Die Freunde der Freunde

Italiens Geheimdienste Vorkämpfer im "Krieg gegen den Terror" räumen den vordersten Graben

Was in Zeiten des Kalten Krieges als interner Stellvertreterkrieg gegen die Linke ausgefochten wurde, wird auch nach dessen Ende fortgesetzt. Alte Seilschaften bestehen weiter, und Nachwuchssorgen gibt es nicht. Ähnlich wie die mafiosen Freunde der Freunde bilden Netzwerke umtriebiger Agenten mit guten Kontakten zu Politik und Kirche, zu Unternehmen und Medien eine weitgehend unkontrollierbare Parallelstruktur zu den öffentlich agierenden Institutionen Italiens.

Gänzlich unantastbar sind diese Geflechte natürlich nicht. Das zeigt die auf einer Sondersitzung des Mitte-Links-Kabinetts am 20. November beschlossene Abberufung der drei obersten Spione. Dieser Kehraus an der Spitze des militärischen Geheimdienstes SISMI, des für das Innere zuständigen SISDE und der Koordinationsbehörde CESIS (*) sei nichts weiter als "normale Rotation", beeilte sich Premier Romano Prodi zu versichern. Glaubwürdig ist das nicht, am allerwenigsten im Fall des SISMI, der mit einigem Recht von sich sagen darf, ein Global Player zu sein. Sein bisheriger Chef Nicolò Pollari ist die Hauptperson in manchem Schurkenstück. Am 15. Oktober 2001 wurde er von der CESIS an die Spitze des SISMI versetzt - ein demonstrativer Akt der Regierung Berlusconi, um eiserne Entschlossenheit im weltweiten "Krieg gegen den Terror" zu dokumentieren.

In Pollaris Amtszeit fallen diverse Affären, Skandale und spektakuläre Entführungen. Das so genannte Nigergate-Dossier, in dem von Uranhandel zwischen Niger und Saddam Hussein die Rede war, gehörte zu jenen fingierten "Dokumenten", mit denen die US-Intervention im Irak gerechtfertigt wurde. Eine parlamentarische Untersuchung konnte freilich eine Beteiligung italienischer Geheimdienstler nicht eindeutig beweisen. Dagegen ist die Mithilfe von SISMI-Agenten bei der Entführung des muslimischen Predigers Abu Omar am 17. Februar 2003 in Mailand Gegenstand eines Strafverfahrens, in dem 26 amerikanische und 13 italienische Staatsbürger wegen Menschenraubs angeklagt sind. Abu Omar (mit bürgerlichem Namen: Hassan Mustafa Osama Nasr) wurde von der CIA nach Ägypten verschleppt und dort - nach seinen Angaben - während der bis heute andauernden Haft mehrfach gefoltert.

Als Heroen hofiert wurden Pollari und die Seinen, als durch SISMI-Vermittlung die im September 2004 im Irak entführten Simona Pari und Simona Torretta nach 20 Tagen frei kamen. Weniger erfolgreich endete die Geiselnahme der linken Journalistin Giuliana Sgrena. Der Wagen, der sie kurz nach ihrer Freilassung zum Airport von Bagdad brachte, wurde von einer US-Patrouille beschossen. Während Sgrena mit Verletzungen davonkam, starb der sie begleitende SISMI-Agent Nicola Calipari. Der Vorfall führte zu Verstimmungen zwischen Rom und Washington, ging aber schließlich als "tragischer Unfall" zu den Akten.

Kaum Beachtung findet derzeit die folgenreichste SISMI-Aktivität der vergangenen Jahre: die aktive Beihilfe zum Angriffskrieg gegen den Irak. Glaubt man den Aussagen der ob ihres Tatendrangs vor Stolz platzenden Kämpfer an der unsichtbaren Front, dann haben italienische Agenten entscheidenden Anteil am "Regime Change" in Bagdad. Ab Dezember 2002 erkundeten sie wichtige militärische Ziele, die dann im März 2003 bombardiert wurden. Ihr Wissen bezogen sie von irakischen Generälen, Offizieren und Funktionären der Baath-Partei, die sie außerdem mit dem Versprechen zur Desertion nötigten, sie hätten nach dem Sturz Saddams nichts zu befürchten. Dieses offenkundig effektive Verfahren wurde schon im April 2003 von der Zeitung La Repubblica enthüllt, die in der Ausgabe vom 23. April 2003 einen Spion mit den Worten zitierte: "Es war ein Krieg der Nachrichten. Und diesmal hatten wir sie: gute, wichtige Nachrichten. Weil wir da waren. Viele dieser Nachrichten waren gestern sehr nützlich. Andere werden es morgen sein."

Ob der SISMI auch nach dem Abzug der italienischen Truppen im Irak aktiv bleibt, lässt sich schwer überprüfen. Wie jeder Geheimdienst führt auch dieser ein Eigenleben, unabhängig von jedem Regierungswechsel und jeder politischen Konjunktur. Illegale Geldbeschaffung und das Sammeln von Informationen, um Menschen erpressen zu können, gehören ebenso zum Geschäft wie plumpe Verleumdungskampagnen. Sechs Jahre nachdem die damals noch staatliche italienische Telecom 1997 eine Beteiligung bei Telekom Serbia erworben hatte, starteten rechte Parlamentarier und Journalisten mit Hilfe eines SISMI-Dossiers eine Kampagne zur "Neutralisierung" der parlamentarischen Opposition gegen Berlusconi: Romano Prodi und andere Mitte-Links-Politiker hätten "Schmiergeld von Milos?evic´" genommen. An der Erfindung dieser Lügengeschichte maßgeblich beteiligt war neben dem jetzt in Rente geschickten Nicolò Pollari ein Agent namens Pio Pompa, der ein aus Tausenden von Dossiers über linke Politiker, über Richter und Journalisten bestehendes Archiv verwaltete, das jüngst in Rom entdeckt wurde. Vermutlich nicht das einzige seiner Art und nicht das letzte. Für Material ist gesorgt, auch über das massenhafte Abhören von Telefonen, was im Spätsommer zum vorletzten Skandal führte.

Die kriminelle Energie staatlicher und anderer Dunkelmänner könnten für Prodis zurückhaltende Reaktion darauf ausschlaggebend gewesen sein: Er meidet die Konfrontation, möglicherweise eine fatale Konsequenz. Zwar gibt es, anders als manch Verschwörungstheoretiker glauben mag, nicht die große, umstürzlerische Konspiration - sehr wohl aber den professionell agierenden Netzwerker, der Politiker erpresst und zu beeinflussen versteht - daran wird sich auch nach dem Austausch des geheimdienstlichen Führungspersonals nichts ändern.

(*) SISMI - Servizio per le Informazioni e la Sicurezza Militare / SISDE - Servizio per le Informazioni e la Sicurezza Democratica / CESIS - Comitato Esecutivo dei Servizi di Informazione e Sicurezza.


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