Rote Hilfe

Italien Nach den Regionalwahlen gibt es keinen Grund zur Entwarnung
Ausgabe 05/2020
Der Mitte-links-Kandidat Stefano Bonaccini vom Partito Democratico (PD)
Der Mitte-links-Kandidat Stefano Bonaccini vom Partito Democratico (PD)

Foto: Miguel Medina/AFP/Getty Images

Das Ergebnis war deutlicher als erwartet: Am Ende lag in der Region Emilia-Romagna der Mitte-links-Kandidat Stefano Bonaccini vom Partito Democratico (PD) fast acht Prozent vor Lucia Borgonzoni von der Lega. Deren Niederlage ist die von Matteo Salvini, der aus den Regionalwahlen in Norditalien ein Referendum über die Regierung in Rom machen wollte. Sein Kalkül: Nach einem Sieg der Rechten in der „roten Hochburg“ um Bologna würde die Koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung und PD womöglich zerbrechen, bei den dann unvermeidlichen Neuwahlen der Rechtsblock triumphieren und er selbst Regierungschef werden.

Dieses Szenario ist abgewendet, der rechte Durchmarsch aber nur unterbrochen. Denn die Mehrheit für Mitte-Links ist vor allem zwei Faktoren zu verdanken. Zum einen ist da die deutlich gestiegene Wahlbeteiligung: Nicht zuletzt durch die erst Mitte November in Bologna entstandene Bewegung der „Sardinen“ konnten auch Wähler mobilisiert werden, die sich zuletzt enttäuscht von den Mitte-links-Parteien abgewandt hatten. Ihr Kreuz für Bonaccini war vor allem ein Votum gegen den rechten Hetzer Salvini und seinen Anhang. Zum anderen wählten viele Anhänger der Fünf-Sterne-Bewegung „taktisch“: mit der Erststimme für den PD-Mann, mit der Zweitstimme für die Liste ihrer Partei. Ob sich Ähnliches bei anstehenden Wahlen in weiteren Regionen wiederholt, ist fraglich.

Eine genauere Analyse der Wahlergebnisse zeigt auch, dass der Rechtsblock weitgehend stabil bleibt. Die Lega verlor in der Emilia-Romagna gegenüber ihrem Rekordergebnis bei den Europawahlen im Mai 2019 weniger als zwei Prozent und liegt dort immer noch bei 32, während die neofaschistischen Fratelli d’Italia massiv hinzugewannen und nun auf 8,6 Prozent kommen. Einzig Berlusconis Forza Italia verlor deutlich und kam über 2,6 Prozent nicht hinaus. Eine rechte Mehrheit auf nationaler Ebene ist damit immer noch möglich.

Dafür spricht auch der deutliche Wahlsieg der Rechten in der süditalienischen Region Kalabrien. Das bemerkenswerteste Phänomen ist hier der dramatische Zusammenbruch des Movimento 5 Stelle (M5S). Von sensationellen 43,4 Prozent bei den Parlamentswahlen im März 2018 blieben ihnen ganze 6,3 Prozent. Setzt sich dieser Abwärtstrend fort, wird sich das auch auf die in Rom regierende Koalition auswirken. Salvini nutzte die unübersehbaren Anzeichen ihrer Schwäche für eine eigenwillige, aber nicht völlig abwegige Interpretation der Lage. In Italien gebe es eine „formale“ Mehrheit im Parlament und eine „substanzielle“ in der Gesellschaft, als deren Wortführer er sich selbst sieht.

Daraus spricht neben gewohnter Kraftmeierei die Gewissheit, dass er weitermachen kann wie bisher – trotz der Niederlage. Im Lager der Sieger sollte der Diskussionsbedarf nicht unterdrückt werden. Das gilt besonders für die Fünf Sterne, die nach dem Rücktritt ihres bisherigen „capo politico“, Luigi Di Maio, eine neue Führung suchen. Was zu kontroversen Debatten führen könnte, das ist die Frage, ob man ein dauerhaftes Bündnis mit dem PD eingeht oder die eigene Programmatik vom „dritten Weg“ zwischen links und rechts schärfen sollte. Darüber wird Mitte März auf einem „Generalstände“ genannten Kongress zu entscheiden sein. Am gleichen Wochenende berät auch das Anti-Salvini-Bündnis der „Sardinen“, wie es weitergehen soll. Dass sie als die wahren Sieger des 26. Januar noch gebraucht werden, steht außer Frage.

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