Eine Universität gibt auf

Extreme Rechte Eigentlich wollte man auf einen Kader der extremen Rechten aufmerksam machen. Jetzt hat ein Professor Strafanzeige gestellt und der Staatsschutz ermittelt - nach links.

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Der 02.12. war ein sonniger Wintertag - auch in Bochum. In der Innenstadt fand eine Einführung für Erstsemster in das Bürgerliche Gesetzbuch statt. Plötzlich waren sie mit ihrem Dozenten, dem Juraprofessor Georg Borges, nicht mehr allein. Etwa 20 Personen in Weihnachtsmannkostümen, Scream- und Guy-Fawkesmasken betraten das Auditorium. Bei sich trugen sie einen großen Pfeil, Plakate und ein Megaphon. Das Anliegen: Sie wollten auf einen der Studierenden aufmerksam machen. Professor Borges wollte das nicht. Er versuchte den Aktivisten mit dem Megaphon herauszudrängen, dieser schlug zu. Es entsteht ein Tumult. Ab dort wird es unübersichtlich, die Aussagen fangen an sich zu widersprechen.

Hintergrund der Aktion an der Bochumer Ruhruniversität (RUB) war das Outing eines Kaders der militanten rechten Szene. Eine weitere, es gab in diesem Jahr mehrere. Erst kürzlich wurde in Hannover eine NPD-Aktivisten geoutet - dort an der gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät, im Fachbereich Politikwissenschaften. Outings sind umstritten, viele Lehrende und auch Studierende halten sie für übergriffig. Aus dem linken Spektrum hört man, es sei notwendig. Studierende, die sich in der extremen Rechten bewegen, dürften nicht unerkannt auf den Fluren der Hochschulen wandeln. Doch die Fälle in Hannover und Bochum sind zu unterscheiden; vor allem in ihrer Wirkung.

Während das Hannoveraner Vorkommnis eine Debatte über den Umgang mit der extremen Rechten an Hochschulen anregte, schlägt die Debatte an der RUB in die andere Richtung aus. Der Staatsschutz ermittelt nun - gegen links. Den beteiligten Studierenden droht vielleicht eine Exmatrikulation, Borges hat zudem Strafanzeige wegen Körperverletzung gestellt. Von Teleskopschlagstöcken ist inzwischen die Rede und das Rektorat, wie auch der AStA, verurteilen die Aktion mit harten Worten. Das Wort des gewaltbereiten Linksextremismus ist in aller Munde. Der Fachschaftsrat zeigte sich mit dem angeprangerten Kommilitonen solidarisch, parteipolitisches Engagement dürfte nicht auf diese Weise diskreditiert werden. Der Post ist inzwischen wieder von der Facebookseite des FSR verschwunden. Ein Stirnrunzeln bleibt.

Bei dem Studenten, auf den die Gruppe aufmerksam machen wollte, handelt es sich nämlich nicht um einen AfD-Sympathisanten, wie sie auch im Umfeld des AStA vorkommen, und auch nicht um eine NPD-Aktivistin, wie dies in Hannover der Fall war. Es handelt sich um Michael Brück, führendes Mitglied bei der Partei 'Die Rechte', welche als Sammelbecken für Kader der Kameradschaftsszene gilt. Für diejenigen, denen die NPD nicht radikal genug ist. Brück wird dem, inzwischen verbotenen, Nationalen Widerstand Dortmund (NWDO) zugeordnet. Nach bisherigen Erkenntnissen war er an dem Angriff auf die DGB-Demo am 01.05.2009 in Dortmund beteiligt. Außerdem gibt es Hinweise auf Verbindungen zwischen dem NWDO und dem selbsternannten 'Nationalsozialischen Untergrunds (NSU)'. Bei Brück handelt es sich nicht um einen Mitläufer, sondern um einen der führenden Neonazis Deutschlands.

Die Debatte gerät nun jedoch aus den Fugen. In einem Kommentar vergleicht Michael Weeke in der WAZ, der ansässigen Lokalzeitung, die Aktivisten aus Bochum mit Nazis. Von Brück ist keine Rede mehr. Er hat gewonnen. Doch Weeke ist hier kein Brandstifter, er folgt nur der Argumentation. Einer Argumentation, die Fachschaftsrat, Rektor und die rechtskonservative 'Junge Freiheit' vereint.

Betrachtet man die Lage einigermaßen objektiv, so muss man feststellen, dass in Bochum eine umstrittene Aktionsform gehörig schiefgelaufen ist. Wenn sich die Aktivistinnen und Aktivisten nur auf Plakate und Flyer verlassen hätten, wenn sie vielleicht auf einen Wortbeitrag in der Vorlesung verzichtet hätten, wenn der Dozent besonnener reagiert hätte, wenn der bedrängte Aktivist ruhiger reagiert hätte, vielleicht wäre dann nur auf Brück aufmerksam gemacht worden. Jetzt gibt es eine Debatte über Linksradikalismus, weil eine Auseinandersetzung zwischen zwei Personen in einem allgemeinen Tumult endete.

Feststellen lässt sich: Bochum zeigt, dass die Frage, ob und in welcher Form Outings stattfinden dürfen, einer weiteren Debatte bedarf. Immerhin ist sie auch im linken Spektrum umstritten. Bochum zeigt aber auch, dass eine Universität schon in erster Instanz vor der radikalen Rechten einknickt. Wenn eine Universität mit großem Aufwand einen führenden Neonazi vor politischer Auseinandersetzung schützt, dann läuft etwas falsch. Doch davon wird in der Debatte nichts bleiben. In den nächsten Wochen wird es um linke Chaoten gehen, nicht um gewalttätige Neonazis. Das ist der Skandal in Bochum. Und nichts anderes.

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