Letzte Umfragen vor den italienischen Wahlen am 13. Mai lassen das Rennen wieder offener erscheinen. Zwar hat der von Berlusconi angeführte Rechtsblock (Casa delle libertà ) immer noch einen deutlichen Vorsprung vor dem Mitte-Links-Bündnis (Centrosinistra oder Ulivo) mit seinem Spitzenkandidaten Francesco Rutelli. Was die Angelegenheit dennoch weiter spannend erscheinen lässt, das sind die vielen Unentschiedenen - fast ein Drittel der Wähler ist noch unschlüssig. Außerdem macht das komplizierte Wahlsystem exakte Prognosen schwierig: Drei Viertel der Mandate fallen an siegreiche Wahlkreiskandidaten, das restliche Viertel wird per Liste (mit Vier-Prozent-Klausel) vergeben.
Während das Mitte-Links-Bündnis Fausto Bertinottis Rifondazione Comunista nicht mehr zu Absprachen über die Wahlkreiskandidaten bewegen konnte (s. Freitag, 9. 2. 2001), kennt der Rechtsblock kaum Probleme mit eigenwilligen Alliierten. Die großen drei - Silvio Berlusconi (Forza Italia), Gianfranco Fini (Alleanza Nazionale) und Umberto Bossi (Lega Nord) - haben sich frühzeitig geeinigt, und auch die rechtskatholischen Parteien CCD und CDU, die als Listenverbindung Biancofiore kandidieren, konnten zufrieden gestellt werden; CCD-Sekretär Pierferdinando Casini soll ebenso wie Gianfranco Fini stellvertretender Premier werden. Allzu belastete Kandidaten hat Berlusconi einfach von der Liste gestrichen, darunter die "Sozialisten" Claudio Martelli und Gianni De Michelis, die jahrelang zur Führungsspitze von Bettino Craxis korruptem PSI gehörten.
Um zu gewinnen, sind Berlusconi nicht nur die Lega Nord (s. Freitag, 20. 4. 2001) und Alleanza Nazionale, sondern noch weiter rechts stehende Gruppierungen willkommen. Auf Sizilien schloss Berlusconis Statthalter Gianfranco Micciché auch mit Pino Rautis ultrarechter Partei Fiamma Tricolore ein Abkommen. Der Partei, die den Idealen von Mussolinis "Sozialrepublik" der Jahre 1943 bis 1945 offen die Treue hält, wurde der Wahlkreis Avola überlassen, in dem schon 1996 der Rautianer Luigi Caruso mangels rechter Konkurrenz in den Senat gewählt wurde. Im Gegenzug verzichtet Rautis Partei in den übrigen sizilianischen Wahlkreisen auf eine Kandidatur, selbst bei der Listenwahl zur Abgeordnetenkammer. Hinzu kommen "getarnte" Abkommen zwischen dem Rechtsblock und den Ultrarechten: In einigen besonders umkämpften Wahlkreisen sieht Rautis Fiamma von der Aufstellung eines eigenen Kandidaten ab, um die rechten Stimmen zu bündeln. Damit diese Kollaboration nicht zu offensichtlich wird, kolportieren die Faschisten, es sei ihnen in den fraglichen Regionen leider nicht gelungen, die geforderte Zahl von Unterschriften zu bekommen. "Desistenza mascherata", einen "maskierten Verzicht", nennen die Kommentatoren dieses durchschaubare, aber vermutlich wirkungsvolle Manöver.
Berlusconis Mann auf Sizilien hat zur Legitimation seiner Bündnispolitik mit den Ultras nur ausgesprochen, was Konsens des Rechtsblocks ist: Es gelte, alle "anti-kommunistischen" Kräfte zu einen. Wobei "anti-kommunistisch" als Chiffre für diverse reaktionäre Bestrebungen gelten kann. Wenn die Ultrarechten auf ihren Plakaten offen gegen Homosexuelle, Linke und Muslime hetzen, das Recht auf Abtreibung verdammen und Jörg Haider als Freund und Vorbild preisen, dann sind das nicht etwa "Extrempositionen", sondern politische "Anliegen", die von den "seriösen" Parteien des Rechtsblocks geteilt werden. Vorzugsweise die Lega hat noch in den vergangenen Monaten ganz im Sinne der Ultrarechten agiert. Um den Bau einer Moschee in Lodi (bei Mailand) zu verhindern, trieben die Anhänger der Lega Schweine auf das Grundstück; als Maßnahme gegen illegale Einwanderung forderte Umberto Bossi einen Stacheldrahtzaun an der Grenze nach Slowenien; dem EU-Gipfel in Nizza wollte er mit 250.000 grün uniformierten Anhängern zu Leibe rücken. Nur mühsam konnte Berlusconi seinen Partner überzeugen, dass derlei Aufruhr kurz vor der Wahl nicht opportun wäre. Bossi fügte sich und ging auch auf Distanz zu Haider, seinen Bruder im Geiste. Sein jüngster Ausbruch gegen Ministerpräsident Amato, den er einen "Nazi-Zwerg" nannte, zeigt allerdings, dass er nicht wirklich domestizierbar ist.
Berlusconi, der in der Vergangenheit selbst durch hemmungslose Tiraden gegen die unverbesserlichen italienischen "Kommunisten" (gemeint waren meist die neoliberal gewendeten Linksdemokraten) aufgefallen war, hält sich in der Endphase des Wahlkampfes an sein Erfolgsrezept aus dem Jahre 1994: Er erklärt sich vorzeitig zum Sieger und verbreitet zum 100. Mal das ebenso oft widerlegte Märchen vom arbeitsamen Unternehmer, der - ganz auf sich allein gestellt - zum reichsten Mann Italiens geworden sei. Zu denen, die ihn trotz - oder wegen - seiner süßen Lügen wählen, gehören nicht nur die Dummen im Lande. Bei einem Auftritt vor 4.000 Managern und Unternehmern erntete Berlusconi Ovationen - wegen seines uneingeschränkt unternehmerfreundlichen Programms, aber auch weil er die Arroganz der Macht ausstrahlte, die der Wirtschaftselite als größte Tugend gilt. In den Worten eines anwesenden Textilfabrikanten aus der Toscana: "Berlusconi wirkt wie der Sieger, deshalb wird er gewählt".
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