Mehr Sekte als Partei

Italien Die Fünf-Sterne-Bewegung boomt vor der Kommunalwahl – auch wegen der Schwäche linker Parteien
Ausgabe 22/2016
Beppe Grillo, der Patron der Fünf-Sterne-Bewegung (MoVimento 5 Stelle)
Beppe Grillo, der Patron der Fünf-Sterne-Bewegung (MoVimento 5 Stelle)

Foto: Guiseppe Cacace/AFP/Getty Images

Kurz vor den Kommunalwahlen am 5. Juni in Großstädten wie Rom, Mailand, Neapel und Turin stellt sich erneut die Frage nach einer Alternative zu Matteo Renzis regierendem Partito Democratico (PD). Die Gruppierungen links davon fristen ein Schattendasein. In Umfragen stabil bei 25 Prozent liegt dagegen die erst 2009 gegründete Fünf-Sterne-Bewegung, der MoVimento 5 Stelle (M5S). Nur wie links ist diese Partei? Gar nicht links, meint Beppe Grillo, der charismatische Leader, links und rechts seien veraltete Kategorien. Man halte zu allen Parteien gleichen Abstand, verbünde sich mit niemandem. Regieren werde man erst als Mehrheitspartei, um so die verhasste Kaste der Berufspolitiker davonzujagen.

Polemik gegen „die da oben“ ist Grillos Markenkern. Neben seinen Auftritten in Theatern und Stadien, die mitunter Zehntausende anlocken, ist Grillos Blog beppegrillo.it die schärfste Waffe von M5S. Der Anstoß dazu kam von Grillos langjährigem Förderer, dem IT-Unternehmer Gianroberto Casaleggio. Nach dessen Tod am 12. April übernahm Sohn Davide den Blog movimento5stelle.it, offenbar in vollem Einvernehmen mit Grillo, der sich wieder seinen Shows widmen will. Schon länger hatte er angekündigt, sich in die zweite Reihe zurückzuziehen, doch wird mit aggressiven Interventionen weiter zu rechnen sein. Die Stadt Rom drohe von „Mäusen, Müll und Illegalen überflutet“ zu werden, schrieb er im Juni 2015, nicht der erste rassistische Ausbruch im Stil der Lega Nord. Rechte Milieus sind für Grillo eine wichtige Zielgruppe. Er beklagte in seiner diesjährigen Neujahrsbotschaft, dass Italien „Identität“ verliere, ein Wohllaut für die Ohren von Nationalisten.

Im Programm von M5S steht nichts dergleichen, aber welchen Stellenwert hat schon eine Agenda auf 15 luftig bedruckten Seiten? Manche Forderung erinnert an die deutschen Grünen in ihren Anfangsjahren, da geht es um auf zwei Legislaturperioden beschränkte Parlamentsmandate, um weniger Diäten und keine Nebentätigkeiten für Abgeordnete.

Autoritäres Patronat

Dass sich manche Linke der Partei zuwenden, hat etwas mit beachtlichen Möglichkeiten der Mitwirkung zu tun. Kandidaten werden per Mitgliederentscheid im Internet nominiert. Genauso können sie auch wieder abgesetzt werden. Häufig geschieht das durch Eingreifen der beiden Bosse Grillo und Davide Casaleggio, die dann ihr autoritäres Patronat geltend machen. Jüngstes Opfer einer innerparteilichen Säuberung war Federico Pizzarotti, der Bürgermeister von Parma. Weil er gegen ihn laufende Ermittlungen verschwieg, wurde er vom M5S-Direktorium kurzerhand relegiert. Da er schon länger als Dissident galt, werten Beobachter den offiziellen Ausschlussgrund als Vorwand. Für die linke Zeitung Il Manifesto zeigt das Beispiel, dass man eher „eine Sekte als eine Partei“ vor sich habe. Diesen Eindruck stützt Beppe Grillo, wenn er die „zwei Gesichter“ von M5S beschreibt. „Das eine besteht aus einer managerartigen Organisation der Strategie und Kommunikation, das andere bin ich: die Straße, die Plätze, die Leute.“

Nun kommt ein neues Gesicht hinzu: der 29-jährige Luigi Di Maio, Vizepräsident der Abgeordnetenkammer, der in Umfragen zum zweitbeliebtesten Politiker Italiens hinter Premier Matteo Renzi aufgestiegen ist. Die Mainstream-Medien spekulieren ganz offen, dass sich M5S mit dem neuen Star über kurz oder lang zum Mitregieren bereitfindet. Änderungen deuten sich auch in der Europapolitik an. Während Casaleggio mit Britanniens rechtspopulistischer UKIP sympathisiert, riet Di Maio beim Besuch in London von einem Brexit ab – Anzeichen einer „realpolitischen Wende“?

Derweil blickt man auf die kommenden Wahlen, besonders in Rom. Hier liegt die Kandidatin der Fünf Sterne, Virginia Raggi, in Umfragen klar vor der Konkurrenz. Ein Sieg in der Hauptstadt hätte Ausstrahlung auf das ganze Land.

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