Schon die Vorankündigungen bestanden vorrangig aus Superlativen: Der Zusammenschluss der regierenden Mitte-Rechts-Parteien Forza Italia (FI) und Alleanza Nazionale (AN) zum Volk der Freiheit (Popolo della Libertà/PdL) bedeute eine „epochale Wende, ja fast eine Revolution“, eine Weltneuheit vor allem auf dem Gebiet der politischen Formationen: Erstmals werde das gängige Organisationsmodell, mit der Parteiführung an der Spitze und den Mitgliedermassen unten, umgestülpt – „an der Spitze stehen die Bürger, die Menschen“, hieß es. Sie würden entscheiden, welche Politik die Partei betreibt, und welche Personen sie vertreten sollen. Allein diese vorab verbreitete Werbebotschaft zeigt: Als Spezialist für politisches Marketing ist Berlusconi in seinem Element. Ziemlich genau 15 Jahre nach seinem Einstieg in die Politik wird auf die bewährten Mittel, teilweise die alten Slogans zurückgegriffen.
Die Rollen klar verteilt
Auch die neue Partei, die am letzten Märzwochenende in Rom ihren Gründungskongress abhielt, ist ganz auf den Cavaliere zugeschnitten. Dass Berlusconi der Chef sein würde, stand von Anfang an fest. So wurde er nicht gewählt, sondern per Akklamation bestimmt. Die 6.000 Delegierten, die seinen Reden lauschten, waren ausschließlich für Jubel und Ekstase zuständig: Die Berichterstatter registrierten allein während Berlusconis Abschlussrede 70 mal Beifall in einer Länge von 71 Minuten, darunter vier Ovationen.
Berlusconis wichtigster Partner, Gianfranco Fini (57), Vordenker der postfaschistischen Alleanza Nazionale, wird allenfalls dann nachrücken, wenn der immerhin 72-jährige Berlusconi aus Altersgründen zurücktreten sollte. Bis dahin sind die Rollen klar verteilt. Der PdL-Frontmann attackiert seine politischen Gegner wie eh und je als unbelehrbare Kommunisten. Fini, derzeit als Präsident der Abgeordnetenkammer dritter Mann im Staate, ist dagegen eher um moderate Töne bemüht.
Noch kurz vor dem Kongress distanzierte er sich von seinem viel zitierten Satz, Mussolini sei „der größte Staatsmann des Jahrhunderts“. Man erlebte seine bislang letzte Abgrenzung vom faschistischen Erbe. Für viele seiner Anhänger sind Finis Wendungen Ausdruck von Opportunismus. Sie fürchten, in der neuen Partei endgültig ihre „Identität“ zu verlieren. Andere, wie Verteidigungsminister La Russa, machen sich selbst Mut und prophezeien, auch im PdL offensiv für die alten Werte einzutreten. Da Alleanza Nazionale – im Unterschied zu Forza Italia – eine „richtige“ Partei mit klaren Strukturen war und Tausende von Kadern ausgebildet hat, dürfte das Erbe des Neofaschismus weiter sichtbar bleiben.
Schon deshalb ist die hier und da zu hörende These falsch, die Konstituierung des PdL sei letztlich nichts anderes als eine Neugründung der jahrzehntelang regierenden Democrazia Cristiana (DC). Zwar haben die „christlichen Werte“ auch in der Agitation der neuen Partei ihren Part, zwar profiliert auch sie sich als Schutz vor diversen Bedrohungen – aktuell weniger durch den Kommunismus als durch Einwanderung und Kriminalität –, aber im Unterschied zur Christdemokratie, die sich nie an der seit 1948 gültigen Verfassung vergriffen hat, verfolgen Berlusconi und Partner ein gemeinsames Projekt, das bei Vollzug den Charakter der Republik verändern würde.
Wie ein kleiner Duce
Die „Reform der Institutionen“ soll die Exekutive stärken und vor allem dem Regierungschef mehr Macht geben – dieser habe, so Berlusconis ständiges Lamento, zur Zeit nur „moralischen Einfluss“, aber keine wirklichen Machtmittel. Eine Provokation, wenn man bedenkt, dass der Premier mit seiner satten Mehrheit in beiden Parlamentskammern buchstäblich jedes Gesetz durchbringen kann! „Wie ein kleiner Duce“ (ducetto) habe Berlusconi auf dem PdL-Gründungskongress gesprochen, ätzte der frühere Korruptionsermittler Antonio Di Pietro von der oppositionellen Gruppierung Italia dei Valori (Italien der Werte). Offenbar wolle Berlusconi „nach der Kontrolle über die Medien, dem Angriff auf die Unabhängigkeit der Gerichte und der Schwächung der Gewerkschaften nunmehr die absolute Macht“ an sich reißen.
Das mag alarmistisch klingen, enthält aber einen wahren Kern. Ebenso wie den Angriff auf die Demokratie sollte man Berlusconis Drohung ernst nehmen, an Schulen und Universitäten aufzuräumen. Die sieht er nach wie vor fest in der Hand der Linken. Die Kulturrevolution von 1968 rückgängig zu machen – auch das ist ein Projekt des „Volks der Freiheit“. Bis auf Weiteres muss es sich die Macht mit der rassistischen Lega Nord teilen. Das hat aus Sicht der PdL-Strategen auch positive Nebeneffekte: Verglichen mit der Lega könnte die neue rechte Megapartei fast schon als moderate Kraft der Mitte erscheinen. Dass für sie die absolute Mehrheit greifbar nahe ist, glaubt bislang nur einer: Silvio Berlusconi.
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