manifesto kommentierte diesen Offenbarungseid so: »Es hätte gereicht, die Herausforderung anzunehmen und zu kämpfen, mit den Waffen der Politik. Was allerdings voraussetzt, dass man auch über eine Politik verfügt.«
Genau das ist das Problem, auch in der Frage von Krieg und Frieden. Während der Linksdemokrat Massimo D´Alema für Schröder schwärmt, orientiert sich Oppositionsführer Francesco Ruttelli vom Parteienbündnis Margherita an Tony Blair; schlimmer als der Krieg sei die von Schröder und Chirac provozierte Spaltung im westlichen Bündnis, befindet Rutelli. Zwar ist man im Mitte-Links-Bündnis Ulivo übereinstimmend gegen den Krieg und hofft auf ein zweites Votum des Sicherheitsrates. Diese Gemeinsamkeiten könnten im Kriegsfall allerdings schnell wertlos werden. Während der linke Flügel des Ulivo - die Italienischen Kommunisten (PdCI), die Grünen und die linksdemokratische Minderheit Correntone - sich schon jetzt auf ein klares Nein zum Krieg festlegen und dafür auch im Parlament eintreten will, möchten sich die linksdemokratische Führung wie auch Rutellis Margherita die Entscheidung offen halten und eine Abstimmung vermeiden.
Derweil läuft die Mobilisierung zur Antikriegs-Demonstration am 15. Februar in Rom auf Hochtouren. Neben der »No-global«-Bewegung, die im November auf dem Europäischen Sozialforum in Florenz den weltweiten Protesttag beschlossen hatte, und christlichen Gruppierungen sind auch die Gewerkschaften stark vertreten: Basiskomitees (Cobas), der linke Gewerkschaftsbund CGIL, aber auch die gemäßigte CISL. Vorbehaltlos unterstützt wird die Demonstration auch von drei Parlamentsparteien: Rifondazione Comunista (RC), den Comunisti Italiani (PdCI) und den Grünen. Kurz vor Toresschluss hat auch die linksdemokratische Partei (DS) ihre Teilnahme angekündigt, ohne allerdings den im Bündnis vereinheitlichten Aufruf gegen einen Krieg »Ohne Wenn und Aber« zu unterschreiben.
Im letzten Satz dieses Aufrufs wird von den Abgeordneten der Mitte-Links-Parteien, die mit demonstrieren wollen, eine »Verpflichtung zur Kohärenz« verlangt: Sie sollen auch im Falle eines anders lautenden UN-Votums gegen jeden italienischen Kriegsbeitrag stimmen, also auch gegen die Nutzung der Militärbasen durch US-Einheiten. Sollte es zum Angriff auf den Irak kommen, dann soll nicht nur am direkt darauf folgenden Wochenende in Rom, wie in allen anderen europäischen Hauptstädten auch, erneut demonstriert werden. Die Mehrzahl der unterzeichnenden Organisationen und Einzelpersonen erklärt auch ihre Bereitschaft, die Kriegsmaschinerie wirksam zu behindern - durch Blockaden der Militärbasen und andere Aktionen des zivilen Ungehorsams.
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