Schwindsüchtige Rechte

Kommentar Mitte-Links siegt bei Regionalwahlen in Italien

Silvio Berlusconi hat es nicht nur gewusst, sondern schon vorab mehr oder weniger deutlich eingestanden: Die Regionalwahlen am 3. und 4. April würden zum Desaster für die von ihm angeführte Rechtskoalition werden. Die sichere Prognose geriet nur kurzfristig ins Wanken: Wie würde sich der Tod des Papstes auf die immer noch mehrheitlich katholisch geprägte Wählerschaft auswirken? In Zeiten christdemokratischer Hegemonie wäre eine "Kondolenzwahl" die Folge gewesen: Noch mehr Stimmen für jene Partei, die sich als Garant christlicher Werte empfahl. Aber diese Zeiten sind unwiderruflich vorbei, denn die ehemalige Quasi-Staatspartei Democrazia Cristiana (DC) ist längst in konkurrierende Kleinparteien zerfallen. Außerdem war Johannes Paul II. zwar immer noch der mächtigste Verbündete der Rechten gegen die "Kommunisten" (ein von Berlusconi für fortschrittliche Strömungen aller Art verwendeter Sammelbegriff); andererseits hatte er sich deutlich gegen den Irak-Krieg ausgesprochen und die italienische Beteiligung daran missbilligt. Berlusconis Forza Italia, die sich im vergangenen Jahrzehnt der christdemokratischen Stammwählerschaft erfolgreich als Erbin der früheren Christdemokraten angedient hatte, ist damit auch für viele praktizierende Katholiken nicht mehr wählbar.

Als letzter großer Test vor den Parlamentswahlen im Frühjahr 2006 war das jetzige Votum mehr als eine Momentaufnahme. Noch vor fünf Jahren hatte der Rechtsblock in acht von 14 Regionen gewonnen; diesmal lag Mitte-Links in 11 von 13 vorn (die Wahl in der 14. Region, der Basilicata, findet am 17. und 18. April statt und wird voraussichtlich ebenfalls mit einem Sieg von Mitte-Links enden; in sechs von insgesamt 20 Regionen wurde nicht gewählt). Hochgerechnet auf die nationale Ebene ergeben sich 52 Prozent für Mitte-Links und nur noch 46 für den Rechtsblock.

Berlusconis sichere Bastionen liegen in der Lombardei und Venetien, wo er sich auf weitgehende Konzessionen an die regionalistische Lega Nord einließ. Das wiederum verbittert seine christdemokratischen und neofaschistischen Koalitionspartner, die schon vor der Wahl offen Kritik am Chef übten. Nun dürften die Zerfallserscheinungen im regierenden "Haus der Freiheiten" noch zunehmen. Dennoch wird es für das siegreiche Mitte-Links-Bündnis darauf ankommen, seine Formationen beisammen zu halten. Bei Rifondazione Comunista (PRC) - der "Partei der kommunistischen Neugründung" -, die auf 5,7 Prozent kam, werden es die Kritiker der von Fausto Bertinotti betriebenen Bündnispolitik nun schwerer haben: Der knappe Sieg des offen homosexuellen PRC-Kandidaten Nichi Vendola in Apulien ist eine deutliche Bestätigung seines Kurses - und darüber hinaus ein Zeichen, dass sich auch im eher konservativen italienischen Süden die Zeiten ändern.


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