Marsch auf Neapel

Italien Silvio Berlusconi will das Verfassungsreferendum Ende Juni nutzen, um die Mitte-Links-Koalition unter politischem Dauerfeuer zu halten

Mit so gut wie keinen Blessuren hat Premier Romano Prodi eine weitere Probe aufs Exempel nach seinem knappen Sieg vom 9. und 10. April überstanden. Bei den Kommunalwahlen in einer Reihe von Städten und Provinzen konnten die Kandidaten der Mitte-Links-Allianz Unione ihre Position ausbauen. Von den großen Städten blieb allein Mailand den Rechten erhalten, außerdem die Region Sizilien, eine Hochburg der Forza Italia seit deren Gründung im Jahr 1994. Mitte-Links verteidigte dagegen seine Mehrheit in Turin, Rom und Neapel.

Die klare Bestätigung der Bürgermeisterin von Neapel, Rosa Russa Iervolino (Margherita), schmerzt die Rechten dabei besonders. In Anlehnung an Mussolinis "Marsch auf Rom" im Oktober 1922 hatte Silvio Berlusconi einen "Marsch auf Neapel" ausgerufen - um die Hauptstadt vom Norden und vom Süden her unter politisches Dauerfeuer zu nehmen. Dass dieser Plan gescheitert ist, führt allerdings nicht automatisch zu einem Strategiewechsel der Rechten. Zumindest bis zum Referendum über die Verfassungsreform Ende Juni dürfte Berlusconi unvermindert auf Konfrontation setzen. Diese Reform räumt nicht nur den Regionen deutlich mehr Kompetenzen ein, sondern erweitert auch die Macht des Ministerpräsidenten. Die Unione lehnt das einhellig ab, ihre Referendumskampagne steht unter dem Motto "Rettet die Verfassung!" Insofern gerät das Votum zu einer weiteren Kraftprobe zwischen den beiden großen politischen Lagern.

Sollte die Rechte auch diesen Schlagabtausch verlieren, könnte sie von der Konfrontation zur feindlichen Umarmung der Regierung übergehen. Schon Berlusconis erstes Angebot einer großen Koalition war nicht ausschließlich scheinheilig, sondern auch ein Versuch, Unione in Linke und "Gemäßigte" zu spalten. Sollte allerdings die bei den Kommunalwahlen sichtbar gewordene Erosion des Rechtsblocks anhalten, würde der auf Mitte-Links lastende Druck abnehmen, die Reihen des heterogenen Bündnisses fest geschlossen zu halten.

Einstweilen herrscht bei den Wahlsiegern überwiegend Harmonie. Romano Prodi hat den Linksdemokraten Massimo D´Alema und den Margherita-Wortführer Francesco Rutelli zu stellvertretenden Regierungschefs ernannt. Als weitere starke Männer gelten Wirtschafts- und Finanzminister Tommasso Padoa Schioppa und Innenminister Giuliano Amato, beide parteilos. Kritisiert wird, dass der Regierung nur sechs Frauen angehören und dass sämtliche Schlüsselressorts von (durchweg älteren) Männern geführt werden. Konfliktpotenzial könnte daraus entstehen, dass für den Bereich Arbeit und Soziales gleich zwei Ministerien geschaffen wurden, das erste geleitet von dem Linksdemokraten Cesare Damiano, das zweite von Paolo Ferrero, dem einzigen Ressortchef von Rifondazione Comunista. Zum Vergleich: Neun Regierende gehören den Linksdemokraten (DS), sieben der Margherita an.

Für Romano Prodi genießt bis auf weiteres die Sanierung der Staatsfinanzen oberste Priorität - die derzeitige Neuverschuldung in Höhe von 4,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) soll unter die Maastricht-Grenze von drei Prozent gedrückt werden. Zugleich will seine Regierung das im laufenden Jahr auf magere 1,2 Prozent geschätzte Wirtschaftswachstum steigern - auf welchem Wege das geschehen soll, ist ebenso offen wie das eng damit verknüpfte Problem des Arbeitsmarktes; laut Programm von Unione sollen hier lediglich Teile der von Berlusconi verfügten Liberalisierungen zurück genommen werden.

Das größte internationale Aufsehen erregte Prodis Ankündigung, "so bald wie möglich" das italienische Irak-Korps zurückzuziehen. Wann das sein wird, soll Verhandlungen in Bagdad vorbehalten bleiben - Silvio Berlusconi seinerseits hatte im Wahlkampf den 31. Dezember 2006 als Stichtag genannt, an dem der letzte der insgesamt 3.000 italienischen Soldaten zurück gekehrt sein sollte. Vorerst hat Romano Prodi die Invasion vom März 2003 und die Besetzung des Landes erneut als "schweren Fehler" bezeichnet, gleichzeitig aber die "historische Allianz" mit den USA nicht zur Disposition stellen wollen. Anders als sein Vorgänger, der sich gern als Bushs Freund und Juniorpartner in Szene setzte, will Italiens jetziger Regierungschef ein Europa, das auf internationaler Ebene "stark und geschlossen" auftreten kann. Was die militärische Komponente ausdrücklich einschließt und die Kritik am Irak-Krieg weich spült: "In einigen Fällen haben wir es für legitim und notwendig gehalten, dass sich Italien militärisch an wichtigen Friedensmissionen beteiligt." Zu diesen "Friedensmissionen" gehören aus Sicht des freundlichen Professors aus Bologna auch die Angriffskriege gegen Jugoslawien und Afghanistan. Ersterer hatte 1999 die damalige Mitte-Links-Regierung in eine Zerreißprobe geführt und die Spaltung von Rifondazione Comunista ausgelöst. Die sich seinerzeit separierenden Comunisti Italiani haben - wie im Übrigen auch die Grünen - die Zustimmung zur NATO-Intervention alsbald bitter bereut. Ihre Neigung, neue "Friedensmissionen" abzunicken, dürfte Grenzen kennen - hier schwelt ein Konflikt im Regierungslager, wenn nicht mehr.


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