Matteo Renzi fühlt sich stark

Italien Der Premier regiert in einer informelle Koalition mit Silvio Berlusconi und Fiat. Jetzt will er sich mit einer Reform des Kündigungsrechts beweisen
Ausgabe 41/2014

Als Angela Merkel kürzlich mal wieder ein höheres Tempo bei „notwendigen Reformen“ in Frankreich und Italien anmahnte, reagierte Italiens Regierungschef gereizt. In Rom attestieren ihm selbst erbitterte Gegner, alles zu versuchen, um Berlin zufriedenzustellen. Reizthema Nr. 1 ist eine Einschränkung des Kündigungsschutzes, wie er in Artikel 18 des Arbeiterstatuts von 1970 festgelegt ist. Darin verankerte „Normen zum Schutz der Freiheit und Würde der Arbeiter und der Freiheit gewerkschaftlicher Aktivitäten am Arbeitsplatz“ sehen vor, dass entlassene Arbeiter wieder eingestellt werden müssen, erklärt ein Gericht ihre Kündigung für unrechtmäßig. Nach dem Willen Matteo Renzis soll es künftig nur noch eine Entschädigung geben. Vor allem erhalten Unternehmen das Recht, neu eingestellte Arbeiter in den ersten drei Jahren ohne Angabe von Gründen zu feuern. Ein erst danach greifender Kündigungsschutz soll nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit und – in den meisten Fällen – nach dem Lebensalter gestaffelt werden. Eine Praxis, die nach Meinung von Juristen gegen die Verfassung verstößt.

Der Kündigungsschutz wurde bereits unter Renzis Vorvorgänger Mario Monti ausgehöhlt, behindere er doch Neueinstellungen, so das Argument. Erkennbare Wirkungen hatte die Gesetzesnovelle nicht. Die Erwerbslosigkeit wuchs weiter – bei den unter 25-Jährigen auf derzeit 44,2 Prozent, neue Jobs sind in den allermeisten Fällen befristet. Bemerkenswert ist, dass die unter Monti federführende Arbeitsministerin Elsa Fornero Renzis Reformeifer für überflüssig hält. Noch peinlicher: Diverse Onlinemedien verbreiteten ein erst zwei Jahre altes Interview mit Renzi, in dem der erklärt, das Problem mit Artikel 18 sei einzig und allein das Produkt einer „Mediendebatte“. Ungeachtet dessen wird jüngeren Italienern eingeredet, sie seien Opfer überholter Privilegien ihrer Eltern.

Warum Regierung und Unternehmer ausgerechnet beim Arbeitsrecht die Konfrontation suchen, erklärt Giorgio Squinzi, Präsident des Unternehmerverbandes Confindustria: Die Abschaffung von Artikel 18 wäre „ein sehr starkes Signal, besonders an die ausländischen Investoren“, dass man sich gegen die Gewerkschaften durchsetzen könne. Renzi hofft zudem, dass er als Belohnung bei den EU-Gremien auf einen konzilianteren Umgang mit Italiens Staatsschulden rechnen darf.

So wird eine eher symbolische Frage zur Kraftprobe. Von den großen Gewerkschaftsbünden nimmt nur die früher kommunistisch dominierte CGIL die Herausforderung an. Präsidentin Susanna Camusso wird von Renzi mit Margaret Thatcher verglichen. Sie muss sich anhören, zur „konservativen alten Garde“ zu zählen, wie wohl auch der noch nicht domestizierte linke Flügel des Partito Democratico (PD). Über den früheren Regierungschef Massimo D’Alema höhnt Renzi: Immer wenn der sich zu Wort melde, gingen seine eigenen Popularitätswerte in die Höhe. Und überhaupt stehe er für ein Ergebnis von grandiosen 41 Prozent bei der Europawahl im Mai 2014, während es die innerparteilichen Kontrahenten nur auf bescheidene 25 Prozent beim nationalen Parlamentsvotum im Februar 2013 gebracht hätten.

Renzi hat einigen Grund, sich stark zu fühlen. Sollte seine parlamentarische Mehrheit links bröckeln, bleiben rechts verlässliche Partner: die mitregierende Neue Rechte Mitte (NCD) und Berlusconis Forza Italia. Die ist zwar offiziell in der Opposition, informell aber bei Renzi eingebunden. So regiert in Italien derzeit eine Art Dreifaltigkeit aus Renzi, Berlusconi und Fiat-Boss Sergio Marchionne. Vielleicht überspitzt formuliert, aber wahr.

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