Am 12. Juni wird die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien eröffnet. Die Funktionäre des Weltverbands FIFA haben sich das alles so einfach vorgestellt: In Brasilien, dachten sie, könnten sie ein weiteres Mal die Welt veräppeln. Dort wirke sie noch, die uralte Mixtur von panem et circenses. Brot und Spiele, Samba und Caipirinha. Doch in Brasilien haben die Menschen schon beim WM-Test vor einem Jahr gegen die Verschwendung von Steuermilliarden für überdimensionierte Stadien protestiert, gegen Sozialabbau, gegen Korruption in Politik, Justiz – und Sport. Die FIFA ist unter ihrem greisen Präsidenten Joseph Blatter weltweit ein Synonym für Geldgier, Vetternwirtschaft und mafiose Strukturen geworden. Die jüngsten Enthüllungen über Korruption bei der Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar vertiefen diesen desaströsen Ruf.
Ausgerechnet in Brasilien, wo soziale und politische Probleme traditionell mit zauberhaften Fußballerfolgen kaschiert und Wahlen gewonnen wurden, wehrt sich das Volk gegen ein Gaunersystem. Diese Entwicklung trägt revolutionäre Züge. Deshalb herrscht die nackte Angst in den globalen Sportkonzernen: In der FIFA und im Internationalen Olympischen Komitee (IOC), das in zwei Jahren in Rio de Janeiro seine Olympischen Sommerspiele austragen lassen will. Für beide Mega-Events sind bereits mehr als 30 Milliarden Euro verbaut oder von korrupten Figuren aller Couleur gestohlen worden. Die Brasilianer demonstrieren ihren Abscheu. In anderen demokratischen Nationen stoppen die Bürger und zu wenige verantwortungsvolle Politiker reihenweise Olympiabewerbungen: in der Schweiz, Deutschland, Polen, Italien und Schweden, demnächst wohl auch in Norwegen. Als Ausrichter bleiben bald nur noch korrupte Erbmonarchien wie Katar, Oligarchien wie Russland und Diktaturen wie China – dort drohen keine Volksabstimmungen.
Überall wächst der Widerstand und kann weder von der WM-Faszination noch von PR-Finten gebrochen werden. Das ist eine historisch einmalige Situation. FIFA und IOC, die insgesamt 2,4 Milliarden Dollar Vermögen ausweisen, könnten erstmals zu Kurskorrekturen gezwungen werden. In der Schweiz, wo die meisten Sport-Weltverbände sitzen und nach Vereinsrecht organisiert sind, stehen zwei Gesetzesverschärfungen an. Sowohl im Korruptionsstrafrecht als auch im Geldwäschegesetz geht es gegen FIFA und IOC. Die Proteste der Brasilianer und die andauernden medialen Enthüllungen werden manche Opportunisten im Schweizer Parlament umstimmen.
Das IOC wird auf einer Sondersitzung Ende des Jahres reagieren und potenziellen Olympiagastgebern mit Regeländerungen entgegenkommen. Und die FIFA? Natürlich müsste die FIFA Katar die WM 2022 entziehen und sie neu vergeben. Noch aber ist Blatter Herrscher im rechtsfreien Raum und versucht, seine Macht zu retten. Schon kündigt der von ihm mit Millionenzahlungen bedachte angebliche Ethikermittler Michel Garcia aus den USA an, in Sachen Katar nicht weiter recherchieren zu wollen. Noch wehrt sich das Imperium mit Propaganda. Doch die Belege für Korruption häufen sich, der Infor-mationsfluss wird nicht stoppen. Am meisten aber fürchtet Blatters Gang die TV-Bilder des Widerstands in und außerhalb der WM-Stadien. Die FIFA-Schattenwelter haben überzogen. Nun könnten sie von Millionen protestierenden Brasilianern hinweggefegt werden.
Jens Weinreich recherchiert seit vielen Jahren im Reich der Sportkonzerne. Er bloggt unter jensweinreich.de
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