Die mit den Hochschulen tanzt

Hochschulrecht Nordrhein-Westfalen soll ein neues Hochschulgesetz bekommen. Wem damit geholfen wird, weiß niemand so recht.

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Bis zum 13. November 2013 gab es in Fragen des Hochschulrechts zwei Fraktionen in NRW: Die Gruppe der Hochschulrektorinnen und -rektoren, die alles so lassen wollten, wie es ist und die Gruppe der Studierenden, die mit weiten Teilen des wissenschaftlichen Mittelbaus Reformen des Hochschulrechts anmahnte. Seit diesem ominösen Mittwoch gibt es nun noch eine dritte Fraktion: Das Ministerium. Mit ihrem Entwurf hat Ministerin Schulze nämlich geschafft, was niemand geglaubt hätte: Die beiden alten Gruppen werden plötzlich zu einer und sagen: So nicht!

Natürlich bedarf es noch einiger Zeit und Prüfung, bis der Gesetzesentwurf eingehend kommentiert werden kann. Gremien müssen tagen, Kompromisse gefunden und bestimmte Passagen einer genauen Überprüfung unterzogen werden. Doch bereits jetzt ist die Stimmung klar: Egal, wie man zum alten Hochschulrecht stand, das neue will man auf keinen Fall.

Doch woher der Unmut? Natürlich, zumeist findet sich keine Gruppe vollständig in einem solchen Gesetzestext wieder. So funktioniert die Demokratie. Etwas kann durchgesetzt werden, etwas anderes nicht. Doch hier ist es anders, denn es findet sich einfach niemand in diesem Entwurf wieder. Die vier Statusgruppen scheinen sich einig zu sein, dass das neue Hochschulgesetz nichts taugt. Für Niemanden.

Die deutlichste Kritik hört man über die Eingriffe des Ministeriums. Die Finanzhoheit der Hochschulen würde unterminiert, die Wissenschaftsfreiheit angegriffen. Ist da etwas dran oder geht es hier wieder um rethorisches Getose? Vielleicht sollte man selbst entscheiden und sich durch 170 Seiten Gesetzestext wagen. Dann stößt man nämlich auf solche Stellen, die besagen, dass die Rücklagen der Hochschulen vom Land verwaltet werden sollen und die Hochschulen selbst diese dann beantragen müssen. So manch Einer mag sich da infantilisiert vorkommen und an Taschengeldkürzungen denken. Oder die Aberkennung des Promotionsrecht für ganze Fachbereiche. Die politisch gesteuerte Ab- und Anerkennung von Bildungsabschlüssen kennt man eigentlich nur aus politischen Systemen anderer Natur.

Ähnlich die Strategieplanung des Ministeriums. Eine französische Romanistik hier, eine italienische hier und dort eine Anglistik. An diese Universität ein paar Maschinenbauer, an diese Fachhochschule ein paar Lebensmittelchemiker. Dass das Ministerium in Zukunft Fächer nach Standortplanungen verlegen möchte zeugt von einer massiven Wissenschaftsferne. Fächer sind nicht die Disziplinen, nach denen sie benannt werden und Fakultäten haben eigene Ausrichtungen. Der Unterschied zwischen Forschung und Schulunterricht scheint der Ministerin nicht allzu geläufig zu sein.

Und was ist eigentlich aus den Hochschulräten geworden? Die Einen halten sie für demokratiefeindliches Teufelszeug, die Anderen für die nötigen Wirtschaftskompetenzzentren an den Hochschulen. Aber ein vollständig extern besetztes Gremium? Da wird sogar so manchem Hochschulrat-Apologeten flau im Magen.

Wenn es im Sinne der Ministerin war, die Statusgruppen an den Hochschulen näher zusammenzubringen, so hat sie sicher Gutes getan. Sollte ihr daran gelegen gewesen sein, ein solides Hochschulgesetz zu formulieren, so hat sie deutlich versagt. Die verschiedenen Akteure an den Hochschulen haben verschiedene Interessen. Sie alle kann ein Hochschulgesetz nicht abbilden, zu widersprechend sind sie oftmals. Jedoch ein Gesetz zu verabschieden, welches auf geschlossene Ablehnung trifft, das ist schon eine Leistung sondergleichen. Was passiert, wenn der Entwurf wirklich als Gesetzesvorlage eingebracht wird, ist nicht abzusehen. Aber vielleicht passiert etwas, das selten passiert. Dass alle Statusgruppen gemeinsam demonstrieren gehen. Oder um es zu verdeutlichen: Der Tag, an dem der Arbeitgeberpräsident mit den Gewerkschaften lief.

Der Autor ist Referent für Hochschulpolitik und politische Bildung des AStA an der Universität Duisburg-Essen und gehört der Arbeitsgruppe zum HZG des akademischen Senats der Universität an.

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