Der schleichende Putsch

Polizeigewalt Hamburg ist nicht nur wegen seines einmaligen Polizeigesetzes so interessant, sondern auch, weil die Polizei erstmals als autonome politische Kraft offen auftritt.

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In weiten Teilen Hamburgs sind relevante Abwehrrechte gegen staatliche Übergriffe momentan ausgeschaltet. Durchgesetzt hat das gerade die staatliche Institution gegen welche diese Abwehrrechte gerichtet sind: Die Polizei. Erzählt man die Hamburger Geschichte ohne Ortsangabe, es klänge wie schlechte Nachrichten aus einem totalitären Staat. Und genau das ist die Tendenz.

Die Aufgabe der Polizei ist es eigentlich nicht, sich politisch zu verhalten. Ihre Aufgabe ist es lediglich politische Entscheidungen, in Form von Gesetzen, um- und durchzusetzen. Schon oft wurde in der Vergangenheit beklagt, dass Polizeiführungen Proteste politisch betrachten, denn man muss auch eines klar sagen: Nicht die Frage, ob eine Demo läuft, sondern wie sie in der Außenwirkung medial transportiert wird, entscheidet über die Bewertung der Inhalte. Eine Demonstration, die von schwer bewaffneten und vermummten Polizistinnen begleitet wird hat kaum Chancen darauf, dass die behandelten Inhalte zur Auseinandersetzung gebracht werden. In dieser Form sind Polizeieinsätze immer politisch.

Doch Hamburg stellt mit seinem Polizeigesetz, welches die klassische Gewaltenteilung de facto aushebelt, einen Sonderfall dar. Es verwundert entsprechend nicht, dass sich die Exekutive hier offen politisch zeigt. Es sind nicht die kleinen Lügen und interpretativen Freizügigkeiten, wie sie bereits bekannt sind. Nein, hier wird offen mediale Propaganda gemacht. Dass man dabei auch mal Begründungen auf Lügen aufbauen kann scheint nicht zu stören. Das Feindbild der Polizei ist klar: Es ist die linke Szene. Die Taktik: Ein Terrorszenario erstellen.

Besonders zynisch ist dies, da in der selben Republik, jedoch einige hundert Kilometer weiter südlich, gegen Beate Zschäpe verhandelt wird. Die Taten des NSU jedoch waren nur durch Mithilfe deutscher Behörden möglich gewesen - ob nun durch absichtliche Unterstützung oder Unvermögen. Beides ist vorstellbar. Gerade diese Kombination schreckt auf. Während deutsche Ermittlungsbehörden ihren Aufgaben nicht nachkommen, wenn ein rechtsradikales Trio mordend durch das Land zieht, zeigen sie sich überambitioniert, wenn die radikale Linke für die Rechte von Flüchtlingen einstehen.

Wie ist es also möglich, dass die Hamburger Polizei eine Lüge, den Angriff auf die Davidwache, nutzen kann, um Grundrechte auszuschalten, während das kollektive Versagen deutscher Ermittlungsbehörden ohne Konsequenzen bleibt?

Es zeigt sich ein schleichender Putsch. Deutsche Ermittlungsbehörden arbeiten außerhalb ihrer rechtlichen Aufgaben, positionieren sich politisch klar. Und das Primat der Politik? Auf das verzichten jene, die sie eigentlich am vehementesten verteidigen müssten. Wenn sich die drei Kräfte – Judikative, Legislative und Exekutive – nicht mehr gegenseitig ergänzen und beobachten, besteht ein Problem. Vor allem dann, wenn die Zweite die Dritte nicht kontrollieren will, während die Erste sich besser gleich ganz in Schweigen hüllt. Da wundert es auch nicht, dass jene Polizeieinsätze, über welche wir uns im Ausland so echauffieren, von deutschen Polizisten koordiniert werden. Nur: Was in Istanbul verachtet wird scheint in Hamburg in Ordnung zu sein. Hier bedarf es dringend einer neuen Perspektive.

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